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Das Diesseits als Horchposten fürs Jenseits?

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Das Interview mit Othmar Keel über das Jenseits (FN vom 31. Oktober) hat Wellen geworfen. Das Thema verdient es auch, dass es uns leidenschaftlich erregt, auch wenn wir es kognitiv beziehungsweise erkenntnismässig nie in Griff bekommen. Bei diesen Menschenfragen geben wir oft zu leicht traditionelle Antworten oder wir hören kategorisch mit dem Fragen und Denken auf.

 

Die Gottesbilder verraten oft sehr wenig über Gott, aber viel über die Bilder, die wir Menschen uns von Gott und von uns selber machen. Othmar Keel sagt: «Es scheint mir Gott gegenüber pietätvoller zu sein, nicht an ihn zu glauben, als ihn als Verbrecher zu sehen, der das alles duldet oder gar verursacht.» Wenn Gott nur für das Böse und Schreckliche verantwortlich gemacht wird, aber nicht auch für das Gute und Schöne, dann ist das ein Denkfehler in der Argumentation. Psychologisch kann ich das zwar gut verstehen, wenn man mit Gott hadert. Aber ist Gott damit schon infrage gestellt? Wird Gott nicht zu klein gedacht – nach unserem Bild?

Oder die Frage um den Tod als «ewiger Schlaf». Mit Karl Rahner könnte man auch sagen, dass Sterben die Vollendung einer lebenslangen Geburt ist. Gerade die Diskussion um die Evolution öffnet meines Erachtens für die gläubige Sicht des menschlichen Daseins hilfreiche Zugänge. Evolution ist nicht zuerst Abbruch und Zerstörung, sondern Verwandlung, Prozess und Werden. Und im Gemüt und im Denken des Menschen findet die quantitative Dimension des Kosmos zur qualitativen Tiefe der unübersichtlichen «Schöpfung». Dadurch ist der Mensch im Vorteil, wo es komplexer und komplizierter wird. Er kann auf die Spurensuche gehen. Die Natur bleibt dabei massiver und stärker als die Kultur; deswegen ist die Natur so kulturbedürftig. In diesen spannungsvollen Prozessen haben die Menschen gelernt, Fragen nach sich selber und nach dem Sinn des Daseins zu stellen. Und in diesem Horizont hat sich Gott in Jesus von Nazaret menschlich uns offenbart und sein Schweigen gebrochen, ohne sein Geheimnis zu lichten. Damit sind wir auf den Weg und die Botschaft von Jesus Christus verwiesen. Ohne Gottesbilder geht es allerdings nicht. Das Problem aber beginnt dort, wo wir unsere eigenen Gottesbilder anbeten und uns damit absolut setzen. Die Frage nach dem Jenseits ist keine Frage nach dem «Was» (was geschieht), sondern: Wer kommt mir entgegen: «Ich werde erwartet.» Die Antwort also ist «Du» und nicht «Was». Unsere Lebenswege werden zu «kleinen» Auferstehungsschritten zu sich selber und zu den Mitmenschen. Es geht um Beziehung und Liebe.

Auch wenn die kirchliche Praxis in unseren Ländern zurückgeht und für manche die religiöse Nestwärme der Jugendzeit zu einer religiösen Restwärme erkaltet erscheint, gibt es bewusst und inkognito religiöse Suchprozesse. Je mehr wir aber «Gott» ausschalten und atheistische Meinungen vertreten, um so eher geraten wir in Gefahr, selbst «allmächtig» zu werden und gleichsam «Herrgott» spielen zu wollen oder gar zu müssen. Wir verfallen womöglich einer Despotie der religiösen Ignoranz. Eine grosse Barmherzigkeit in der religiösen Orientierung und im Glauben an Gott liegt schon darin, dass ich dem Leben und das Leben mir auch einiges schuldig bleiben darf, ohne dass ich verzweifle und trostlos durchs Leben wanken muss. Gott entlastet davon, selber Gott spielen zu müssen und daran zu scheitern.

Christliche Spiritualität kann sich darin erfüllen, ein Verhältnis zu sich selber, zur Mitwelt und Umwelt und darin und dadurch ein Verhältnis zu Gott zu suchen und zu wagen. Dann kommt der Mensch sich selber auf die Spur. Er gewinnt seinen Namen. Es geht um eine Offenheit, mit der man sich der eigenen und der fremden Wirklichkeit mit ihren Wunden und Wundern zu stellen versucht. Der Mensch ist nicht nur Reizzentrum oder Sammelpunkt von Energien und Kräften, die von den Wissenschaften auf den psycho-physischen Bereich reduziert werden dürfen.

Von Werner Heisenberg stammt der Satz: «Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch, aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott.» So möchte ich sagen: Mancher Trunk aus dem Becher des Lebens lässt uns an Gott irrewerden. In der Tiefe des weiteren Lebensweges jedoch erwartet uns Gott.

Leo Karrer (Freiburg, Jg. 1937) ist katholischer Theologe und emeritierter Professor für Pastoraltheologie der Universität Freiburg.

Gastbeitrag

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