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Missverständnisse regieren die Welt

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Nehmen wir an, ich wolle Ihnen etwas erklären. Etwas, das ich mir im Geiste vorstellen kann. Das muss ich nun in einem ersten Schritt in Wörter umwandeln. Diese spediere ich dann an Sie. Also an ein recht grosses Publikum, das die Buchstaben-Ladung je einzeln wieder in eine Vorstellung zurückbauen muss. Das Risiko ist gross, dass dabei Verschiedenes herauskommt. Denn verstehen ist subjektiv. Dieselbe Botschaft kommt nie bei allen gleich an. Kaum landet eine Information in tausend Köpfen, gibt es zig Deutungen. Ein und derselbe Börsenkurs führt dazu, dass die Hälfte kauft und die andere Hälfte verkauft. Und wenn ich «Blut- und Leberwurst» sage, löst das beim Verein katholischer Vegetarierinnen etwas komplett anderes aus als beim Metzgermeisterverband.

Aber nicht nur die Absender sind gefordert. Auch die Empfänger haben es immer schwerer. Bis vor wenigen Jahren war das Problem, an genügend Informationen heranzukommen. Heute gibt es viel zu viel davon. Wir wissen alles und genau deshalb fast nichts. Was sollen wir anfangen, mit all den Nachrichten, die uns jeden Tag wie Konfetti ins Gesicht geworfen werden? Was mit dem Tagesschau-Bericht aus Syrien, in welchem uns ein Kind, dem ein Bein fehlt, mit grossen Augen direkt ins Gewissen schaut und dann wieder im Nachrichtenstrom verschwindet? Wohl wenig bis nichts.

Und doch können wir wenigstens hinsehen. Hinsehen, damit der Wirklichkeit nicht plötzlich auch ein Bein fehlt. Hinsehen, damit die Realität nicht einfach im Nachrichtenstrom verschwindet. Aber helfen können wir ebenso wenig, wie begreifen. Denn mehr Informationen führen nicht zu mehr Kompetenz, sondern zu mehr Konfusion. Ständig neue Trommelwirbel erweitern nicht den Horizont, sie überfordern uns. Die Menge ist erdrückend. Heute werden alle zwei Jahre mehr neue Informationen in die Welt gesetzt, als in der gesamten Geschichte der Menschheit zuvor. Man muss sich das einmal vorstellen: alle zwei Jahre mehr als je zuvor, 95 Prozent davon digital. Würden Wörter wie Geröll auf uns losdonnern, wäre uns angst und bange. Aber Digits machen keinen Lärm.

Ich bin aufgewachsen, als klobige Schreibmaschinen üblich waren. Damals war ein Radio ein Radio, und es konnte nichts anderes – ein anderer Kasten in einem anderen Zimmer war ein Fernseher und nur ein Fernseher – und das Telefon war schwarz und hing im Gang an der Wand. Zeitungsnews waren auf Papier und lagen im Briefkasten. Man musste bewusst zu jedem einzelnen Medium hingehen, wenn man etwas wollte.

Heute sind kleine mobile Geräte gleichzeitig Telefon, Radio, Fernseher, Kamera, Zeitung, Fahrplan, GPS, Supermarkt, Briefersatz, Kino und Archiv – überall und jederzeit in der Hosentasche verfügbar. Dank sozialen Medien kann man sich in fast jede Diskussion einmischen. Auf Facebook gibt es 1,6 Milliarden Likes pro Tag. Jeder achte Mensch der Welt nutzt Whats­App. 2015 wurden jede Minute 400 Stunden Videos auf Youtube hochgeladen. Das gibt in sieben Tagen mehr Material, als die drei grössten amerikanischen TV-Gesellschaften in den letzten 30 Jahren gesendet haben. Täglich werden 500 Millionen Tweets versandt, das sind 6 000 pro Sekunde. Auch Weltführer twittern gern und viel. Bis hin zu Twitter als Lead-Medium für die Führung einer Grossmacht. 140 Zeichen im Zweifingersystem – wenn da bloss nicht die Welt wegen eines präsidialen Tippfehlers zugrunde geht.

Lichtgeschwindigkeit ist heute das Tempo des Tages. Entwürfe sind out, man stürzt sich gleich ins Original. Geschrieben wird nebenher, oft spontan aus Ärger – im Auto, während Sitzungen oder beim dritten Bier. Dann nur noch die halbe Welt einkopieren, «Senden» drücken und ab geht die Post. Und da wundern wir uns, dass Kommunikation zum Risikofaktor geworden ist.

Höchste Zeit, sich auf die Regeln zu besinnen, als man Texte von oben links bis unten rechts und ohne Korrekturmodus aufs Blatt schreiben musste: Nachdenken, bevor man loslegt. Die Wörter wägen und nicht schütten. Dabei an jene denken, an die man sich richtet, und nicht an sich selber. Und dann das Ganze beiseitelegen und noch einmal durchlesen, wenn sich das Adrenalin gelegt hat. Denn nur wer sich das Schreiben schwer macht, macht anderen das Lesen leicht.

 

Daniel Eckmann ist Jurist, Partner im Beratungsunternehmen Klaus-Metzler-Eckmann-Spillmann und Lehrbeauftragter an der Universität Bern. Zuvor war er Stellvertretender Generaldirektor der SRG SSR und zwölf Jahre Delegierter für Kommunikation von Bundesrat und Bundespräsident Kaspar Villiger. Daniel Eckmann war als Torhüter 95-facher Handball-Internationaler und ist Mitglied der Swiss Olympic Academy. Er wohnt und arbeitet in Murten.

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