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Nähfäden als Quellen der Geschichte

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Catherine Depierraz geht durch die unterirdischen Gänge der Abegg-Stiftung in Riggisberg. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung schliesst eine Türe nach der anderen auf. Schliesslich steht sie vor mehreren gros­sen Holzkisten, auf denen der Aufdruck «Fragile» prangt. «In diesen Kisten kamen die Gewänder Ende November aus Beirut hier an.» Nun lagern die libanesischen Textilien für einige Wochen in den angrenzenden Räumen, einer Art Quarantänestation. «Wir wollen sicher sein, dass sie nicht von Pilzen oder Insekten befallen sind», sagt Restauratorin Hélène Dubuis. Nicht auszudenken, was eingeschleppte Schimmelsporen in den Lagerräumen und Ateliers der Stiftung anrichten könnten.

Vierjähriges Projekt

Das libanesische Nationalmuseum hat die rund 40 Gewänder und rund 170 Fragmente vorübergehend der Abegg-Stiftung anvertraut. In einem vierjährigen Projekt soll die Stiftung den Bestand erforschen und restaurieren.

Anfang der Neunzigerjahre fanden Archäologen in einer Höhle rund hundert Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Beirut acht mumifizierte Körper, Textilien, aber auch Schriftstücke, Münzen, Keramiken und sogar Früchte. «Man wusste, dass die Höhlen im Libanongebirge den Menschen Schutz geboten hatten», sagte Dubuis. So hatte man in anderen Höhlen auch Kirchen gefunden. Die acht gefundenen Körper waren in Tüchern eingewickelt. Die Körper gehörten Menschen aus dem gleichen Dorf. «Vermutlich hat der trockene Boden die Funde konserviert», so Dubuis.

Aus der Zeit der Kreuzzüge

Die Textilien stammen aus dem späten 13. Jahrhundert. «Um das Jahr 1283», präzisiert Dubuis, «das konnte man unter anderem dank der Münzen bestimmen, die man bei den Textilien gefunden hat.» Die Textilien stammen damit aus der Zeit der Kreuzzüge.

Das Gebiet des heutigen Libanons war laut Dubuis damals schon ein komplexes Gebilde, auf dem mehrere Stämme und Ethnien zusammentrafen. Die christlichen Kreuzfahren und die Mamelucken aus dem Gebiet des heutigen Ägyptens hätten sich manchmal gegen die Maroniten verbunden, einer christlichen Minderheit, die zeitweise mit der römisch-katholischen Kirche zerstritten war. Auf der Suche nach einem maronitischen Priester belagerten sie das Gebiet, wo heute das Dorf Hadath El Jebbeh steht. Die Dorfbewohner zogen sich zum Schutz in die Höhle im Libanongebirge zurück.

Krieg verzögerte Forschung

Die Archäologen übergaben ihre Funde dem libanesischen Nationalmuseum Beirut. Doch dieses befand sich Anfang der Neunzigerjahre in einer schwierigen Situation: Im Libanon herrschte zwischen 1975 und 1990 Bürgerkrieg, der auch das Museum stark in Mitleidenschaft zog. «Erst 2016 konnte das Museum sein Untergeschoss wieder eröffnen», erzählt Dubuis.

Dem Museum fehlte es aber nicht nur an Zeit, sondern auch an Spezialisten, um die Textilien zu erforschen. Über eine Ausstellung in Genf kam das Museum mit der Abegg-Stiftung in Kontakt. «Wir mussten aber zuerst abklären, ob wir ein solches Projekt überhaupt bewältigen können», sagte Catherine Depierraz. Denn die Stiftung müsse sich laut Statuten erst um die eigene Sammlung kümmern. Doch schliesslich sagte die Stiftung zu: «Die libanesischen Textilien sind für uns ein aufregendes Projekt», sagt Depierraz. Aus dem 13.  Jahrhundert gebe es aus dieser Region keine vergleichbaren Funde. «Wir können uns dabei auch neues Wissen aneignen.»

Zweimal reiste Restauratorin Hélène Dubuis nach Beirut, um den Transport der Textilien vorzubereiten. Das habe ihr für das kommende Projekt geholfen. Einerseits habe sie einheimische Spezialisten kennengelernt. «Andererseits habe ich besser verstanden, wie die Mitarbeiter des Museums arbeiten und ausstellen.»

Obergewand mit Stickereien

Aus einem Gestell heben Hélène Dubuis und Catherine Depierraz sorgfältig ein Brett hervor, legen es auf einem Tisch ab und entfernen die Schutzabdeckung. Zum Vorschein kommt ein halb zerfallenes Gewand, das ursprünglich wohl in einer hellen Farbe geleuchtet hat. Über den Brustbereich verlaufen rote und schwarze Bänder mit gestickten Mustern. «Das ist typisch für die gefundenen Erwachsenenkleider», erklärt Dubuis. Erwachsene trugen ein langes Untergewand sowie ein Obergewand mit Stickereien auf der Brust und den Schultern. «Die Frauen trugen sicher zusätzlich einen roten Schal», sagt Dubuis. Dass die Kleider hell waren, dürfte nicht in erster Linie klimatische Gründe gehabt haben. «Denn in den libanesischen Bergen konnte es kühl werden.» Vielmehr vermutet Dubuis, dass helle Stoffe günstiger und in der Herstellung unkomplizierter waren als gefärbte Stoffe.

Hélène Dubuis zeigt eine kleine Jacke. «Die Kinder trugen über ihrem Gewand eine Art Mantel.» Auch die Kinderjacke ist bestickt. Die Spezialistin erkennt aber schnell Unterschiede zu den Erwachsenenkleidern: «Die Jacke ist aus verschiedenen Stoffen zusammen­genäht.» Auch die Qualität der Stickereien variiert. Das könnte laut Dubuis durchaus System haben. «Wir hoffen, dass wir am Ende des Projektes mehr wissen.»

Ausstellung ist denkbar

Vor der Restaurierung wird die Abegg-Stiftung die Gewänder detailliert beschreiben. «Wir untersuchen, aus welchen Stoffen die Kleider gemacht sind, ob verschiedene Stoffe verwendet wurden, ob ein oder mehrere Nähfäden verwendet wurden. Ausserdem möchten wir wissen, welche Fäden und Stiche für die Stickereien verwendet wurden», sagt Hélène Dubuis. Auch die verwendeten Farbstoffe will die Stiftung analysieren lassen. «Wir möchten wissen, ob die Kleider in den gleichen Ateliers genäht wurden oder ob die Menschen sie zu Hause hergestellt haben.» Die Zusammenstellung soll später Historikern und Archäologen als Grundlage für ihre Forschung dienen. «Wir übernehmen nur den Teil der Forschung, für den wir auch spezialisiert sind.» Denkbar sei auch eine Sonderausstellung mit den Textilien. Das werde aber erst gegen Ende des Projekts sein. «Vorerst haben wir mit der Erforschung und der Restaurierung genug zu tun.»

Zur Definition

Kleiner als die Schweiz

Der Libanon liegt an der östlichen Küste des Mittelmeers. Er grenzt im Norden und Osten an Syrien, im Süden an Israel. Namensgebend für das Land ist das Libanon-Gebirge, dass bis auf 3000 Meter reicht. Libanon ist mit etwas über 10 000 Quadratkilometer etwa ein Viertel so gross wie die Schweiz und hatte 2017 geschätzt 6,2 Millionen Einwohner. Mit 560 Einwohnern leben mehr als doppelt so viele Menschen auf einem Quadratkilometer wie in der Schweiz. Nachdem der heutige Libanon im Altertum eine Provinz des römischen Reiches bildete, war er später Teil verschiedener arabischer Kalifate. Im 12. Jahrhundert gründeten christliche Kreuzfahrer die Grafschaft Tripolis, welche 1291 durch die Mamelucken abgelöst wurde. Im 16. Jahrhundert wurde der Libanon Teil des osmanischen Reiches. Nach der Unabhängigkeit 1946 spitzten sich die politischen Probleme schnell zu: 1975 brach ein 15-jähriger Bürgerkrieg aus, der eng mit dem Konflikt um Israel und Palästina zusammenhängt und bis heute für politische Instabilität sorgt.

sos

«Die libanesischen Textilien sind für uns ein aufregendes Projekt.»

Catherine Depierraz

Abegg-Stiftung

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Ein Viertel so gross wie die Schweiz

Der Libanon liegt an der östlichen Küste des Mittelmeers. Er grenzt im Norden und Osten an Syrien, im Süden an Israel. Namensgebend für das Land ist das Libanon-Gebirge, das bis auf 3000 Meter reicht. Der Libanon ist mit etwas über 10 000 Quadratkilometern etwa ein Viertel so gross wie die Schweiz und hatte 2017 geschätzt 6,2 Millionen Einwohner. Mit 560 Ein­wohnern leben mehr als doppelt so viele Menschen auf einem Quadratkilometer wie in der Schweiz. Nachdem der heutige Libanon im Altertum eine Provinz des Römischen Reiches bildete, war er später Teil verschiedener arabischer Kalifate. Im 12.  Jahrhundert gründeten Kreuzfahrer die Grafschaft Tripolis, die 1291 durch die Mamelucken abgelöst wurden. Im 16.  Jahrhundert wurde der Libanon Teil des Osmanischen Reiches. Nach der Unabhängigkeit 1946 spitzten sich die politischen Probleme zu: 1975 brach ein 15-jähriger Bürgerkrieg aus, der eng mit dem Konflikt um Israel und Palästina zusammenhängt und bis heute für politische Instabilität sorgt.

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