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Mit dem Fiskus vor das Standesamt

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 Die CVP-Initiative «Für Ehe und Familie–gegen die Heiratsstrafe» nimmt für sich in Anspruch, eine Ungerechtigkeit beheben zu wollen. Gibt es überhaupt ein gerechtes Steuersystem?

Bruno Boschung:Man kann nicht alles über die Steuerpolitik lösen. Aber dieses Thema ist seit einem Bundesgerichtsentscheid vor über 30 Jahren ungelöst. Die Kantone haben seither ihre Hausaufgaben gemacht. Doch der Bund hat sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen geziert, das bisschen Gerechtigkeit gegenüber den verheirateten und eingetragenen Paaren zu gewähren.

 

 Ist es nicht Zeit, dieses Manko endlich zu beheben?

Bernadette Hänni:Es ist richtig, das Bundesgericht hat 1984 so entschieden. Man konnte diese Benachteiligung damals aber nicht genau beziffern, sondern legte einen Wert von mehr als 10 Prozent gegenüber dem Konkubinat als nicht mehr verfassungskonform fest. Heute sind in den Kantonen die Verheirateten oft sogar bessergestellt. Es ist deshalb wichtig zu betonen, dass es jetzt nur um die direkte Bundessteuer geht. Der Bund hat auch Massnahmen ergriffen, um Verheirateten und Doppelverdienern Abzüge zu gewähren. Seither sind nur noch 80 000 meist gut verdienende Paare benachteiligt, bloss 3 Prozent aller Ehepaare.

Boschung:Ich habe Mühe mit Ihrer Formulierung «nur 80 000 Paare». Das sind zu viele betroffene Personen. Zudem geht es bei der Initiative nicht nur um die verheirateten und eingetragenen Paare bei der direkten Bundessteuer, die übrigens auf einer sehr scharfen Progression basiert. Es gibt noch eine zweite Kategorie an Diskriminierten: AHV-Rentnerpaare, die nicht zwei Mal die volle Rente, sondern zusammen nur 150 Prozent erhalten. Da reden wir von viel mehr Paaren.

Hänni:Ich bin einverstanden, dass für diese 80 000 Paare die Gleichstellung angestrebt werden soll. Das Anliegen der CVP-Initiative steht diesbezüglich auf gutem Grund. Aber bei den Rentnern ist es so, dass Verheiratete in den Sozialversicherungen insgesamt bessergestellt sind. Wird die Plafonierung bei den AHV-Renten aufgehoben, müsste man auch alle Witwenrenten oder Privilegien bei der Militärversicherung, bei den AHV- und IV-Beitragszahlungen streichen. Dann würde die Rechnung wieder ganz anders ausschauen.

 

 Wären also die scheinbar Benachteiligten plötzlich die Privilegierten?

Boschung:Da bin ich nicht ganz der gleichen Meinung. Wir müssen unterscheiden, von welchen Vorsorgesäulen wir sprechen. In der ersten Säule, der AHV, haben die Verheirateten gewisse Vorteile. Würde man die heutige Plafonierung aufheben, müsste man sie neu gestalten. Es bräuchte vielleicht keine Aufhebung, aber wohl eine etwas fairere Lösung. Vielleicht statt 150 neu 180 Prozent plus die paar Vorteile, die Verheiratete heute haben. In der zweiten Säule, der beruflichen Vorsorge, haben Konkubinatspartner praktisch keine Nachteile mehr. Das lässt sich alles regeln.

 

 Geht die CVP-Initiative zu wenig weit? Müssten nicht sämtliche Ungleichbehandlungen neu geregelt werden?

Boschung:Man kann keine Familienpolitik rein über die Steuern führen. Die Konsequenzen bei einer Annahme der Initiative kann heute niemand ganz genau beziffern. Ich habe Mühe mit der Behauptung, eine Änderung im Sinn der Initiative würde mehr kosten. Im Gegenteil: Wir korrigieren, dass wir seit Jahren oder Jahrzehnten Bürgerinnen und Bürgern zu viel Geld aus dem Sack gezogen haben. Eigentlich müsste man berechnen, was der Bund in den letzten 30 Jahren zu viel eingenommen hat.

Hänni:Es ist richtig, eine Ungleichheit aufzuheben. Aber diese Initiative wird die einen begünstigen und die anderen diskriminieren. Das ist das Risiko.

Boschung:Wer wird denn diskriminiert? Niemand.

Hänni:Diejenigen, die nichts erhalten, werden diskriminiert, wenn man die Reichen begünstigt. Die Finanzverwaltung des Bundes hat ausgerechnet, dass nur bessergestellte Ehepaare profitieren könnten. Das heisst, 1,2 bis 2,3 Milliarden Franken kämen Bessergestellten zugute.

Boschung:Was heisst denn «reich» oder «bessergestellt»? Ein Zweiverdiener-Ehepaar ohne Kinder, das gemeinsam mehr als 80 000 Franken netto im Jahr verdient: Sind das für Sie Reiche? Sie kämen nämlich bereits in den Bereich, in dem sie von der neuen Regelung profitieren würden. Oder ein Zweiverdiener-Ehepaar mit Kinder, das 120 000 Franken netto verdient: Sind das in Ihren Augen Reiche?

Hänni:Mit 80 000 Franken ist man sicher nicht reich. Aber es gibt die andere Seite: jene Paare mit Kindern, die 190 000 Franken und mehr verdienen müssen, um von den Vorteilen der Initiative profitieren zu können, und zwar bei unterschiedlichen Einkommen. Solche Paare gibt es viele, und das sind keine Mittelstandspaare.

Boschung:Und doch bin ich nicht damit einverstanden, dass die anderen Paare diskriminiert würden. Sie müssen bereits heute häufig keine direkte Bundessteuer bezahlen, weil sie ein zu geringes Einkommen haben.

Hänni:Aber für das, was den Bessergestellten zugutekommt, müssten die Steuerzahler aufkommen.

 Boschung:Wenn das Parlament den Auftrag erhält, die Bundessteuern anzupassen, muss es nach Lösungen suchen und schauen, was es wo kompensiert. Es gibt aber noch einen anderen Aspekt: Wenn Leute nicht mehr benachteiligt werden, haben sie auch mehr im Portemonnaie, das dann wieder in die Wirtschaft fliesst.

Hänni:Wohin fliesst das Geld bei einem Einkommen von 200 000 Franken und mehr? Auf Bankkonti. Wenn aber schlechtergestellte Ehepaare dieses Geld erhielten, würde es direkt und unmittelbar in die Wirtschaft fliessen.

 

 Wird die Initiative angenommen, ist das Thema Individualbesteuerung vom Tisch. Ist das auch ein Grund, warum die SP die CVP-Initiative bekämpft?

Hänni:Die Idee hinter der CVP-Initiative ist legitim, aber sie hat gewisse Haken. Das damit verbundene Verbot einer Individualbesteuerung gehört dazu. Gerechtigkeit kann es nie geben, wenn man Partner gemeinsam veranlagt. Insbesondere muss man auch dafür schauen, die Alleinstehenden nicht zu diskriminieren. Aus meiner Sicht ist eine Individualbesteuerung die einzig gerechte Besteuerung. Jede Person wird so besteuert, wie sie verdient. Das ist vernünftig, einfach und der bestmögliche Weg zur Beseitigung der Heiratsstrafe. Viele Frauen, die nach einem Unterbruch wieder arbeiten wollen, überlegen sich dies zweimal, weil sie in eine höhere Progression kommen. Bei der Individualbesteuerung ist das nicht der Fall. Da macht es als Frau Spass, wieder in die Arbeitswelt einzusteigen. Das hilft auch für die Beseitigung des Fachkräftemangels.

 Boschung:Ich kann nachvollziehen, dass verheiratete Frauen nicht mehr in einen Beruf einsteigen, weil sie eine Steuerberechnung anstellen und zum Schluss kommen, dass dies netto gar nicht rentiert. Das gilt es zu beheben, aber nicht mit der Individualbesteuerung. Es wäre unglaublich, welch zusätzlichen Verwaltungsaufwand wir auslösen würden. Die kantonalen Steuerdirektoren sind völlig gegen dieses System, weil sie wissen, das es ihnen 30 bis 50 Prozent Mehraufwand in der Bewältigung der Steuererklärungen bringen würde. Man würde also die Kantone strafen–ausgerechnet die, welche ihre Hausaufgaben gemacht haben.

 

 Im Initiativtext wird die Ehe als «Gemeinschaft von Mann und Frau» festgehalten. Stimmt das Volk Ja zur Initiative, wird diese Definition der Ehe in der Bundesverfassung festgehalten. Bewusst oder eher aus Nachlässigkeit?

Boschung:Welche Gedankengänge da mitspielten, kann ich nicht sagen. Aber klar: Eine grosse Mehrheit innerhalb der CVP gibt dem traditionellen Familien- und Ehebild aus ethischen und religiösen Überlegungen ein gewisses Gewicht. Zwar würde in der Verfassung dann dieser Zusatz stehen, aber Diskussionen zum Thema können doch genau gleich weitergehen. Bürgerinnen und Bürger wollen in erster Linie die Ungerechtigkeit im Bereich Steuern und Renten abschaffen; das klassische Ehebild von Mann und Frau steht nicht im Vordergrund.

 Hänni:Wenn die CVP sich so offen gibt, wie Sie es jetzt sagen, und eingetragene Partnerschaften als Quasi-Ehe anschaut, warum steht das dann nicht im Initiativtext? Die CVP will mit dieser Initiative ein Familienbild in der Verfassung verankern, das nicht mehr der heutigen Zeit entspricht. Mir kommt es vor, als ob sich die CVP nicht entscheiden kann zwischen einem traditionellen und einem modernen Gesellschaftsbild.

«Wenn Leute nicht benachteiligt werden, haben sie mehr im Portemonnaie, das dann in die Wirtschaft fliesst.»

Bruno Boschung

CVP-Grossrat

«Für das, was den Bessergestellten zugutekommt, müssten die Steuerzahler aufkommen.»

Bernadette Hänni

SP-Grossrätin

Initiative: Bundessteuer und AHV im Zentrum

D ie von der CVP lancierte Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe», die am 28. Februar zur Abstimmung kommt, will in der Bundesverfassung verankern, dass Ehepaare steuerlich eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden und nicht benachteiligt werden, namentlich nicht bei den Steuern und Sozialversicherungen. Bei der direkten Bundessteuer zahlen rund 80 000 Zweiverdienerehepaare und viele Rentnerehepaare mehr als unverheiratete Paare in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen, heisst es in den Abstimmungsunterlagen des Bundes. Die Vorlage betrifft die kantonale Steuergesetzgebung nicht. Nebst den Bundessteuern will die Initiative auch eine Ungleichbehandlung bei AHV-Renten beseitigen: Von der AHV erhält ein Ehepaar maximal 150 Prozent von einer Einzelrente; ein unverheiratetes Paar kann zwei volle Renten beziehen. Bei den Sozialversicherungen sehen der Bundesrat und das Parlament insgesamt aber keine Benachteiligung von Ehepaaren. Ihnen kommen nämlich verschiedene Leistungen und Erleichterungen zugute wie zum Beispiel die Witwen- und Witwerrenten. Dadurch seien Ehepaare besser abgesichert als unverheiratete Paare. Dies gelte auch für andere Sozialversicherungen wie die berufliche Vorsorge, die Unfallversicherung oder die Militärversicherung. Die CVP-Initiative bezieht sich auf ein Bundesgerichtsurteil von 1984, wonach Ehepaare steuerlich nicht stärker belastet werden dürfen als unverheiratete Paare. 2008 trafen Massnahmen in Kraft, die für viele Betroffene die Benachteiligung beseitigten.

Welche Ehepaare heutzutage noch eine verfassungswidrige Mehrbelastung erfahren, hängt von der Höhe des Einkommens, der Anzahl Kinder, aber auch von der Aufteilung des Einkommens zwischen den beiden Ehepartnern ab.

Wie die Initiative bei einer Annahme umgesetzt würde, ist noch nicht bekannt. Zwei Modelle stehen im Vordergrund: Die Steuerberechnung eines Ehepaares wird mit jener eines unverheirateten Paares verglichen, und der tiefere Steuersatz wird angewendet; oder das gemeinsame Einkommen eines Ehepaares wird zu einem tieferen Steuersatz verrechnet. Die beiden Modelle hätten für den Bund Mindereinnahmen von 1,2 bis 2,3 Milliarden Franken zur Folge. Da den Kantonen 17 Prozent der Bundessteuer zufallen, wären auch sie betroffen. Für Freiburg geht man von Ausfällen von 6 bis 9 Millionen Franken aus.

Zu reden gab die im Initiativtext formulierte Definition der Ehe als «Lebensgemeinschaft von Mann und Frau». Die Definition, die erstmals in der Verfassung festgeschrieben würde, ist umstritten.

Bundesrat und Parlament empfehlen, die Initiative abzulehnen. uh

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