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Leert eure Schubladen!

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Alle Regale, Kisten, Koffer und Truhen, jegliche Schubladen und jeder Behälter, ja mittlerweile sogar alle Teetassen, Krüge und Kochtöpfe sind in meinem Atelier vollgestopft mit irgendetwas. Sachen. Dinge, um Musik zu machen, oder auch nicht. Nützliche Dinge, wie ein Ebow, das, wenn man es auf die E-Gitarre legt, durch andauernde Schwingung der Saiten einen unverkennbaren sphärischen Sound erklingen lässt. Ein ganz geiles Ding aus purem Plastik. Made in China. Ich habe es sicher schon zwei Mal in meiner ganzen Karriere gebraucht (die Batterien halten noch immer). Aber ich horte auch unnütze Dinge. Wie zum Beispiel eine limitierte Swatch Blue Rebel, die ich vom Bieler Uhrenpionier nach dem «Kampf der Chöre»-Sieg geschenkt bekommen habe. Wer zum Geier braucht schon eine Uhr am Handgelenk, wenn man eh eine in der Fageta hat? Aber man weiss ja nie, deshalb bewahre ich die Swatch in der Schublade zusammen mit alten Batterien, ausgetrockneten Stempelkissen, Heavy-Metal-Pins und verkrüppelten Klarsichtmäppchen auf.

 

 Man kann sich das kaum vorstellen, dass gerade ich, der sich so gern über die Schubladen hinweg künstlerisch betätigt, so ein kleinkarierter ordnungsbewusster Tüpflischisser bin. Ich habe ein Wandregal, in dem sind zwölf Schubladen mit zwölf verschiedenen Arten von Kabeln (Apple musste ich sogar eine eigene Schublade widmen, da sie bei jedem neuen Gerät neue Kabel und Stecker machen); in drei Schubladen sind Gitarreneffektgeräte nach Einsatzbereich und Wert sortiert; vier Schubladen mit diversen Mikrofonen – wovon das teuerste in einer eigenen Schublade liegen darf; in Reih und Glied stehen alle Blechinstrumente, da die Hörner, hier das Saxofon; an der Wand aufgereiht stehen die Toms und Kicks und Snares und Becken für das Schlagzeug; in einem lottrigen Ikea-Möbelchen habe ich in der obersten Schublade alle Arten von Klebestreifen sortiert (von Gaffa-Tape zu Teppichklebeband ist da alles sofort zu finden), unter den Klebestreifen sind allerlei Schrauben der Grösse nach eingeräumt, darunter zwei Silikonpistolen mit Patronen, dann die Tackerschublade, zuunterst ein Heissluftföhn für die Schrumpfschläuche. Ich habe sogar eine Schublade, um das Klavier unter meinem Arbeitstisch zu verräumen – sehr praktisch übrigens, wie alle anderen Schubladen, Kisten und Behälter in meinem Atelier und in dieser Welt auch.

 

 Es hört sich irgendwie krank an. I know. Ich habe mich auch schon einige Male gefragt, warum das bei mir so neurotisch ist. Ich habe aber festgestellt, dass alle mir bekannten Menschen in irgendeiner Form auch einen mehr oder weniger krankhaften Ordnungssinn haben. Es gibt sicher Studien und Zahlen und so, aber aus dem Gefühl heraus würde ich mal behaupten, dass alle Menschen so engstirnige bornierte Schubladendenker sind wie ich. Man hält sich an starren Kategorien fest. Man will ja nicht runterfallen. Ins Loch. Das da unter uns, welches sich auftut, wenn man den Kopf hängen lässt.

 

 Ich hatte jedoch vor einigen Jahren eine Offenbarung während einer meiner Aufräumattacken: Ich habe herausgefunden, dass ich nicht aus dem offensichtlichen Grund Sachen räume, weil ich diese 5 x 25-Torx-Zylinderschraube aus Inox oder was auch immer besser und schneller finden möchte – ich kaufe mir ja sowieso beim nächsten Brett, das ich an die Wand bohren muss, neue – nein! Ich und Sie und all die anderen da draussen, wir bringen durch Schubladen Ordnung in dieses verdammte Chaos. Physisch sichtbar, aber auch psychisch, in unserem Gehirn und im Herzen. Wir ordnen ja nicht nur Schrauben, Teller und Kabel, wir ordnen auch Menschen, neues Wissen, all diese krassen News und Schlagzeilen, irgendwie müssen wir das alles runterschlucken und irgendwo in uns drinnen ablegen. All diese Sonnenuntergänge auf Facebook und all die schrecklichen Bilder, die uns das Internet ungefragt in die Netzhaut brennt – wohin damit? Und wohin mit all diesen Katzenvideos? Ohne Schubladen, Regale und Kisten würden wir alle wie Irre und Psychopathen durch die Strassen rennen und uns umbringen. Was einige von uns Menschen leider auch tun.

 

 Einstein meinte: «Nichts kann existieren ohne Ordnung. Nichts kann entstehen ohne Chaos!» Wie wahr.

 

 Ich habe gerade einige Monate des Songschreibens, Komponierens und Aufnehmens hinter mir. Beim ersten Tag im Studio war jedes Kabel, jedes Instrument, ja, jedes beschissene Gitarrenplektrum fein säuberlich der Dicke und Grösse nach sortiert und gebüschelt. Nach drei Monaten intensivster Arbeit und Auseinandersetzens mit meinen inneren Schubladen konnte ich kaum mehr die Türe zum Studio öffnen. Aus den Regalen herausgezogene Kisten und Behälter, ein Desaster aus Kabeln, Adaptern, Instrumenten, ausgeleerte und durchwühlte Schubladen, leere Pizzaschachteln und Bierdosen versperrten mir den Weg ins Innere. Pures Chaos. Chaos, aus dem ein Album mit elf neuen Songs entstanden ist. Danke Albert.

 

 Seit einer Woche bin ich nun wieder am Aufräumen: die Kabel zurück in die Regale, Gitarren in die Koffer, Trommeln in die Truhen, Kugelschreiber in die Teetassen. Manchmal muss man seine Schubladen leeren, damit Neues wieder Platz hat.

Pascal Vonlanthenalias Gustav ist Musiker und lebt in Freiburg. Als Kulturschaffender ist er in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet.

«All diese Sonnenuntergänge auf Facebook und all die schrecklichen Bilder, die uns das Internet ungefragt in die Netzhaut brennt–wohin damit?»

 

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