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Mit der Kamera gegen das Schweigen

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Mit der Kamera gegen das Schweigen

Filmemacher begeben sich bisweilen für ihre Arbeit in Lebensgefahr

Die Gefahr ist für manchen Filmemacher ein fast ständiger Begleiter, vor allem, wenn er mit der Kamera auch mal eine kritische Perspektive einnimmt. Am eigenen Leib erlebte dies Fernando Solanas, der am Montag das erste Seminar des Freiburger Filmfestivals bestritt.

Von URS HAENNI

Mit der Ausrichtung auf den Süden dieser Welt hatte das Internationale Filmfestival Freiburg schon früh seine Leinwände einem engagierten, sozialkritischen Filmschaffen zur Verfügung gestellt.

Verbrechen gegen
die Menschlichkeit gefilmt

Engagiert und sozialkritisch bedeutet aber auch, dass man mit der Kamera jemandem gehörig auf den Füssen herumtritt, ja sich sogar Feinde unter den Mächtigen schafft. «Viele Regisseure oder Produzenten riskieren mit ihrer Arbeit ihr eigenes Leben», hatte Festival-Präsident Jean-François Giovannini an der Eröffnungspressekonferenz gesagt und angetönt, dass solche Leute auch in Freiburg anwesend sein würden.

Tatsächlich ist das Filmfestival mit dem diesjährigen Motto «Erinnerungen» mehr denn je darauf aus, Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Vergessen zu bewahren. So sind zum Beispiel der israelisch-palästinensische Konflikt («Galoot» von Asher de Bentolila Tlalim, «Ford Transit» von Hany Abu-Assad), die haitianische Schreckensherrschaft von François Duvalier («Continents sans visa» von Jean-Claude Diserens), der Genozid von Ruanda («100 Days» von Nick Hugues), das mörderische Rote-Khmer-Regime («S21, la Machine de la Mort» von Rithy Panh), oder Rassenhass in Texas («Two Towns of Jasper» von Whitney Dow und Marco Williams) hautnah mit der Kamera porträtiert. Adrenalinschübe am Drehort sind da garantiert.

Mafiokratie

Einen speziellen Raum gewährt das diesjährige Festival Argentinien und seinem Volksaufstand gegen das politische Establishment vor zweieinhalb Jahren. So stand dieses für Argentinien historische Ereignis im Mittelpunkt des Eröffnungsfilms «Memoria del Saqueo» («Geschichte einer Plünderung») von Fernando Solanas.

In seinem Film und auch an einem Seminar im Kaleidoskop-Saal der FEW am Montag zeigte Solanas in drastischen Bildern und Worten, wie sich sein Land nach der Militärdiktatur erst horrend verschuldete und wie der Staat zudem die Privatschulden von multinationalen Unternehmen in Argentinien übernahm, um kurze Zeit später das Staatseigentum zur Tilgung der Schulden zu Spottpreisen zu verscherbeln.

Als Folge davon leben in Argentinien, dem Land mit der höchsten Lebensmittelproduktion pro Kopf, 55 Prozent in Armut und 27 Prozent gar in absoluter Misere. Oder wie Solanas sagte: «Es gibt mehr Tote durch Hunger als zuvor durch die Militärdiktatur und den Falkland-Krieg.»

In seinem Film nennt Solanas die Schuldigen unbarmherzig beim Namen: die Präsidenten Alfonsin, Menem und De la Rua oder der Superminister Cavallo. Er bezichtigt sie krimineller Machenschaften wie des Waffenhandels, des Drogenhandels, der Korruption, der persönlichen Bereicherung, der Plünderung und des Verrates an Volk und Heimat. Kurz: eine Mafiokratie.

Sechs Kugeln im Bein

Dass sich Politikergenerationen derlei Kritik nur ungern gefallen lassen, musste Solanas am eigenen Leib erfahren. Bei einem Attentat gegen seine Person trafen ihn sechs Kugeln ins Bein. Menem wollte Solanas klar machen, dass dieser seine Kamera besser ausgeschaltet lasse. Doch stattdessen nahm Solanas das Attentat gegen ihn gleich in den Film ,,Memorias del Saqueo” auf.

Das politische Establishment habe zusammen mit den Multinationalen die Plünderung Argentiniens sehr ausgeklügelt vollzogen, sagte Solanas am Seminar vom Montag. Dazu gehört auch die Bändigung der Medien. Als Carlos Menem an die Macht kam, habe er zuallererst die Medien privatisiert.

Der ebenfalls in Freiburg anwesende Chefredaktor der Zeitschrift «Acciên», Roberto Gomez, erklärte, dass vier Konglomerate sich sämtliche Medien aufgeteilt hätten. So sind Radio und Fernsehen von den ausländisch kontrollierten Telekommunikations-, Transport- oder Energiegesellschaften abhängig. Die Medienunternehmen wurden so zum Bestandteil des Systems gemacht und teilen seither auch dessen wirtschaftliche Interessen.

Soziales Elend nie in den Medien

Auch heute, so Gomez, existierten die gleichen Besitzverhältnisse und Mediengesetze. Selbst unter dem neuen Präsidenten Kirchner, in dem gar Solanas Zeichen der Hoffnung sieht, hätten die Medien nie kritisch über die soziale Katastrophe in ihrem Land berichtet. Gomez’ Zeitschrift gehört einer Kooperative; doch die meisten Gewerkschafter wurden ebenfalls zum Teil des Establishments gemacht.

Umso mehr schmerzt die ehemaligen und auch heutigen Machthaber, wenn einer wie Solanas für seine scharfe Kameralinse einen Goldenen Bären am Filmfestival Berlin einheimst. Die Meinungen im argentinischen Establishment, so Solanas, waren schnell gemacht: «Der Film ist nichts wert. Solanas missbraucht ihn nur für seine eigenen politischen Ansichten.»
Reihe «Argentinien im Herzen»

Sieben Filme greifen am diesjährigen Freiburger Festival die soziale Katastrophe in Argentinien auf:

l «Agua del Fuego», 2001, von Claudio Remedi, Sandra Godoy, Candela Galantini: Do., 25.3., 12 Uhr, Rex 2.
l «Argentinazo, comienza la Revoluciên», 2002, von Ojo Obrero: Sa., 27.3., 20.30 Uhr, Rex 2.
l «Brukman: Control Obrero», 2003, von Sandra Godoy, Gabriela Jaime: Sa., 27.3., 18 Uhr, Rex 2; So., 28.3., 15.30 Uhr, Rex 2.
l «Después de la Siesta», 1994, von Claudio Remedi, Eugenia Rojas: Sa., 27.3., 20.30 Uhr, Rex 2.
l «Los Fusiladitos», 2003, von Cecilia Miljiker: Sa., 27.3., 20.30 Uhr, Rex 2.
l «No crucen el Porton», 1992, von Claudio Remedi: Do., 25.3., 12 Uhr, Rex 2.
l «¡Piqueteros, Carajo!», 2002, von Ojo Obrero: Sa., 27.3., 18 Uhr, Rex 2; So., 28.3., 15.30 Uhr: Rex 2.
Neues im Programm

Kurzfristig haben die Organisatoren des Filmfestivals einen weiteren lateinamerikanischen Film ins Programm aufgenommen: «Amarte duele» von Fernando Sariñana (2002). Das Werk hat im vergangenen Jahr am Festival von Mar del Plata den Publikumspreis gewonnen. Am Freiburger Festival war eine Schüleraufführung so erfolgreich, dass nun auch das breite Publikum in den Genuss des Films kommen soll (heute Mittwoch, den 24. März, um 10 Uhr im Corso 1). Thema des Streifens ist der Rassismus in Mexiko, verpackt in eine berührende Liebesgeschichte.

Eine weitere Änderung erfährt das Programm heute Abend: Anstelle von «Black Skin White Mask» (Frantz Fanon) wird «Dead Man Walking» (Tim Robbins) gezeigt (21 Uhr im Alpha). FN

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