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«Nachts ist es anders»

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«Nachts ist es anders»

Schweizer Erstaufführung von Harbekes

Nächtliches Warten im Spital wird für acht Menschen zur Nagelprobe der Gefühle: Als erstes Schweizer Theater zeigt Bern seit Sonntag «Nachts ist es anders» von Sabine Harbeke. Die Zürcher Autorin inszeniert selbst – sehr zum Wohl des Stücks.

Oma Irma verwechselt den Kaffeeautomaten mit dem einarmigen Banditen und singt hinreissend «Que sera». Sohn Jürgen, der mit ihr das Ende der Blinddarmoperation seiner Tochter abwartet, stellt die nervtötende Alte mit Schlaftabletten ruhig. Das ist immerhin besser, als sie zu schlagen, sagt er. Hauen tut Jürgen dagegen Weber, der mit Schlick hier zu einem Pillendeal verabredet ist, oder Martin, der erstmals seine todkranke Zwillingsschwester Marie besucht und Jürgens Blumen klaut.Es muss der Wartsaal eines Provinzkrankenhauses sein. Denn wie sich zeigt, haben sich die Wege vieler Anwesenden schon zuvor gekreuzt. Beispielsweise in den Bergen, wo sich Krankenschwester Pia unsterblich in Martin verliebte. Oder im Haus, wo Pia und Schlick wohnen. Oder im selben Wartsaal, wo fast alle schon mal Angehörige verloren haben.Mit dem Spital-Wartsaal hat Harbeke einen dramatisch nahrhaften Raum gefunden. Warten strapaziert ohnehin schon die Nerven, ganz besonders aber Warten auf Antworten über Leben und Tod. Da sieht man die dunklen, gewitterträchtigen Gemütswolken trotz Neongleiss förmlich unter der Decke hängen.

Gewalt und Liebe als Beruhigungsmittel

Weiter verschärft wird die Situation durch die explosive Mischung von privat und öffentlich: Starke Gefühle müssen vor Mitwartenden verborgen werden. Wenn jemand dennoch mehr preisgibt, als gesellschaftlich konform ist, wird höflich weggehört. So sind nur flüchtige Trostallianzen möglich.Die Entladung in Gewalt ist nur eine Möglichkeit, die Spannung zu lösen. Eine andere ist die Liebe: Oma Irma flirtet singend mit dem medikamentensüchtigen Sensibelchen Weber; der wiederum wäre bereit, auf Schwester Pias illegalen Psychopharmaka zu verzichten, könnte er nur ihr Märchenprinz sein.Die sterbende Marie – die heimliche Hauptperson des Stücks – betreibt diese Form der Entspannung auf erschütternd radikale Weise: Sie wirft sich nächtens in Cocktailkleid und High Heels und versucht, einen zu finden, der weniger sanft mit ihr schläft als ihr Pfleger, so dass sie beim Koitus sterben könnte. Das klappt schliesslich auch fast – unschwer zu erraten, mit wem.

Alltagschaos

Harbeke nennt das Stück im Untertitel «Reigen», verzichtet aber zum Glück auf die Symmetrie des gleichnamigen Dramas von Schnitzler. Das lässt die kurzzeitigen Umarrangierungen der Pärchen Oma/Sohn, Zwillingsbruder/-schwester, Drogenvermittler/Süchtiger und Krankenschwester/Blumenmädchen ganz natürlich erscheinen. Auch gesprochen wird wie immer bei Harbeke scheinbar ganz alltäglich, aber so, dass stets die Vorgeschichte mitschwingt: Irmas verblühtes Sozialprestige, die verlorene Symbiose der Zwillinge, Maries vergebliche Lieben.Dass die Autorin selbst inszeniert, ist ein Glücksfall: Die Inszenierung wirkt wie aus einem Guss. Mit Heidi Maria Glössner, Michael Günther, André Benndorf, Ragna Guderian und Stefano Wenk hat sie die besten Schauspieler zur Verfügung, die das Theater zu bieten hat. Und Laura Sundermann als die gepeinigte Marie ist eine erfreuliche Überraschung. sfd

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