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Klimademos: Nicht alles, was gerecht ist, ist auch wirklich rechtens 

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Ist es legitim, eine Strasse zu blockieren, um auf den Klimaschutz aufmerksam zu machen? Darüber diskutieren Fachleute am Mittwoch an der Uni Freiburg.

Seit Jahren demonstrieren vor allem junge Menschen in vielen Ländern gegen den Klimawandel und die Zerstörung ihres Lebensraums. Einige, die sogenannte Klimajugend, protestieren mit regelmässigen Schulstreiks. Die schwedische Schülerin Greta Thunberg hat Bewegungen wie Fridays for Future lanciert und inspiriert. In den letzten Monaten haben sich die Proteste spürbar radikalisiert, mit Strassenblockaden etwa, Aktionen gegen Raffinerien oder zerstörten Kunstwerken. Demonstrierende kleben sich an Strassen fest, ketten sich aneinander und binden sich an Fahnenmasten. In der Schweiz wirft zum Beispiel die Organisation Renovate Switzerland der Politik Untätigkeit vor und protestiert mit spektakulären Aktionen. 

Diese rufen bei vielen Menschen Beifall hervor, bei anderen nimmt der Zorn gegen Aktivistinnen und Aktivisten zu. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte die Kritik kürzlich nach einem schweren Unfall. Ein Lastwagen hatte eine Velofahrerin in Berlin überrollt. Die Feuerwehr blieb wegen Klimaprotesten im Stau stecken. Sie traf erst verspätet am Unfallort ein. Die Frau kam mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Spital. Die Polizei ermittelt wegen Behinderung hilfeleistender Personen.

Die Diskussion dreht sich immer stärker um die Frage, ob der Zweck Klimaschutz alle möglichen Mittel heiligt. Die «Freiburger Nachrichten» haben mit dem Freiburger Ethiker und Menschenrechtsspezialisten Dominic Roser über den Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit gesprochen. 

Dominic Roser, in einer Abhandlung haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, welcher Weg der beste ist, um das Klima zu schützen. Bitte erläutern Sie.

Ich sehe drei Schrauben, an denen wir drehen können, um Umweltprobleme wie den Klimawandel zu reduzieren. Da wäre einmal die offensichtlichste: die Bevölkerung. Das Bevölkerungswachstum abzubremsen oder gar rückgängig zu machen, um Emissionen zu senken, schliessen wir einmal aus. Es gibt nur wenige Massnahmen, die innert nützlicher Frist einen spürbaren Effekt haben und moralisch akzeptabel sind.

Dominic Roser, Ökonom und Philosoph.
zvg

Der Club of Rome postulierte vor 50 Jahren schon das Wirtschaftswachstum als Wurzel des ökologischen und sozialen Übels…

Ja, das Wirtschaftswachstum zu reduzieren, ist die zweite Schraube. Aber wer schafft es schon ins Parlament mit dem Vorschlag, das Wachstum so stark zu reduzieren, dass es einen signifikanten Effekt auf das Klima hat? Sicher würde Wachstumsverzicht manche Umweltbelastungen reduzieren, aber es würde auch neue Probleme bringen. Zum Beispiel wäre Wachstumsverzicht für Länder in Armut verheerend.

Klingt irgendwie pessimistisch. Haben wir denn gar keine Handhabe?

Klar ist: Das Klimaproblem ist eine so radikale Herausforderung, dass wir alles tun müssen. Ich gehe wie gesagt davon aus, dass wir an drei Schrauben drehen können. Wenn wir an der richtigen Schraube drehen, können wir das Ziel von netto null erreichen. Wenn es aber unmöglich ist, das Bevölkerungswachstum zu bremsen, und die Reduktion des Wirtschaftswachstums nicht zielführend ist, bleibt als dritter Faktor saubere Technologie. Hier sind grosse Sprünge möglich.

Das heisst, grüne Technologie rettet die Welt? Aber warum?

Es wird immer einen Teil der Weltbevölkerung geben, der nicht zum Verzicht bereit ist. Auf der einen Seite sind dies, um ein Musterbeispiel zu nennen, die texanischen Offroadfahrer. Und auf der anderen sind dies Menschen in Armut. Wenn es etwas kostet, machen sie legitimerweise nicht mit. Um auch mit diesen beiden Gruppen von Menschen das Ziel netto null zu erreichen, ist saubere Technologie der einzige Weg. Wenn öko attraktiver ist als fossile Technologien, dann können wir auch die Armen und die Egoisten an Bord holen. Denn das Null-Ziel erreichen wir nur, wenn wirklich alle Länder und Individuen auf null gehen. Und dazu müssen saubere Technologien billiger sein als dreckige.

Als Erstes würden mir Verbote als Mittel einfallen, um eine Verhaltensänderung zu erzwingen. Bringen sie wirklich was?

Verbote sind natürlich legitim: Meine Freiheit geht nur so weit, wie die Freiheit der anderen reicht. Wenn meine Emissionen das Eigentum oder Leben anderer zerstören, dann ist es aus liberaler Perspektive ok, sie zu verbieten. Die Kritik an Verboten ist oft ideologisch. Aber dass Verbote legitim sind, heisst noch nicht, dass sie viel bringen. Der wichtigste Beitrag der Schweiz zum globalen Null-Ziel ist nicht die Reduktion der eigenen Emissionen. Der wichtigste Beitrag ist die Erforschung und Entwicklung sauberer Technologien. Und dafür sind Verbote nicht zentral.

Aber ist Verzicht denn nicht auch notwendig, egal, ob mit oder ohne Verbot?

Doch, schon. Dort, wo saubere Technologien weit weg sind, ist Verzicht ein wichtiger Beitrag. Ich denke hier an Flüge und pflanzlichere Ernährung.

Sie nehmen am Mittwoch an einer Podiumsdiskussion an der Universität Freiburg teil, an der es unter anderem um radikale Aktionen zugunsten des Klimaschutzes geht. Können Gerechtigkeit und Recht sich überhaupt decken?

Seit Menschengedenken sehen wir, dass Recht und Gerechtigkeit auseinanderklaffen. Wenn wir das ändern wollen, sollten wir im Normalfall den demokratischen Dienstweg gehen: wählen, diskutieren, demonstrieren. Es gibt natürlich Ausnahmefälle, in denen es legitim ist, das Recht zu brechen – Stichwort ziviler Ungehorsam. Zum Beispiel dann, wenn das Recht die demokratischen Mittel einschränkt.

Können Sie uns auch hier ein Beispiel nennen?

Zur Zeit der Rassentrennung in den USA setzte sich Rosa Parks in einem Bus auf einen Platz, der den Weissen vorbehalten war. Trotz Androhung von Konsequenzen weigerte sie sich aufzustehen. Wir sind uns heute weitgehend einig, dass dieses Vorgehen zwar vielleicht illegal, aber nicht unmoralisch war. Es war aber eine ausserordentliche Massnahme innerhalb eines grundsätzlichen Bekenntnisses zu Recht und Demokratie.

Handeln Aktivistinnen und Aktivisten also illegitim, wenn sie sich zum Beispiel auf Strassen kleben?

Das Recht ist kein Selbstzweck. Es hat ein Ziel: zum Beispiel Gerechtigkeit, Wohlstand oder den Schutz grundlegender Freiheiten. Wenn aber ein Rechtssystem nicht mehr fähig ist, seine wichtigsten Zwecke zu erreichen, dann ist in gewissen Fällen auch illegaler Widerstand legitim – sogar gegen demokratisch erlassene Gesetze; zum Beispiel, um die Öffentlichkeit wachzurütteln. Den Klimawandel kann man als solches Beispiel ansehen. Unsere Klimagesetzgebung verletzt Menschenrechte in grossem Umfang. Menschen in der Zukunft, vor allem im globalen Süden, verlieren Eigentum, Gesundheit und Leben. Da geht es nicht um eine Optimierung unserer Gesetze – etwas mehr Gerechtigkeit etwa und Effizienz –, da ist etwas im Kern marode. In den allermeisten Fällen aber sind demokratische Mittel nicht nur legitimer, sondern auch wirksamer.

In der Öffentlichkeit gibt es eine grosse Polarisierung. Ein Teil der Bevölkerung klatscht den Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten Beifall, ein anderer kritisiert sie. Wie kann man die Beweggründe dieser Leute überhaupt unterscheiden?

Ein wichtiges Merkmal ist die Absicht. Warum wären Aktivistinnen und Aktivisten bereit, Nachteile und Strafen auf sich zu nehmen, wenn ihre Beweggründe bloss Frust und Rebellion wären? Sie können auch im Rahmen einer illegalen Aktion ihr grundsätzliches Bekenntnis zu Recht und Demokratie signalisieren. Und wenn sie das tun, sollten wir nicht an ihrer Ernsthaftigkeit zweifeln.

Programm

Über Verbote und Freiheiten

Am Mittwochabend, 9. November, führt die Fachschaft Jus der Universität Freiburg eine Debatte durch. Das Thema: «Restriktionen oder Freiheiten für den Klimaschutz?». Es referieren und diskutieren unter anderem: Julia Steinberger, Professorin an der Uni Lausanne, Klimaforscherin und -aktivistin, Dominic Roser, Ökonom und Philosoph, Lehr- und Forschungsbeauftragter am Institut für Ethik und Menschenrechte der Universität Freiburg, sowie Reiner Eichenberger, Professor für die Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Uni Freiburg. fca

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