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«Nie sonst traten kulturelle Gräben so explizit auf»

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Christina Späti, die Märzkrawalle von 1915 in Freiburg schlugen schweizweit Wellen. Wie brisant war der Vorfall tatsächlich?

Für schweizerische Verhältnisse waren solche Tätlichkeiten in der Tat brisant. Nie sonst traten kulturelle Gräben so explizit auf wie während der Kriegsjahre. Die Schweiz schlitterte in diesen Jahren in eine der schwerwiegendsten Krisen seit der Staatsgründung 1848. Eine derartige Solidarisierung mit anderen Nationen gab es beispielsweise im Zweiten Weltkrieg nicht mehr.

 

 War die Existenzgrundlage der Schweiz ernsthaft infrage gestellt?

Nein. Vergleicht man die Schweiz mit Ländern wie Belgien, hätte noch viel passieren können. Man darf nicht verabsolutieren: Längst nicht alle Schweizer solidarisierten sich eindeutig entlang der Sprachgrenze mit der einen oder anderen Kriegspartei. Und doch waren solche Vorfälle nicht ganz harmlos. Im Unterschied zu anderen Ländern hatte die Schweiz aber den entscheidenden Vorteil, dass die Sprach- und Konfessionsgrenzen nicht deckungsgleich waren.

 

 Ist der Tumult in Freiburg alleine auf Sprachunterschiede zurückzuführen?

Ja und nein. Ja, weil der deutsche Überfall auf Belgien die Französischsprachigen doch sehr geschockt hat. Da solidarisierte man sich schnell. Nein, weil mehr dahintersteckte als nur die Sprache. Es war die Identifikation mit einer ganzen Kultur. Und die Kriegslage hatte sicher auch ihren Einfluss auf die Vorfälle in Freiburg. Man wusste schliesslich nicht, wie sich der Krieg entwickeln würde. Viele Romands nahmen die Bedrohung durch Deutschland und die deutsche Kultur als existenziell wahr.

 

Wie reagierte die Politik auf den Krawall?

Die Behörden versuchten, den Vorfall herunterzuspielen. Sie wollten ihn so entschärfen. Dies ist auch verständlich.

 

 Was geschah mit den Aufrührern?

Soweit ich weiss, nichts. Auch da galt es, möglichst wenig Medienpräsenz zu erzielen und ja kein Öl ins Feuer zu giessen. So verlief die Sache im Sand.

Wie hat sich die Sprachproblematik in der Stadt Freiburg seither verändert?

Sprachkonflikte in Freiburg drehen sich derzeit um zweisprachige Beschilderungen, die Bedienung im Geschäft oder das Spitalpersonal. Es geht sehr häufig um das Territorialitätsprinzip. Vorstösse, welche die Sprachenfrage thematisieren, können wir aber erst ab den 1960er-Jahren beobachten.

 

 Und vorher?

Die Sprache war in der Politik kaum ein Thema. Freiburg galt als französischsprachige Stadt. Wer dahin kam, passte sich an. Denn anderes war wichtiger, etwa die Konfession. Ein Sensler identifizierte sich eher mit französischsprachigen Katholiken als mit deutschsprachigen Reformierten. Die Sprache war lange Zeit zweitrangig.

 

 Worin unterscheidet sich der Konflikt von 1915 von späteren Sprachkonflikten?

Heute geht es in Freiburg häufig um Sprachkompetenzen. Dem kann man mit Sprachkursen einigermassen Abhilfe schaffen. Um 1915 hingegen identifizierten sich viele Schweizer mit einer ausländischen Macht: entweder mit Deutschland oder mit Frankreich. Da gab es nur das Entweder-Oder. Und da entzweite sich die Schweiz. Heute wird die Sprachenfrage vielfach als lästig wahrgenommen. Damals aber empfanden sie viele als existenziell.

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