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«Niemand ist vor Armut geschützt»

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«Mit einer abgeschlossenen Ausbildung kann dir nichts passieren»: Mit diesem Satz ihrer Mutter im Kopf ging Ghislaine Heger davon aus, dass sie vor Armut gefeit sei. Denn die Fotografin hatte einen Abschluss einer Hochschule in der Tasche. Trotzdem wurde sie arbeitslos und danach ausgesteuert. 2008 bezog sie vier Monate lang Sozialhilfe. «Der Wechsel von der Arbeitslosenversicherung zur Sozialhilfe war ein Schock», sagt sie. «Ich musste mein ganzes Leben ausbreiten und fühlte mich ausgeliefert.» Sie habe sich zurückgezogen, sei kaum mehr aus dem Haus gegangen. «Denn hinausgehen bedeutete auch, dass ich Geld ausgeben könnte. Und Geld hatte ich nicht.»

Ihre Erfahrung brachte sie dazu, sich für andere zu inte­ressieren, die Sozialhilfe beziehen: «Ich wollte wissen, was sie in diese Situation gebracht hat.» Ghislaine Heger hat da­rum eine Fotoserie mit Porträts von Sozialhilfebezügerinnen und -bezügern geschaffen und damit 2017 die Wanderausstellung «Unterbrochene Lebenswege» aufgebaut. Ab nächstem Dienstag ist diese nun in Freiburg zu sehen, in der Blue Factory. Dazu hat Ghislaine Heger drei neue Porträts gemacht – mit Freiburgerinnen und Freiburgern. Und erstmals wird die Wanderausstellung von einem reichhaltigen zweisprachigen Rahmenprogramm begleitet (siehe blauer Kasten).

Ghislaine Heger will mit ihrer Ausstellung und dem dazugehörigen Buch die Menschen hinter den Zahlen rund um Sozialhilfe und Armut zeigen. «Es gibt noch viele Tabus und Klischees», sagt sie. Damit die Ausstellungsbesucherinnen und -besucher die Porträts möglichst unvoreingenommen betrachten, sind die Texte dazu nicht aufgehängt: «So ist nicht klar, wer von den Porträtierten wegen einer Entlassung, wer wegen einer Scheidung, wer wegen seiner Drogensucht zur Sozialhilfe kam», sagt Ghis­laine Heger. Darum begleitet eine zweisprachige Broschüre mit vier Texten die Ausstellung. Alle Lebensläufe finden sich in einem französischsprachigen Buch zum Projekt.

«Die Ausstellung in Freiburg ist für mich der erste Schritt hin zur Zweisprachigkeit», sagt Ghislaine Heger. Sie hat vor, nächstes Jahr in der Deutschschweiz auszustellen und dabei die Ausstellung völlig zweisprachig zu gestalten.

Wichtig ist der Fotografin: «Niemand ist davor gefeit, eines Tages Hilfe beim Sozialamt suchen zu müssen.» Weder der Schweizer Pass noch ein Abschluss schütze davor – eine Entlassung, ein Unfall, eine schwere Krankheit könnten alle aus der Bahn werfen.

Das sieht auch der Freiburger Syndic Thierry Steiert so: «Die Ausstellung soll Klischees aufbrechen, denn es können alle von Armut betroffen sein.» Dem Freiburger Gemeinderat liege der soziale Zusammenhalt am Herzen. «Darum ist es uns wichtig, dass die Leute erkennen, dass es nicht immer selbst verschuldet ist, wenn jemand Sozialhilfe beziehen muss.»

Die Blue Factory auf dem früheren Areal der Cardinal-Braue­rei sei der ideale Raum für diese Wanderausstellung, so Steiert: «Es war für alle ein Schock, als Feldschlösschen die Brauerei im Jahr 2011 schloss.» Das zeige, dass auf einen Schlag Hunderte Angestellte ohne Arbeit sein könnten, wenn ein Unternehmen schliesse. «Die Geschichte von Cardinal und der Blue Factory zeigt, dass niemand vor Armut geschützt ist, dass sich aber nach einschneidenden Ereignissen auch neue Wege ergeben können.» Denn nun sei das Cardinal-Areal als Blue Factory ein Symbol für die künftige Entwicklung Freiburgs.

«Ich musste mein ganzes Leben ausbreiten und fühlte mich ausgeliefert.»

Ghislaine Heger

Fotografin und Autorin

Zum Programm

Debatten, Filme, konkrete Hilfen

Rund um die Wanderaus­stellung «Unterbrochene Lebenswege» von Ghislaine Heger über Menschen, die Sozialhilfe beziehen oder bezogen haben, gibt es in der Blue Factory in Freiburg über fünf Wochen hinweg ein reiches und kostenloses Rahmenprogramm, das sich auf verschiedenste Weisen mit Armut beschäftigt. Nebst Vorträgen mit runden Tischen gibt es mit Coachings für Arbeitslose und Budgetberatungen konkrete Hilfestellungen. Mehrere Filme rund um die Frage der Armut werden gezeigt. Dabei engagieren sich verschiedenste Partnerinnen und Partner: Unter anderem die Freiburger Hochschule für Soziale Arbeit, Caritas Freiburg, Reper, das Rote Kreuz und der Frauenraum. Der Halt der Wanderausstellung in Freiburg kostet rund 60 000 Franken. Die Stadt Freiburg, der Kanton, die Loterie Romande (Loro) und verschiedene Stiftungen finanzieren dies. Zudem kommen die Organisationen, die das Rahmenprogramm gestalten, für ihre Anlässe selber auf.

njb

 

Blue Factory, Freiburg. Di., 26. März, bis Sa., 4. Mai, Ausstellung jeweils Mo bis Fr, 8 bis 20 Uhr.

 

Das detaillierte Programm: www.itineraires-entrecoupes.ch

 

Armut im Kanton Freiburg

Kinder sind ein Armutsrisiko – vor allem für Frauen

«Die Porträts in der Wanderausstellung sind individuell, aber sie zeigen exemplarisch unsere Verletzlichkeit»: Das sagte Jean-Claude Simonet, Dienstchef des freiburgischen Sozialamts, als die Fotoausstellung von Ghis­laine Heger (siehe Haupttext) den Medien präsentiert wurde. Er betonte, dass im Kanton Freiburg drei Prozent der Bevölkerung – das sind 7577 Personen – in Armut leben. 2,3 Prozent der Bevölkerung beziehen Sozialhilfe. Zehn weitere Prozent sind von Armut bedroht. Laut einer Definition der EU gelten jene Einzelpersonen, Fami­lien oder Personengruppen als arm, die über so geringe Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist.

«Scheidung, Krankheit, der Verlust der Arbeit: Das alles kann in die Armut führen», sagte Jean-Claude Simonet. Die neusten Zahlen des kantonalen Sozialamts zeigen, dass die Hälfte der Freiburgerinnen und Freiburger, die Sozialhilfe beziehen, nach weniger als einem Jahr nicht mehr auf diese Unterstützung angewiesen sind. Fast 18 Prozent aber sind mehr als vier Jahre davon abhängig. Der druckfrische Bericht über die soziale Situation und die Armut im Kanton Freiburg im Jahr 2016 der Direk­tion für Gesundheit und Soziales zeigt auch auf, dass finanziell schlechter gestellte Personen eher gesundheitliche Probleme haben. Klar ist auch, dass ein Bildungsdefizit in der Jugend eine Kluft bewirkt, die später nur schwer zu überwinden ist.

Strukturelle Faktoren

Im Arbeitsbereich gibt es laut Bericht drei Hauptrisiken für Armut: Nebst der Arbeitslosigkeit sind das Tief­löhne. Zudem arbeiten gerade Frauen oft nur Teilzeit, wenn sie Kinder haben, da sie auch heute noch den grösseren Teil der Haus- und Familienarbeit leisten. Teilzeitarbeit mindert aber nicht nur die Ausbildungsmöglichkeiten sowie die Beförderungs- und Karrierechancen, sondern führt auch zu einem schwächeren Schutz der Sozialversicherungen. Frauen hätten daher ein höheres Risiko, arm zu werden, als Männer, so Simonet: «Zuerst haben sie Kinder, später Lücken in der Vorsorgeversicherung.» Das seien strukturelle Faktoren, die in die Armut führten.

njb

 

«Die Ausstellung soll Klischees aufbrechen, denn es können alle von Armut betroffen sein.»

Thierry Steiert

Syndic der Stadt Freiburg

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