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Nur ein Flamingo

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Der Rückzug aus dem Berufsleben ist oft verbunden mit (zum Teil) sicher ehrlich gemeinten Kommentaren wie: «So schade, jetzt schon, könntest du nicht noch?», gerade so, als ob man letztlich unersetzlich sei. Das schmeichelt und ist weiter auch nicht schlimm, solange man nicht selber daran glaubt. Aber ein klein wenig «Unersetzlichkeit» tut halt doch gut, und so finde ich mich wieder in einem Team, das mithilft, geflüchteten Menschen aus der Ukraine die notwendige medizinische Hilfe zu vermitteln. Unterstützt und begleitet von einer Dolmetscherin.

Und diese Begegnungen gehen nicht spurlos an uns vorüber. Wir sehen Tag für Tag Bilder von Zerstörung, verzweifelten Menschen inmitten von Trümmern, wo einst ihr Zuhause stand. Und plötzlich stehen diese Menschen uns gegenüber, erzählen erlebte Geschichten voller Angst und Schrecken, und einmal mehr wird uns bewusst, wie abscheulich und un-menschlich das von uns Menschen geschaffene Monster Krieg ist. Und immer sind Menschen auf der Flucht, der Horror wiederholt sich immer wieder, nur die Namen ändern sich. Heute heissen sie Svitlana, Liudmyla, Natalija oder Yulija.

Da ist die alleinstehende Mutter mit ihrer neunjährigen Tochter. Sie, die Mutter, war über drei Wochen im berüchtigten Stahlwerk von Mariupol eingeschlossen. Der Ort, wo sie Zuflucht suchte, wurde zum unentrinnbaren Gefängnis. Sie war zusammengepfercht mit Nachbarn, Freunden und Fremden, Männer, Frauen, Kinder und Soldaten. Soldaten, die immer wieder «hinaus» mussten, oft schwer verletzt oder erst gar nicht mehr zurückkamen. Sie erlebte dort alle Facetten der Menschlichkeit und der Unmenschlichkeit: Geburt und Tod, Hilfe und Niedertracht, Liebe und Hass.

Endlich, nach vielen falschen Gerüchten und zerstörter Hoffnung, wurden sie erlöst und konnten evakuiert werden, kurz bevor auch die Soldaten gezwungen waren, das letztlich aussichtslose und sinnlos gewordene Kämpfen aufzugeben.

Sie reiste in den Westen, zu ihrer Tochter, die seit Kriegsbeginn bei den Grosseltern in Sicherheit lebte. Die Tochter selbst kannte den Krieg nur vom «Hörensagen», von den verstörenden Bildern im Fernseher, von den Tränen der Grossmutter. Und sie vermisste ihre Mutter, vor allem abends vor dem Einschlafen rief sie nach ihr, ihrer Ma-Ma, und betete zu allen Schutzengeln, sie zu beschützen. Ihr Gebet wurde nach langer Angst und vielen leisen Tränen endlich erhört. Von nun an ging die Reise zusammen mit der Mutter weiter, bis zu uns, in das für sie unendlich fremde Land, die Schweiz, und nun stehen sie vor mir.

Während die Mutter die vielfältigen und offensichtlich notwendigen Fragen und Formulare zu bewältigen versuchte, setzte sich die Tochter an ein Tischchen und malte mit grossem Eifer und hoch konzentriert einen rosa Flamingo. Ihr gegenüber war eine Impfkoje für Kinder aufgebaut, an der Wand hing überlebensgross ebenfalls ein Flamingo, und an der Decke hingen dreieckige Fähnchen mit rosa Flamingos. Natalija, so war ihr Name, blickte immer wieder hinüber, wagte es aber nicht hinüberzugehen.

Ich bot ihr meine Hand, die sie vertrauensvoll nahm, und wir gingen gemeinsam in diese «Flamingobox». Da stand sie nun, mit leuchtenden Augen, vor dem grossen, farbigen Flamingo, berührte ihn und zeichnete mit einem Finger seine Konturen nach. Und als sie dann auch noch auf die Fähnchen an der Decke zeigte, wusste ich, was zu tun war: Ich stieg auf einen Stuhl und holte von der Decke eines dieser bunten Flamingo-Fähnchen. Als ich es ihr geben wollte, zögerte sie, lief zu ihrer Mutter und kam mit ihrem Bild zurück. Sie streckte es mir entgegen, wir tauschten unsere Fähnchen und reichten uns die Hand.

Die Mutter klärte auf: Letzten Sommer war Natalija mit ihrer Schulklasse zu einem Fussball-Länderspiel eingeladen. Da sah sie, wie zu Beginn die Spielführer aufeinander zugingen, die Fähnchen ihres jeweiligen Landes austauschten, sich die Hände reichten, um erst danach in fairem Wettkampf und gegenseitigem Respekt einen Sieg zu erringen, in dem es nur Sieger, aber keine Verlierer gab.

Ein Flamingo als Friedenszeichen.
zvg

Diese Szene hatte ihr so bleibenden Eindruck gemacht, dass sie das jetzt auch mit mir machen wollte: In gegenseitigem Respekt sich die Hände reichen und Symbole austauschen. Das gelingt auch mit rosa Flamingos.
Vielleicht ist das ihre Vorstellung von Frieden: gegenseitiger Respekt und fairer Wettkampf über alle Grenzen hinweg und abends eine Gutenachtgeschichte von Ma-Ma. Aber was verstehen Kinder schon davon? Und doch, steht da nicht geschrieben: «Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder…»(Mt 18,3)?

«Spasiba (danke auf Russisch) Natalija», sagte ich zu ihr sichtlich gerührt. «Spasibi (danke auf Ukrainisch) Doktor», antwortete sie. Worte, so nah und nun unendlich fern.

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