Mit Karacho trieb Schafhirt Stephan Buchs seine Herde durch das Dorf. Glöckchen bimmelten. Klauen klackerten. Hände klatschten. Jaun feierte den Schafscheid zum 428. Mal – bei herbstlichem Sonnenschein und mit neuem Besucherrekord.
«Es ist eine Riesenfreude, Freunden und Altbekannten nach zwei Jahren Zwangspause wiederzubegegnen», sagte eine in Jaun geborene Besucherin aus Bremgarten bei Bern. Denn wegen der Corona-Pandemie fand der Scheid in den Jahren 2020 und 2021 ohne Volksfest und Marktstände statt.
5000 bis 6000 Besucher
Umso grösser war heuer die Lust zum Feiern und Schmausen am traditionellen Alpabzug der Schafherden. Das drückte sich auch in der Anzahl Schaulustiger aus, die aus allen Ecken der Schweiz angereist waren. Auf einer Wiese reihten sich Autos aus den Kantonen Aargau, Waadt, Neuenburg, Bern und St. Gallen dicht aneinander. Bekannt ist, dass viele weggezogene Jauner zum Schafscheid in ihr Dorf im Greyerzbezirk zurückkehren.
«Wir gehen von 5000 bis 6000 Besuchern aus», sagte Barbara Schorro, Tourismusleiterin der Bergbahnen Jaun Gastlosen. Das sei ein neuer Rekord, bemerkte sie stolz und lobte das Wetter, das dem Anlass in die Hände spielte.
Das urchige Fest ist für den Tourismus von grosser Bedeutung. Für den nächsten Schafscheid wolle man sich neu organisieren und die Aufgaben des Organisationskomitees aus Gemeinde und Marktkommission neu verteilen. «Im Grunde genommen ist das ganze Dorf Teil des OKs», erklärte Schorro. Sie verwies auf die Kinder, welche die Hirten beim Treiben der Schafe in die Pferche unterstützen.
Trockenheit bescherte Mehrarbeit
In den Pferchen entlang der Hauptstrasse vor der Bäckerei blökten und scharrten die mit Papierblumen und Nadelbaumzweigen geschmückten Schafe. Insgesamt rund 500 Tiere waren während eines Zweitagesmarschs von ihren Sommerresidenzen auf dem Schafberg und der Alp Fochsen beim Euschelspass heruntergekommen. Dazu kamen rund 80 Ziegen von der Alp Gärstera. Bis zum Schafscheid, der jeweils am Montag nach dem Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag stattfindet, verweilen die Tiere auf der Vorweid ausserhalb des Dorfs.
So auch die 375 Schafe starke Herde von Stephan Buchs. Er zieht eine positive Bilanz über den Sommer auf dem Schafberg auf 2239 Meter über Meer. Wegen des fehlenden Niederschlags und der allgemeinen Trockenheit sei aber merkbar mehr Arbeit angefallen als in anderen Jahren. «Weil die Tiere für frische Gräser und Kräuter in immer höhere Lagen und stotzigeres Gelände vordrangen, mussten wir markant mehr zäunen», sagte der 30-jährige Jauner.
Wasser per Helikopter
In den höheren Lagen wurde sodann der Wassermangel zum Thema. «Im August mussten wir per Helikopter 3000 Liter Wasser auf den Schafberg fliegen.» Das reichte seinen Tieren für drei Wochen. Es war streng, sagte er und warf sogleich einen sorgsamen Blick über seine geschmückten Tiere in einem der grossen Pferche.
«Immerhin habe ich nicht mehr Tiere als in anderen Jahren verloren.» Insgesamt rechne er mit sechs verunglückten Schafen; gefunden habe er bislang vier. Eine genauere Angabe zur Grösse seiner Herde könne er jeweils erst nach dem Schafscheid machen. Denn am Schafscheid werden die Tiere gemäss Brauch geteilt, gezählt, gekennzeichnet und je nach Besitzer weiterverkauft.
Sprache
Der oder die Schafscheid?
Die Berner Nachbarn in Riffenmatt feiern die Schafscheid, die Walliser auf der Bettmeralp ebenso. In Jaun und vormals auch in Zollhaus heisst es dagegen der Schafscheid. Gibt es ein Richtig oder Falsch? «Nein, nicht unbedingt», sagt Christian Schmutz, Deutschfreiburger Dialektologe und Produzent bei den FN. Im Schweizerischen Idiotikon sei Scheid nur maskulin und stehe für Scheidung oder Trennung. Auch im Alt- und Mittelhochdeutschen hiess es der Scheit. «Wir können also davon ausgehen, dass der Scheid älter und ursprünglicher ist», erklärt Schmutz. Die Berner und Walliser hätten das grammatische Geschlecht wohl alternativen Formen von Scheid in ihren Dialekten angepasst wie Scheiti, Scheidi oder Scheidung – alle feminin. Diese sogenannte Genus-Varianz sei in Dialekten weit verbreitet. Auf Hochdeutsch heisse es auch die Kaiseregg, in Mundart aber «dr Kaiseregg». sgi
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