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Konfitürebrote für den Müll und andere Akte der Zerstörung

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Konfitürebrote für den Müll und andere Akte der Zerstörung

Autor: Carole Schneuwly

Schaffen und Zerstören, Schöpfung und Untergang, Geburt und Tod: Der Kreislauf des Lebens beschäftigt die Menschheit seit jeher und ist auch in der Kunst ein wiederkehrendes Thema. Einer, der dies radikal umsetzte, war Jean Tinguely: 1960 schuf er mit seiner «Homage to New York» eine Skulptur, deren einziger Zweck es war, sich selbst zu zerstören. Tinguely war gebeten worden, ein Werk für den Skulpturengarten des Museum of Modern Art zu entwerfen. Zusammen mit anderen Künstlern und Ingenieuren, darunter Billy Klüver und Robert Rauschenberg, baute er daraufhin jenen sich selbst zerlegenden Mechanismus, der schliesslich vor geladenen Gästen ganze 27 Minuten in Betrieb war.

Das Werk verstand sich als Hommage an eine Stadt, deren Energie ein beängstigendes selbstzerstörerisches Potenzial hat, jedoch auch die Fähigkeit birgt, sich immer wieder neu zu erschaffen. Zugleich lässt es sich lesen als Sinnbild für den Kreislauf des irdischen Seins, wo alles einmal zugrunde geht und wo alles Entstehende sein Ende in sich birgt. Und natürlich war die «Homage to New York» ein Produkt ihrer Zeit und sollte aktuelle Themen wie die Angst vor der nuklearen Zerstörung darstellen.

Chaotisch oder subtil

Jetzt, 50 Jahre nach Tinguelys Zerstörungsaktion in New York, sah Gianni Jetzer, der Leiter des Swiss Institute in New York, den Zeitpunkt gekommen, erneut über die Idee des Destruktiven in der zeitgenössischen Kunst nachzudenken. Zusammen mit Roland Wetzel, dem Direktor des Museums Tinguely in Basel, und Chris Sharp, einem freischaffenden Kurator aus Paris, hat er in der Ausstellung «Under Destruction» 20 Künstlerinnen und Künstler vereint, die sich auf vielfältige Weise mit Zerstörung und Selbstzerstörung befassen. Bis zum 23. Januar ist die Schau in Basel zu sehen, später dann im Swiss Institute in New York.

Die Besucherinnen und Besucher finden sich wieder in einer irritierenden Szenerie der Zerstörung, die mal laut und chaotisch daherkommt, mal leise und subtil. Mal zeigt sich die Zerstörung in der Gestalt von Konsumabfall, mal als poetische Transformation, mal als schöpferische Kraft. Und obwohl Tinguely selbst in der Ausstellung nicht vertreten ist, ist sein Geist insofern präsent, als vorwiegend Arbeiten gezeigt werden, deren Mechanismen sich dem Betrachter unmittelbar erschliessen.

Kritik am Konsum

Das gilt zum Beispiel für Johannes Vogls aberwitzige Marmeladenbrotstreichmaschine, die im Akkord Konfibrote streicht – allerdings nicht, damit sie jemand essen kann, sondern nur, um sie auf einen Haufen am Boden fallen zu lassen: ein Sinnbild der Überflussgesellschaft. Auch andere Werke befassen sich kritisch mit Fragen rund um den Konsum. Besonders eindrücklich ist Michael Landys Videodokumentation seiner im Jahr 2001 durchgeführten Aktion «Breakdown»: Der Brite kategorisierte sein gesamtes Hab und Gut und zerlegte danach jedes einzelne seiner 7227 Besitztümer, vom Wattestäbchen bis zum Damien Hirst.

Als Allegorie auf Konsum und Verschleiss versteht auch Jonathan Schipper seinen «Slow Inevitable Death of American Muscle», eine Installation, die zwei Autos in extremer Verlangsamung, mit einem Millimeter pro Stunde, sich immer mehr ineinander verkeilen lässt. Wer sich nicht davon losreissen kann, kann das Fortschreiten der Zerstörung jederzeit live auf der Internet-Seite des Museums verfolgen.

Zerstörerisches Publikum

Mehrere Arbeiten lassen die Besucher selbst zu Akteuren der Demolierung werden: Monica Bonvicini hat unter dem Titel «Plastered» einen Bodenbelag aus Rigipsplatten und Styropor geschaffen, der von den Darübergehenden nach und nach zerstört wird. Bei Arcangelo Sassolino setzen die Besucher mittels Bewegungssensor einen hydraulischen Arm in Gang, der in ein Stück Holz hineinstösst, und bei Liz Larner können sie mit einer Art Abrissbirne sogar die Wände des Museums malträtieren.

Einige Künstler gehen das Thema eher von der humoristisch-grotesken Seite an. Martin Kersels «Tumble Room» etwa ist ein komplett ausgestattetes Mädchenzimmer, das sich so lange um die eigene Achse dreht, bis die Einrichtung vollständig zerstört ist. Ariel Schlesingers «Bubble Machine», die an Tinguelys Ästhetik des improvisierten Bastelns erinnert, lässt mit Gas gefüllte Seifenblasen auf ein unter Strom stehendes Gitter sinken, auf dem sie explodieren. Und Jimmie Durhams «St. Frigo» ist die Videodokumentation eines abstrusen Rituals, mit dem der Künstler während zehn Tagen in den Morgen startete: Eine Stunde lang bewarf er einen Kühlschrank mit Pflastersteinen.

Zerstörung in der Zukunft

Wem es ob so viel Zerstörungswut angst und bange wird, den mag Kris Martins «100 Years» beruhigen: Zwar handelt es sich bei der Arbeit um nichts anderes als eine Bombe, jedoch eine, die erst im Jahr 2104 explodieren wird. Zerstörung in ferner Zukunft also, die uns aber dennoch in unserer Gegenwart berührt – und die ihren Machtbereich weit über die Grenzen der Ausstellung hinaus ausdehnt.

Museum Tinguely, Paul-Sacher-Anlage 1, Basel. Bis zum 23. Januar. Di. bis So. 11 bis 19 Uhr. www.tinguely.ch.

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