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«Männer verbergen oft ihre Gefühle»

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«Männer verbergen oft ihre Gefühle»

Patrick Haemmerle zum Schweizerischen Tag des Jugendsuizids

1400 Menschen nehmen sich in der Schweiz jährlich das Leben, über 100 davon sind noch im Jugendalter. Bei jungen Männern ist Suizid – nach den Verkehrsunfällen – die häufigste Todesursache.

Mit PATRICK HAEMMERLE
sprach ILONA STÄMPFLI

Was treibt einen jungen Menschen dazu, sich das Leben zu nehmen?

Da spielen viele Faktoren mit. Nicht jeder Mensch bringt sich um, wenn er ein schlechtes Erlebnis hatte. Zuerst braucht es einen «Boden» – Risikofaktoren, die bei einem Menschen vorhanden sind. Depressionen, immer wiederkehrende Konflikte in der Familie, Beziehungsverluste oder auch das Leben zwischen zwei Kulturen sind solche Grundlagen.

Und was bringt das Fass schliesslich zum Überlaufen?

Die eigentlichen Auslöser sind unmittelbare schlechte Erfahrungen und Enttäuschungen. Das kann Liebeskummer sein, Konflikte mit den Eltern oder auch Probleme in der Schule und Ausbildung. In Abschiedsbriefen von Jugendlichen stehen oft Sätze wie «Ich bin nichts wert». Diese Menschen nehmen die Welt nur noch als Röhre ohne Ausweg wahr.

Jugendliche sind eine besonders gefährdete Gruppe. Warum?

Das Jugendalter ist eine biologisch bedingte krisenhafte Zeit. Körper und Persönlichkeit sind in Veränderung. Vieles ist noch nicht gefestigt und instabil. Probleme und Konflikte können oft nicht verbal ausgedrückt werden. Es wird nach einer anderen Möglichkeit gesucht, diese zu lösen. In einem Menschenleben gibt es noch andere Krisenzeiten. Bei der Frau zum Beispiel in der Menopause und beim Mann, wenn die ersten Alterserscheinungen auftreten.

Gibt es einen Unterschied zwischen Mädchen und Buben betreffend der Häufigkeit von Suiziden?

Ja, da gibt es Unterschiede. Bei jungen Männern zwischen 20 bis 25 Jahren ist der Suizid eine wichtigste Todesursache. Das setzt, nebst anderen Faktoren, die durchschnittliche Lebenserwartung der Männer stark herab. Bei den Frauen sind die höchsten Raten von Suiziden im Alter von 40 bis 45.

Haben Sie eine Erklärung für diese Tatsache?

Das hat etwas mit dem Mannsein zu tun. Männer neigen dazu, ihre Gefühle zu verbergen und Probleme in sich hineinzufressen. Sie haben weniger Möglichkeiten, diese hinauszutragen und jemandem anzuvertrauen. Männer zeigen auch eher aggressives Verhalten.

Bei den Suizidversuchen verhält es sich gerade umgekehrt. Junge Frauen versuchen eher sich das Leben zu nehmen, junge Männer tun es.

Junge Frauen leiden häufiger unter Depressionen. Sie tragen aber ihre Probleme vermehrt nach aussen und reden darüber. So finden sie eher Hilfe als die jungen Männer.

Wollen die Mädchen mit dem Suizidversuch eventuell Aufmerksamkeit erlangen?

Ein Suizidversuch sollte nie als «Geltungsdrang» abgetan werden, sondern ist immer ernst zu nehmen. Suizidversuche können Verschiedenes bedeuten: Sie können ein Appell, ein Hilferuf an die Umgebung sein oder der Wunsch nach einem Moratorium, einer «Lebenspause», weil die Person so nicht mehr weiterleben will. In anderen Fällen hängt der Suizidversuch tatsächlich mit einem Todeswunsch zusammen. Dies ist bei jungen Menschen jedoch weniger der Fall.

Die Dunkelziffer der Suizidversuche ist sehr hoch. Oft verstecken sich hinter Unfällen auch Suizide.

Ja, das ist richtig. Viele Suizidversuche werden gar nicht wahrgenommen und treten nicht an die Öffentlichkeit. Die vollendeten Suizide sind wie die Spitze eines Eisberges.

Neben den eindeutigen Suiziden gibt es die so genannten «Pseudo-Unfälle». Unfälle bei Extremsportarten gehören zum Beispiel zu dieser Kategorie. Man geht bewusst ein Risiko ein und begibt sich in Lebensgefahr.

Kann Magersucht als eine Art «schleichender Suizid» angesehen werden?

Nein, das kann man so nicht sagen. Magersucht ist eigentlich eine Entwicklungskrankheit. Die jungen Leute sind auf der Suche nach Autonomie und Eigenständigkeit, das Abmagern ist ein Mittel, damit die Umgebung auf sie reagiert. Wenn jemand magersüchtig ist, denkt er nicht in erster Linie daran, dass sein Verhalten lebensgefährlich sein kann.

Goethes «Die Leiden des jungen Werther» haben es gezeigt: Suizid ist ansteckend! Ist das heute immer noch so?

Es gibt tatsächlich eine Ansteckungsgefahr. Die Medien spielen dabei eine wichtige Rolle. Goethe sprach mit seinem Werk eine ganze Bevölkerungsschicht an, nämlich junge Leute, die Liebeskummer haben und mit ihrer Beziehung nicht zurechtkommen.

Man kann sich gut mit dem Helden der Geschichte identifizieren. Die Medien müssen in dieser Hinsicht Verantwortung übernehmen und gewisse Richtlinien beachten. Sonst kann es schnell heissen: «Wenn du berühmt werden willst, musst du dich umbringen.»

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Drogenkonsum und Suizid?

Die Suchtkrankheit – allen voran Alkohol! – gehören zu den höchsten Risikofaktoren für Suizid.

Welche Faktoren spielen sonst noch eine grosse Rolle?

Der grösste Risikofaktor besteht, wenn Leute schon einmal einen Suizidversuch unternommen haben oder jemand in der Verwandtschaft oder nahen Umgebung Suizid beging.

Dann ist der Suizid biologisch determiniert?

Nein, er ist nicht biologisch verankert. Aber die Verletzlichkeit einer Person kann vererbt werden. Es gibt Menschen, die leichter mit Problemen umgehen können als andere. Darüber müssten wir mehr wissen.

Welche Rolle spielen die Familie und die Erziehung dabei?

Sie spielen eine sehr grosse Rolle. Stabile, sichere, wohlwollende und herzliche Beziehungen sind die wichtigste «Nahrung» für eine gesunde seelische Entwicklung . Das Kind sollte mindestens eine Person haben, die ihm Werte vorgibt und seine Persönlichkeit schätzt. Konflikte lösen können und die Erziehung zur Selbständigkeit sind auch wichtige Bedingungen.

Was können die Gesellschaft oder die Einzelperson vorbeugend gegen die steigende Suizidrate tun?

Eine Person, der es körperlich oder psychisch nicht gut geht, ernst nehmen, ihr zuhören, mit ihr reden und sie begleiten. Es kann wichtig sein eine Fachperson aufzusuchen und Rat und Hilfe zu holen. Der Schulmediator, Schulpsychologe oder dann eben der Kinder- und Jugendpsychiater sind solche Ansprechpersonen.

Von «Selbstmord» spricht man heute nicht mehr. Warum ist dieses Wort unter Fachpersonen so verpönt?

Dem Wort «Mord» haftet etwas sehr Negatives an. Wer früher Selbstmord beging, wurde nicht auf dem Gottesacker begraben. Es war eine schwere Sünde. Angehörige verschwiegen deshalb die Todesursache oder kapselten sich von der Gesellschaft ab. Der Aspekt der Schuldzuweisung spielt hier auch mit. Mit besserer Information und entsprechender Wortwahl können wir zusätzliches Leiden verhindern.

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