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«Lehrer sein ist meine Leidenschaft!»

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Staatsrechtler Thomas Fleiner emeritiert nach 39 Jahren. Damit verliert die Universität Freiburg einen Gelehrten, der weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. Nach Freiburg sei er damals gekommen, weil er als Katholik im Zwinglikanton Zürich keine Chance gehabt hätten, Staatsrecht zu lehren, erzählt Fleiner. Am 5. Mai hält er seine Abschiedsvorlesung.
«Lehrer sein ist meine Leidenschaft!»
regula saner
Wie denken Juristinnen und Juristen? So lautet der Titel der Abschiedvorlesung.

Herr Fleiner, wie denken Sie denn?
Wenn beispielsweise in der Zeitung steht, ab jetzt müsse man innerorts Tempo 40 fahren, will ich als Leser wissen, ob das wahr ist, als Jurist will ich wissen, ob das gilt. Ein Jurist fragt nach der Geltung einer Norm. Wenn mich ein Polizist anhält, frage ich nicht, ob das wahr ist, sondern ob er dazu berechtigt ist. Wenn wir uns dann darüber streiten, ob ich zu schnell gefahren bin, kümmert sich der Jurist darum, dass die «Wahrheit» in einem fairen Verfahren von einer unabhängigen und zuständigen Instanz festgelegt wird. Der Jurist «findet» den Sachverhalt aufgrund von fairen Verfahren und muss ihn auf Grund von Normen und Grundwerten beurteilen.

Die Studierenden haben Sie sehr geschätzt, weil Sie es zuliessen, dass man Ihre Positionen hinterfragt. Sie lieben offenbar den Diskurs.
Ja, sicher, das ist eine Grundphilosophie von mir. Nur im Diskurs kommt man der Wahrheit und der Gerechtigkeit näher. Niemand hat die Wahrheit gepachtet, jede Meinung hat einen Grund und einen Kern Richtigkeit. Wenn ich bei neuen Gesetzen mitgearbeitet habe, war es mir wichtig, jedem Einwand nachzugehen.

Als Uniprofessor waren Sie Forscher, aber auch Lehrer. Was waren Sie lieber?
Lehrer sein ist meine Leidenschaft.

Warum?
Als Lehrer muss ich schwierige Probleme einfach und verständlich darlegen. Wichtig ist mir der Kontakt mit den Studierenden. Ich bin der Überzeugung, dass Lehrer und Lernende eine Einheit bilden und sich gegenseitig bereichern.
Offen sagen zu können, was man denkt, ist auch Teil der akademischen Freiheit. Wie ist es um diese heute bestellt?
Mir war sie immer sehr wichtig. Ich habe oft Kollegen verteidigt. Als der Theologe und Uniprofessor Stephan Hubertus Pfürtner in den 70er-Jahren wegen Aussagen zur Sexualmoral in Konflikt mit der römisch-katholischen Kirche geriet, habe ich mich ebenfalls engagiert. Heute habe ich den Eindruck, dass die Bereitschaft abnimmt, sich der Öffentlichkeit zu stellen. Ich denke, das hat mit der schärferen politischen Auseinandersetzung im Land zu tun, konkret denke ich, dass sich manche Kollegen vor der SVP fürchten.

Sie hatten nie Angst, unbequeme Thesen zu vertreten. So haben Sie z. B. die Unabhängigkeitserklärung von Kosovo als völkerrechtswidrig und deren Anerkennung durch die Schweiz als falsch kritisiert. Beschäftigt Sie das, wenn Sie nicht verstanden werden?
Ja, das bedrückt mich. Weil die Schweiz aus rein politischen Zweckmässigkeitsüberlegungen gehandelt und das Recht hintangestellt hat. Für einen Kleinstaat wie die Schweiz gibt es nur die Möglichkeit, sich an das Recht zu halten. Das Recht ist unser einziger Freund. Dass die Schweiz in diesem Fall das Recht missachtet hat, macht mir Sorgen.

Was wäre Ihrer Meinung nach richtig gewesen?
Man hätte, wie es das Völkerrecht verlangt, auf den Konsens beider Parteien, der Serben und der Kosovaren, abstellen müssen, anstatt nur der einen Partei zu helfen.

Heisst das, man hätte so lange verhandeln müssen, bis ein Konsens erreicht worden wäre?
Ja, ich sage immer: Lieber hundert Jahre friedlich verhandeln als ein Jahr Bürgerkrieg.
Wenn sie andere Länder bei ihrer Verfassungsgebung beraten (z. B. Griechenland, Sri Lanka, Bolivien, Venezuela), nehmen Sie die Schweiz mit ihren föderalistischen Strukturen als Vorbild. Ist der Schweizer Föderalismus das beste System für alle?
Die Schweiz ist in Westeuropa der einzige Staat, der in seinen Staatsstrukturen der Vielfalt seiner Religionen und Kulturen Rechnung getragen hat. Das grösste ungelöste Problem in vielen Ländern ist heutzutage, wie man mit den verschiedenen Kulturen institutionell und verfassungsrechtlich umgeht. Da kann die Schweiz ihre Erfahrungen einbringen.

Ist es wirklich der Föderalismus, welcher der Schweiz den Frieden gebracht hat, oder doch eher der Reichtum?
Das Schweizer Modell stammt aus dem 19. Jahrhundert; damals war die Schweiz das Albanien von Europa. Der Reichtum der Schweiz ist bedingt durch die soziale und innerkulturelle Stabilität, welche sich in den 30er- und 40er-Jahren einstellte. Diese Stabilität wiederum war dank der Konsensdemokratie und den föderalistischen Strukturen möglich.

Ist Ihre juristische Mission auf der ganzen Welt auch Ausdruck Ihrer Liebe zur Schweiz?
Ja, aber es ist eine kritische Liebe. Es ist z. B. eine Tatsache, dass wir in einer Vierfünftel-Demokratie leben. Ein Fünftel der Einwohner in diesem Land hat kein Stimmrecht. Ich bin zudem für eine Integration der Schweiz in die EU, und zwar nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus kulturellen und universitätspolitischen Gründen. Gerade in der Wissenschaft wird die Schweiz einmal das grosse Nachsehen haben, wenn wir uns scheuen, uns dem wachsenden wissenschaftlichen Wettbewerb zu stellen.

Wie steht heute die Universität Freiburg im internationalen Vergleich da?
Ich denke, dass man der Internationalität zu wenig Rechnung trägt. Das ist namentlich bei der Wahl von Professoren zu sehen. Wir stellen uns viel zu wenig der internationalen Konkurrenz. Auch junge Schweizer Forscherinnen und Forscher müssen sich international beweisen.

Wo sehen Sie die künftigen Forschungsfelder des Föderalistischen Instituts Freiburg?
Zum einen müssen wir noch besser wissen, in welchem Verfahren man durch Konflikte zerrissene Einheitsstaaten, wie Sri Lanka oder Kongo, auf friedliche Weise und unter Beachtung des Rechts in föderale Staaten überführen kann. Andererseits kann man immer häufiger feststellen, wie z. B. in Italien, Belgien oder Bolivien, dass sich reiche Regionen von armen Regionen über den Föderalismus abgrenzen und ihren Reichtum für sich behalten wollen. Da stellt sich die Frage: Wie kann man die Menschen davon überzeugen, dass sie trotz Autonomie solidarisch sind? Das fand ich z. B. bei der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung NFA in der Schweiz so grossartig: Zürich war bereit, mehr zu zahlen zugunsten ärmerer Regionen wie z. B. Freiburg. Föderalismus und Demokratie so zu gestalten, dass wir die Herausforderungen der Globalisierung effizient und gerecht bewältigen und davon profitieren, ist wohl die grosse Herausforderung der Schweiz.

Recht bedeutet also im Idealfall auch Gerechtigkeit?
Ja, Recht basiert auf der Idee der Gerechtigkeit und Gerechtigkeit ist Voraussetzung für Frieden.

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