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«Niemand will, dass Friede einkehrt»

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Die Nichtregierungsorganisation «Epiceries» wurde 2011 von der 59-jährigen Freiburgerin Véronique Isenmann gegründet. Die Organisation hat sich auf volkserzieherische Bildungsprogramme im Bereich der Vielfalt und der kulturellen Rechte spezialisiert. Sie ist in der Demokratischen Republik Kongo, im Niger, in Costa Rica und Honduras aktiv. Die Zentrale befindet sich in der Freiburger Oberstadt. Isenmann lebte selbst drei Jahre im Kongo, von 2009 bis 2011. Momentan ist die Situation dort wieder besonders schwierig.

 

Was spielt sich im Kongo momentan in den Flüchtlingslagern ab?

Vor zwei Wochen wurde bekannt, dass 16 Flüchtlingslager im Osten des Landes, in der Gegend von Goma, geschlossen werden – wie dies bereits im April angekündigt worden war. Das bedeutet nun, dass Zehntausende von Menschen von heute auf morgen auf der Strasse stehen. Vor allem die Frauen unter den Flüchtlingen sind sehr verängstigt. Aber auch in den ehemaligen Heimatdörfern fürchtet man sich davor, dass die Leute zurückkehren.

Wieso?

Die Flüchtlinge haben ihre Häuser und ihr Land verloren. Inzwischen wohnen dort andere Menschen, die an sich legal dort eingezogen sind. Da sind neue Konflikte für viele schon vorprogrammiert.

Wie viele sind denn bereits zurückgekehrt?

Nach anderthalb Jahren intensiver Arbeit sind erst etwa 50 Menschen von Zehntausenden zurückgekehrt. Dies ist zum Glück friedlich abgelaufen.

Wie arbeitet «Epiceries»?

Wir wollen vor allem Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Unsere Pädagogen arbeiten einerseits mit einem Therapieprogramm, das der Detraumatisierung dienen soll. Hier arbeiten wir unter anderem mit Klöppeln, einer Arbeit, die zuerst in Schweden zu therapeutischen Zwecken eingesetzt wurde und eine ausgesprochen beruhigende Wirkung hat. Weniger Stress bedeutet für diese Menschen gleichzeitig eine innere Stärkung. In der Folge entwickeln die Betroffenen eigene Projekte. Diese können landwirtschaftlicher Natur sein. In den Lagern im Kongo werden aber beispielsweise auch Körbe geflochten und anschliessend auf Märkten verkauft. Der zweite Hauptaspekt unserer Arbeit ist die Friedenserziehung im Geiste eines Rechts auf kulturelle Vielfalt gemäss der Erklärung von Freiburg aus dem Jahr 2007.

«Der Bürgerkrieg hat – anders als dies in Europa oft dargestellt wird – in erster Linie nicht ausschliesslich ethnische Ursachen.»

 
 

Was heisst das konkret?

Wir wollen die Menschen im besseren Zusammenleben schulen – eben im Sinn der kulturellen Vielfalt. Es gibt ja nicht ein kongolesisches Volk, sondern sehr viele verschiedene Ethnien. Der Bürgerkrieg hat aber – anders als dies in Europa oft dargestellt wird – in erster Linie nicht ausschliesslich ethnische Ursachen.

Was sind denn die Gründe für die verfahrene Situation?

Es geht um das Land und auch um soziale Veränderungen. Im letzten Jahr kam es zum Beispiel in einem Dorf zu einem schlimmen Konflikt – und dies nur, weil die älteren Bewohner die Jüngeren als «Sklaven» bezeichnet hatten. Und die Jungen wollen ­keine Sklaven mehr sei … Das ist aber nur ein Beispiel von vielen. Letztlich will niemand wirklich, dass dort in der Gegend Friede einkehrt – weil das Land so viele Reichtümer hat, in erster Linie Bodenschätze. Erst kürzlich wurde wieder Öl entdeckt. Dazu kommen Edelsteine und Holz. Das Landproblem ist viel das grössere Problem als die Frage der Ethnien. Und wer darunter leidet, ist die Zivilbevölkerung.

Wer will denn die Flüchtlingslager schliessen?

Das kongolesische Innenministerium. Dies hat es 2015 bereits einmal angedroht. An sich ist es ja in Ordnung, dass die Menschen nicht länger unter jenen furchtbaren Bedingungen dort leben sollen. Wir waren ja praktisch die einzige Nichtregierungsorganisation, die überhaupt in diesen Lagern tätig war. Die Regierung hatte diese Lager längst abgeschrieben, und auch die Weltöffentlichkeit blickt weg. Nun geht es uns vor allem um eine menschenwürdige Rückkehr der Flüchtlinge.

Von 2009 bis 2011 waren Sie selbst vor Ort. Wie haben Sie die Situation erlebt?

Mir wurde bewusst, dass nicht einmal alle Menschen aus dem einfachen Volk den Frieden wollen. Aber es gibt diverse Zwischenstufen zwischen Krieg und Frieden … Dann war da für mich die sprachliche Barriere. Viele Kongolesen sprechen kein Französisch. Und diejenigen, die dies doch tun, haben selbst schon zu viele soziale Lasten, als dass sie sich noch im Rahmen von «Epiceries» um Flüchtlinge kümmern könnten. Die Gebildeteren, die eine gute Arbeit haben, stehen selbst unter einem enormen Druck, denn oft tragen sie die finanzielle Verantwortung für ihre ganze Familie.

Momentan ist wieder ein Westschweizer dort …

Ja, der 29-jährige Johann Jaquet aus La Chaux-de-Fonds. Er ist Psychologe und seit Ende Mai im Auftrag von «Epiceries» für neun Monate dort. Er hat sich auf Detraumatisierung spezialisiert. Ich bin über den Internetdienst Viber Messenger in täglichem Kontakt mit ihm.

Wie erlebt er die Lage?

Er ist schockiert über das Elend, hat aber auch Mühe mit der afrikanischen Langsamkeit. Dort geht nicht alles so schnell wie man möchte. Aber das muss jeder Europäer in jenem Kontinent zunächst einmal lernen.

Und in den Lagern selbst?

Die Lage scheint ziemlich desolat. Die Lager funktionieren eigentlich nur noch, weil Nichtregierungsorganisationen dort präsent sind. Und dass man dann so ein Lager noch von einem Tag auf den anderen Hals über Kopf räumen muss, das hält auch Jaquet schlicht für menschenrechtswidrig. Andererseits ist er aber auch sehr positiv überrascht, wie gut jene 76 Personen, die wir dort ausgebildet haben, arbeiten.

Wie funktioniert denn die Erziehung zum Frieden in diesem Fall konkret?

Eines der ersten Elemente ist das Unterscheiden von Informationen und Gerüchten. Das ist sehr wichtig. Denn Gerüchte verbreiten sich dort sehr schnell und können Hass und Gewalttätigkeit säen. Eine andere Form habe ich von den Indianern Nordamerikas gelernt: die Gesprächsrunde, in der man einen Talking Stick (Redestock) umhergibt. Wer den Stock hat, darf sprechen, und alle anderen hören zu. Die Menschen lernen so, dass jeder ein Anrecht auf das Wort und somit auf die eigene Meinung hat. Dies ist in so einer Gegend, die stark vom Stammesdenken und von hierarchischen Strukturen geprägt ist, ebenfalls ausserordentlich wichtig. Wer lernt, dass seine Meinung gehört und ernst genommen wird, entwickelt automatisch mehr Selbstvertrauen. Und für die Demokratisierung ist ein solcher Lernprozess ohnehin unumgänglich. Dies gilt namentlich für Frauen, Minderheiten und Menschen mit einer Behinderung.

Wie beurteilen Sie die Lage der Frauen in Ostkongo?

Sie haben es schwierig, da sie sehr viel körperlich arbeiten müssen. Sie haben aber auch erstaunlich viel Selbstvertrauen, vor allem im Unterschied zum islamisch geprägten Niger. Im Kongo haben auch mehr Frauen eine Schule besucht als im Niger. Leider wurde im Bürgerkrieg oft sexuelle Gewalt als Waffe eingesetzt.

Was hatte das für Folgen?

Vergewaltigungen als Kriegswaffe haben verheerende Folgen – und zwar für beide Seiten. Die Vergewaltigungen trafen zwar die Frauen im Fleisch, die Männer aber in der Seele. Erstaunlicherweise sind die Täter in diesen Fällen sehr oft genau so traumatisiert wie die Opfer. Viele wurden auch zu diesen Taten gezwungen und sind somit genauso Täter wie Opfer. Oder sie mussten zusehen, wie ihre Ehefrauen, Schwestern oder Mütter vergewaltigt wurden. Man stelle sich das einmal vor … Viele Männer reagierten mit Alkoholsucht auf ein solches Trauma. Oder sie wurden selber wieder zu notorischen Vergewaltigern.

Ihre Organisation ist ja in Freiburg beheimatet. Wie machen Sie ihr Anliegen hier bekannt?

Wir beteiligen uns zum Beispiel jedes Jahr am weltweiten Tag der fairen Arbeit am 7. Oktober – mit diversen weiteren Organisationen zusammen. Auch hier arbeiten wir mit indianischen Gesprächsrunden, aber sehr oft auch mit Theatervorführungen zum Thema. Auch für Flüchtlinge in der Schweiz wollen wir Redekreise anbieten. Denn auch hier geht es um ein besseres Zusammenleben zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen – wieder ganz im Sinne der Erklärung von Freiburg.

Zahlen und Fakten

Das Recht auf kulturelle Vielfalt

Die Freiburger Nichtregierungsorganisation «Epiceries» hat insgesamt 142 Mitarbeiter. In der Zentrale in Freiburg arbeiten sieben Personen. Hier laufen alle Fäden zusammen. Die Organisation beruft sich auf die von einer internationalen Arbeitsgruppe der Universität im Jahr 2007 ausgearbeiteten Erklärung von Freiburg, die das Recht auf kulturelle Vielfalt international verankern will.

jcg

 

Zur Geschichte

Ein Bürgerkrieg, der seit 23 Jahren schwelt

Der Bürgerkrieg in der Demokratischen Republik Kongo – dem ehemaligen Zaire – begann 1994 mit dem Ende der Diktatur von Mobutu Sese Seko und dem Völkermord in Ruanda. Der Rebellenchef Laurent-Désiré Kabila wurde 1997 neuer Präsident und benannte Zaire wieder in Kongo um. Die einst verbündeten Rebellen zerstritten sich aber rasch, und 1998 versuchten Rebellenorganisationen, die von Ruanda gestützt wurden, erneut, das Land von Osten aus zu erobern. Eine Intervention von Angola und Simbabwe aufseiten Kabilas konnte den Sturz der Regierung aber abwenden. Es entwickelte sich ein jahrelanger Stellungskrieg, und das Land wurde schliesslich in mehrere Machtbereiche aufgespalten. Langwierige Verhandlungen beendeten 2003 den Krieg, es wurde eine Übergangsregierung gebildet. Kabilas Sohn Joseph Kabila gewann schliesslich 2006 die ersten freien Wahlen seit 1965. Ihm im Weg steht allerdings der fast vollständige Zerfall der Infrastruktur, Verwaltung und Wirtschaft des Landes – und insbesondere die Ausplünderung der äusserst rohstoffreichen Ostprovinzen durch Uganda, Ruanda und verschiedene lokale Machthaber. Die Zentralregierung in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa ist in diesen Gebieten fast völlig machtlos. Zehntausende sind auf der Flucht.

Vor zwei Wochen kündigte des kongolesischen Innenministeriums an, nun 16 Flüchtlingslager im Osten des Landes zu schliessen, was unter diesen Flüchtlingen erneut für Panik sorgt. Besonders bedroht sind Frauen, Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen, wie «Epiceries» mitteilt.

jcg

 

 

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