Ein Zehnkampf fordert von den Athletinnen und Athleten Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer. Der Solar Decathlon ist ein Zehnkampf mit etwas anderen Ansprüchen. Gefragt sind hier Erfindungsreichtum, die praktische Umsetzung und Teamgeist. Der Wettbewerb für nachhaltiges Bauen, den das US-amerikanische Departement für Energie im Jahr 2002 ins Leben gerufen hat, richtet sich an Studentinnen und Studenten aus aller Welt. Für die achte Austragung, die im Jahr 2017 stattfinden wird, hat sich ein Westschweizer Team qualifiziert. Es besteht aus Studentinnen und Studenten der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg, der Universität Freiburg, der ETH Lausanne und der Hochschule für Kunst und Design Genf.
Im Smart Living Lab, dem Labor für intelligentes Wohnen in der Blue Factory in Freiburg, werden die Studierenden in den kommenden 18 Monaten tüfteln und bauen. Dort fiel gestern auch der Startschuss für das Projekt.
Herausforderung wohnen
Die Schulen unterstützen das Projekt zwar in vielerlei Hinsicht, organisieren und durchführen sollen es aber die Studierenden selbst. Sie gründeten deshalb den Verein Solar, von dem gestern einige Vertreterinnen und Vertreter anwesend waren. «Das Projekt gibt uns die Möglichkeit, praktische Erfahrungen zu sammeln und nicht nur Theorien zu büffeln», sagte eine Studentin. Es sei einmalig, andere Disziplinen und andere Schulen kennenzulernen. Ein Kollege fügte an: «Es ist ein konkretes Projekt, und gleichzeitig sind wir sehr frei–das gefällt uns allen.»
«Ihr werdet gewinnen», rief der Freiburger Volkswirtschaftsdirektor Beat Vonlanthen (CVP) den jungen Wissenschaftlern zu. Es sei schon ein Sieg, die Nomination für den Wettbewerb geschafft zu haben. Vonlanthen wies darauf hin, dass das Bevölkerungswachstum und das Wohnen eine der grössten Herausforderungen der Zukunft darstellten. Dies auch für das Klima: Die 1,6 Millionen Gebäude, die es in der Schweiz gibt, verbrauchen gemäss Vonlanthen 49 Prozent aller im Land verwendeten fossilen Energien und 37 Prozent des Stroms. «Es braucht deshalb ökologische Gebäude.»
Auch Jean-Nicolas Aebischer, Direktor der Hochschule für Technik und Architektur, zeigte sich begeistert vom Projekt. Der Solar Decathlon erlaube es, die Innovationskraft in den Energie- und Bausektoren zu verstärken. Die vier Schulen würden sich perfekt ergänzen. Auch sei es ein gutes Projekt für das Smart Living Lab: Dort werden die ETH Lausanne und die Freiburger Hochschule langfristig zusammenarbeiten. «Mit einem gemeinsamen Projekt zu beginnen ist ideal.»
«Es ist ein tolles Projekt, weil es so interdisziplinär ist», lobte Marilyn Andersen, Dekanin an der ETH Lausanne. Physiker, Techniker, Umweltwissenschaftler, Designer und Ingenieure verschiedener Bereiche könnten ihren Beitrag leisten.
Teures Projekt
Die Studentinnen und Studenten werden den Prototypen eines Hauses bauen und diesen nächstes Jahr nach Amerika fliegen (siehe Kasten)–eine kostspielige Angelegenheit. Das Budget beläuft sich auf 4,2 Millionen Franken. Verschiedene Partner unterstützen das Projekt, so etwa das Freiburger Energieunternehmen Groupe E, das sich mit einer Million Franken beteiligt. Generaldirektor Dominique Gachoud begründete bei der gestrigen Präsentation: «Es braucht künftig zwar erneuerbare Energien, aber genau so braucht es Energieeffizienz.» Groupe E wolle beides fördern. «Denn wir glauben an die Energiewende.»
Wettbewerb: Zehn Kriterien, vier Einschränkungen
B ei Solar Decathlon gilt es, eine Wohnung für vier Personen zu bauen, die nur mit Sonnenergie betrieben wird und so viel Energie produziert, wie sie selbst verbraucht. Bewertet werden Aspekte aus Architektur, Technik, Wohnkomfort, Energie, Öffentlichkeitsarbeit und Marktfähigkeit. Die Solarwohnung soll bezahlbar, attraktiv und komfortabel sein. Für den Wettbewerb sind 16 Teams nominiert. 14 stammen aus Amerika, neben dem Westschweizer Team ist noch ein schwedisches dabei.
«Wir richten uns nach den Herausforderungen für die Schweiz», sagte gestern eine Studentin der ETH Lausanne. Verdichtetes Bauen sei wesentlich, genauso wie den Energie- und CO 2 -Verbrauch zu senken. Nur das Gebäude anzuschauen genüge nicht. «Auch Mobilität oder das Einkaufen sind wichtig.» Deshalb will das Team einen «Activateur» entwerfen, der das ganze Quartier bewegt, ökologischer zu werden, zum Beispiel mit lokalen Einkaufsmöglichkeiten oder Velostationen.
Im Sommer will das Team in einem Workshop mit dem Bau des Prototyps beginnen. Anschliessend braucht es Tests und Anpassungen. Im Sommer 2017 soll das Haus bereit sein, nach Amerika zu fliegen, wo im Herbst der Wettbewerb stattfindet. Rund 100 Studenten werden sich in Kursen sowie Semester-, Bachelor- und Masterarbeiten am Projekt beteiligen. mir