Autor: karin aebischer
Freiburg Wenn Karin und Stefan Siegenthaler-Wälchli aus Uebewil um acht Uhr morgens mit ihren Kindern am Zmorgetisch sitzen, haben sie und Landdienstmädchen Nadja Brunner bereits erste Arbeiten auf dem Hof erledigt. Die 14-Jährige hat zusammen mit Karin Siegenthaler-Wälchli zu den Hühnern geschaut und bespricht nun mit ihr, welche Tätigkeiten für den Rest des Tages anstehen. Vor dem gemeinsamen Kochen geht es in den grossen Garten. Die Krautstiele müssen geerntet, gerüstet und danach in Stücke geschnitten und blanchiert werden. Karin Siegenthaler nimmt sich Zeit und erklärt Nadja die Arbeitsschritte. Eigentlich könnte dies auch die fünfjährige Leonie tun, die sich beim Rüsten auszukennen scheint. Für Nadja ist dies eine Premiere; Gemüse rüstet sie zu Hause selten, Krautstiele schon gar nicht.
Zehn Tage verbringt die Schülerin aus dem Luzernischen auf dem Hof ob Freiburg. «Mal etwas Neues erleben und in den Ferien noch etwas tun», beschreibt sie ihre Motivation. Sie packt vor allem bei der Gartenarbeit mit an, hilft beim Verwerten des Gemüses und schaut auch mal zu den Kindern. Diese können sich kaum vorstellen, dass Nadja zu Hause nur einen Balkon und keinen Garten hat. Denn bei Siegenthalers wächst fast alles auf eigenem Boden, sie sind zu 80 Prozent Selbstversorger. Dies bedeutet aber auch viel Arbeit.
Auf Interessen achten
Seit drei Jahren beschäftigen sie im Rahmen des Agriviva-Programms (siehe Kasten) regelmässig Jugendliche aus der ganzen Schweiz auf ihrem Betrieb. Diese bleiben maximal drei Wochen. Das sorgt bei Anja und Leonie beim Abschied auch mal für Tränen. Doch einige kommen mehrmals, wie Julia, die schon im Frühjahr in Uebewil war und in den Herbstferien wiederkommt.
«Wir achten sehr darauf, die Anliegen der Jugendlichen zu berücksichtigen, damit sie auch jene Arbeiten machen können, die sie gerne tun», sagt der 35-jährige Stefan Siegenthaler. Dem 18-jährigen Jungen, der im Frühling auf dem Hof war, war körperliche Arbeit lieber. So hat er mehrheitlich Stefan Siegenthaler unter die Arme gegriffen. «Es ist wichtig, den Jugendlichen gegenüber offen zu sein. Die Interessen sind sehr verschieden.»
Die Jugendlichen lernen viel während ihres Ferienjobs: Wo der Tiefkühlspinat herkommt oder dass ein Rüeblibeet gar nicht orange, sondern grün ist. «Es ist eine gute Chance für sie zu sehen, wie die Landwirtschaft funktioniert und wo unsere Lebensmittel herkommen», sagt Karin Siegenthaler. Nadja Brunner hat der Landdienst-Einsatz gut gefallen. «Ich würde es weiterempfehlen», sagt sie. Trotzdem kann sie sich eine Zukunft als Bäuerin nicht vorstellen. «Jetzt macht es Spass, doch auf Dauer wäre es mir wohl zu anstrengend.» Nach der Schule will sie eine Lehre als medizinische Praxisassistentin beginnen.
Leonie (r.) rüstet zusammen mit Nadja Brunner (2.v.r.) die Krautstiele, die Mutter Karin Siegenthaler (2.v.l.) zuvor zusammen mit Nadja geerntet hat. Schwester Anja schaut zu.Bild Corinne Aeberhard
Agriviva:39 Familien im Kanton dabei
Knapp 2500 Jugendliche zwischen 14 und 25 Jahren nehmen pro Jahr an einem Agriviva-Einsatz teil. Das Ziel der Arbeitseinsätze ist, den Jugendlichen eine positive Einstellung zur Landwirtschaft zu vermitteln und sie für die Belange der Landwirtschaft zu sensibilisieren. Neben freier Unterkunft und Verpflegung bekommen sie je nach Alter ein Taschengeld von 12 bis 20 Franken pro Tag. Im Kanton Freiburg haben in diesem Jahr neun deutschsprachige und 30 französischsprachige Bauernfamilien Jugendliche bei sich aufgenommen. Der Landdienst Agriviva ist ein privatrechtlicher Verein mit Sitz in Winterthur. ak