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«Niemand kann sagen, er wusste nichts»

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Vor vier Jahren haben knapp zwei Drittel der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger Ja gesagt zur Revision des Raumplanungsgesetzes. Seit Mai 2014 ist es in Kraft und zielt darauf ab, Bautätigkeiten in bestehenden Baugebieten zu konzentrieren, kompakte Siedlungen zu schaffen und landwirtschaftliches Kulturland zu erhalten. Damit soll die weitere Zersiedelung des Landes verhindert werden. Trotz dem grundsätzlichen Votum seitens des Volkes zeigt sich nun, dass der Teufel im Detail steckt. Also dort, wo das sogenannte verdichtete Bauen konkret umgesetzt werden soll. Im Seebezirk gibt es zwei aktuelle Fälle dazu: Das Projekt an der Prehlstrasse in Murten und geplante Mehrfamilienhäuser in Fräschels sorgen teils für massive Gegenwehr aus der Bevölkerung (siehe Kasten). Die FN haben sich aus diesem Anlass mit Peter Hänni aus Murten, emeritierter Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, getroffen und ihm fünf zugespitzte Aussagen zum Thema vorgelegt.

 

1. Wer gegen Zersiedelung ist, muss für Verdichtung sein.

Peter Hänni: Die Revision des Raumplanungsgesetzes war ein indirekter Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative. Und diese hatte die Bekämpfung der Zersiedelung zum Ziel. Es wird wahrscheinlich niemand behaupten wollen, dass es in der Schweiz keine Zersiedelung gibt. Es kam also eine Initiative mit einem Moratorium von 20 Jahren zustande. Die Politik merkte daraufhin, dass diese Initiative Aussichten auf Erfolg hat. Im Parlament war zuerst eine weichgespülte Variante des Gesetzes in Diskussion. Doch weil die Parlamentarier merkten, dass es schwierig werden könnte, die Abstimmung gegen die Landschaftsinitiative zu gewinnen, verschärften sie den Gesetzestext. In diesem Kontext gesehen war die Verdichtung das Gebot der Stunde. Wenn man nun sieht, wie sich die Sache entwickelt hat, muss ich sagen: Ja, das gehört zusammen – wer gegen Zersiedelung ist, muss für Verdichtung sein. Obwohl eigentlich nicht per se ausgeschlossen ist, dass sich jemand zwar gegen Zersiedelung, aber auch gegen Verdichtung ausspricht.

 

 

2. Als das Volk Ja sagte zum neuen Raumplanungsgesetz, war vielen nicht bewusst, was das konkret für sie selber bedeuten könnte.

Peter Hänni: Wir wollten das, und es kam nicht über Nacht. Im Gegensatz zur Unternehmenssteuerreform war die Vorlage auch gar nicht kompliziert. Der Gesetzestext ist sehr klar formuliert. Es kann nun niemand kommen und sagen, er habe nicht gewusst, worum es ging. Zum Beispiel den Wallisern war es sehr wohl bewusst, sonst hätten sie die Revision nicht massiv abgelehnt. Diese Vorlage war im Übrigen auch kein unvorhergesehener Zufallstreffer, wie ein Blick weiter zurück zeigt: Angefangen hatte das Thema mit dem Moorschutz. 1987 waren alle völlig überrascht, dass die Initiative angenommen wurde. In der Folge begannen die Diskussionen über den alpenquerenden Transitverkehr und später über den Zweitwohnungsbau. Auch die Gewässerschutzinitiative gehört in dieses Feld und wird noch einiges Kopfzerbrechen bereiten. Seit rund 30 Jahren geht die Tendenz also in Richtung Verlangsamung der Zersiedelung und Verlangsamung des Ausbaus von Infrastrukturen in abgelegenen Gebieten und damit weniger Gefährdung der natürlichen Umwelt. Beim Gewässerschutz geht es sogar in Richtung Renaturierung. Das Schweizer Volk wollte es so. Wie bei jedem Entscheid gibt es aber sicher Konsequenzen, die je nachdem Schwierigkeiten bereiten. Das streite ich nicht ab. Aber es ist eine Interessenabwägung, und niemand soll so tun, als ob man heute nicht mehr bauen könnte. Niemand wird in die Zange genommen und kann nicht mehr bauen, das ist Blödsinn.

 

 

3. Beim verdichteten Bauen entstehen oft seelenlose, hässliche Hochhäuser ohne Innenleben.

Peter Hänni: Wir sind ja in Murten. Murten ist ein Musterbeispiel, wenn es um verdichtetes Bauen geht. All die Städte, in denen wir in den Ferien so gerne flanieren, sind verdichtet gebaut. Wer jetzt behauptet, verdichtetes Bauen führe automatisch zu hässlichen Gebäuden, den kann ich nicht ernst nehmen. Das ist nicht seriös. Und konnten wir vor dem neuen Gesetz überall wunderbare Architektur geniessen? Dem ist nicht so. Das zeigt sich gerade auch im ausfransenden Grossfreiburg, so etwas von hässlich. Und dort war keine Rede von verdichtet. Es gibt unter jedem Regime schlechte Architektur. Das würde ich nie dem neuen Raumplanungsgesetz anlasten. Aber verdichtetes Bauen heisst natürlich noch nicht, dass die Architektur gut ist. Wenn nun jemand ein miserables Projekt unter dem Stichwort verdichtetes Bauen vorlegt, das von Architekten und Planern als nicht angemessen beurteilt wird, dann kann man das sicher mit Erfolg anfechten.

 

 

4. Was aus dem neuen Raumplanungsgesetz hervorgeht, ist in Tat und Wahrheit eine Chance für mehr Wohnqualität und besseres Zusammenleben.

Peter Hänni: Im Gesetzestext heisst es: Bund, Kantone und Gemeinden unterstützen mit Massnahmen der Raumplanung insbesondere die Bestrebungen, die Siedlungsentwicklung nach innen zu lenken unter Berücksichtigung einer angemessenen Wohnqualität. Das ist also explizit eines der Ziele. Dazu gehört, kompakte Siedlungen zu schaffen; das wollten die Stimmberechtigten. Bei den Planungsgrundsätzen heisst es im Gesetzestext zudem, dass die Siedlungen nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu gestalten und in ihrer Ausdehnung zu begrenzen sind. Insbesondere sollen Wohn- und Arbeitsgebiete einander zweckmässig zugeordnet sein und schwergewichtig an Orten geplant werden, die auch mit dem öffentlichen Verkehr angemessen erschlossen sind. Das heisst es alles schwarz auf weiss. Wenn eine Gemeinde das nun nicht tut, kann sie gerügt werden. Wie das konkret verwirklicht wird, ist eine andere Sache. Es gibt offene Begriffe im Gesetzestext, die von den Kantonen und den Gemeinden konkretisiert werden müssen. Gerade in Zürich oder auch in Freiburg, etwa im Hochschulquartier, gibt es gute Beispiele dafür. Sie zeigen, dass man heute an gewissen Orten sinnvoll bauen kann, wo es früher verboten war. Aber wir können Zürich natürlich nicht mit Fräschels vergleichen.

 

 

5. Es ist eine Bürgerpflicht, sich über die Ortsplanung und über Bauvorhaben zu informieren.

Peter Hänni: Ja, und das wird auch gemacht. Es gehört dazu, dass man sich informiert. Und sicher haben die Behörden die Pflicht, die Bevölkerung aktiv über Nutzungspläne zu informieren. Und zwar in einer verständlichen Sprache, so dass es alle nachvollziehen können. Wenn das eine Gemeinde nicht tut, dann ist das nicht in Ordnung. Wenn nun aber nur fünf Bürger an einen Informationsabend kommen, ist es nicht das Problem der Gemeinde. Nun könnten Gemeinden auch Flugblätter an alle Haushalte verteilen und offensiv darauf hinweisen, dass es um die Erweiterung von Baumöglichkeiten im Dorf geht. Denn das Amtsblatt liest ja kaum jemand. Pflicht ist es nicht, aber in besonderen Fällen könnte man den Bürgern sicher mit einem Brief eine Hilfestellung geben. Gerade in einem kleinen Dorf wie Fräschels wäre das vielleicht angebracht gewesen. Denn wenn es die Bürger verpasst haben, zu den Nutzungsplänen Stellung zu nehmen, wird es schwierig, sich gegen Bauprojekte zu wehren, wenn diese sonst korrekt sind. Argumente zu Nutzungsplänen können bei der Auflage von Baugesuchen nicht mehr vorgebracht werden. Im Fall Fräschels mit dem grossen Widerstand aus der Bevölkerung könnte sich die Gemeinde überlegen, ob sie einen anderen Weg einschlagen will. Denn die Leute fühlen sich offenbar betrogen, sie hatten vieles offenbar nicht gewusst oder nicht gemerkt, die Gemeinde und der Kanton haben ihrer Meinung nach nicht richtig informiert, die Dossiers gingen hin und her, und dazwischen wurde noch die Fräschelser Ortsplanungsrevision abgelehnt, und die Bürger meinten, dass deshalb sowieso nichts ist mit der neuen Nutzung. Für Bürger, die sonst mit solchen Themen nichts zu tun haben, ist das schon schwierig. Aber neben dem Recht gibt es ja auch die Politik. Zum Beispiel wäre eine Möglichkeit, dass sich die Landbesitzer überlegen, ob sie sich dermassen unbeliebt machen wollen und das Projekt nochmals überarbeiten. Oder die Bauherrschaft lotet das Projekt nochmals aus. Beides ist nicht ausgeschlossen und auch schon mehrfach vorgekommen. Im Fall Murten ist es für mich hingegen weniger glaubwürdig, wenn die Gegner nun kommen und sagen, sie hätten nicht gewusst, welche Nutzung die Ortsplanungsrevision auf dem Land an der Prehlstrasse ermöglicht.

Bauprojekte

Es gibt Aufruhr und Widerstand in Murten und Fräschels

Als die Baugesuche eingereicht wurden, war der Aufschrei gross. An der Murtner Prehlstrasse sollen neun Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 99 Wohnungen gebaut werden. Umgehend gründeten Anwohner an der benachbarten Meylandstrasse eine Interessengemeinschaft. «Die Sicht auf das Stedtli wird verbaut. Dieses Monsterprojekt schockt uns. Das Grundstück neben den Eisenbahnschienen wurde klammheimlich massiv aufgezont», lauten einige der Vorwürfe. Die Frist für Einsprachen lief gestern ab.

Ähnliches geschieht in Fräschels: Dort sorgt der geplante Bau von zwei Mehrfamilienhäusern mit je neun Wohnungen neben dem Bahnhof für Aufruhr. Diese Häuser liegen zwar in der Dorfzone, aber aus­ser­halb des Ortsbildschutzperimeters. Dennoch sehen Teile der Bevölkerung das Ortsbild in Gefahr. Sie verlangten eine ausserordentliche Gemeindeversammlung. An dieser kritisierten sie die geplanten Mehrfamilienhäuser beim Bahnhof: «Mit diesen Monsterblöcken ist unser Dorf nicht mehr schön.»

jmw

 

 

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