wort zum sonntag
Palmenväter
Autor: Urs Zimmermann
Der Brauch drohte auszusterben. Nur noch zwei oder drei Familien banden auf Palmsonntag hin eine prächtige Palme. Seit mehreren Jahren fiel der Einzug in den Palmsonntagsgottesdienst bescheiden aus.
«Wir ändern das», sagten sich die Herren H. und R., und gemeinsam mit ihren Frauen organisierten sie ein Palmenbinden für alle. Das Angebot wurde gut aufgenommen. Rund vierzig Familien fanden sich am Samstag vor Palmsonntag beim Pfarreizentrum ein und arbeiteten an ihrer Palme. H. und R. wiesen an und standen als Handwerker mit Rat und Tat, mit Säge, Bohrer und Draht hilfreich zur Seite.
Seither ist der Palmsonntag ein Fest und bleibt in den Gärten und auf den Balkonen vieler Familien bis in den Sommer hinein sichtbar. Überall kann man Palmen entdecken, und die Herren H. und R. sind im Dorf als Palmenväter bekannt.
Brauchtum an Kirchenfesten ist das eine, die Theologie dieser Tage das andere.
Der Palmsonntag erinnert an Jesu Einzug in Jerusalem. Der Messias reitet auf einem Esel in die heilige Stadt. Er erfüllt die Worte des Propheten Sacharja, der den Friedenskönig genau so vorhergesagt hat. Palmsonntag bedeutet Auftakt zu Passion und Ostern. Das «Hosanna» des Volkes wird bald in «Kreuzige ihn» umschlagen, und drei Tage später wird man die Botschaft von der Auferstehung vernehmen.
Der Palmsonntag ist mehr als die Palmbäume aus Buchs und Thuja; er enthält Theologie und bietet Antworten auf Lebensfragen. Aber die Palmbäume halten den Palmsonntag weit über das Fest hinaus gegenwärtig und können den einen oder anderen an die Botschaft des Tages erinnern. Ausserdem sind sie vielfältig, bunt und beliebt und so gute «Werbeträger» für Christentum und Kirche.
Die Handwerker H. und R. haben mit ihrer Aktion mehr bewirkt als manch seitenlanges Papier über pastorale Strategien und Verkündigung. Palmenväter sind nötig, Absichtserklärungen und Theorien haben wir längst genug.
Urs Zimmermann ist Pfarrer in Bad Zurzach, priesterlicher Mitarbeiter im Pfarreienverband Zurzach-Studenland und betreut die Wallfahrt zur heiligen Verena.
