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Polizei oder Fahrer: Wer hat die Gefahr verursacht?

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«Wie weit darf die Polizei gehen, um sich zu verteidigen? Und wie weit darf sie gehen, um Delinquenten anzuhalten?» Dies sei die grosse Frage dieses Prozesses, sagte Staatsanwalt Jean-Luc Mooser gestern vor dem Bezirksgericht Broye, das in Freiburg tagte. Dabei ging es um die Nacht auf den 18. April 2010, als ein Waadtländer Polizist im Autobahntunnel Sévaz auf ein gestohlenes Auto schoss und den Beifahrer tödlich verletzte (FN vom Dienstag).

Der Staatsanwalt plädierte dafür, dass der Polizist von allen Anklagepunkten freigesprochen werde: Die beiden Beamten, die im Tunnel eine Strassensperre aufgebaut hätten, seien korrekt vorgegangen. Dann aber sei das gestohlene Auto mit einer Geschwindigkeit von rund 140 Stundenkilometern in den Tunnel gerast–und auf die Polizisten zu. Der Polizist habe nicht gewusst, dass ein Beifahrer im Auto sass; «er wollte nur das Auto anhalten und schoss auf den Kühlergrill». Dass der erste Schuss den Beifahrer getroffen habe, sei damit zu erklären, dass sich das Auto auf den Schützen zu bewegt habe. Der Polizist habe sich und seinen Kollegen verteidigt; in keinem Fall handle es sich um eine Tötung oder gar um eine Tötung mit Eventualvorsatz.

«In Lebensgefahr»

Der Fahrer des Autos hingegen sei ein «Krimineller aus der Banlieue Frankreichs». Mooser fragte: «Hätte er ihn vorbeifahren lassen sollen?» Der Fahrer sei viel zu schnell unterwegs gewesen und so nahe an den Polizisten vorbeigefahren, dass diese sich in «unmittelbarer Lebensgefahr» befunden hätten. Er forderte eine unbedingte Haftstrafe von 18 Monaten für den Fahrer wegen Gefährdung des Lebens.

Jacques Michod, der Anwalt des Polizisten, argumentierte ähnlich. «Was in dieser Nacht passiert ist, war eine unglückliche Verkettung von Umständen», sagte er. «Mein Mandant hatte nie die Absicht, auf jemanden zu schiessen.» Das zeige sich auch daran, dass er immer wieder «Was habe ich getan?» gerufen habe, nachdem er den Verletzten entdeckt hatte. Im Tunnel sei der Stress riesig gewesen: «Das Auto kam so schnell daher, dass es beim Tunneleingang nur 4,5 Sekunden von der Sperre entfernt war; mein Mandant schoss erst, als das Auto noch 1,5 Sekunden von ihm entfernt war.» Die Schussabgabe sei ein Verteidigungsreflex gewesen. «Dieser Fall ist wie ein Beispiel aus dem Lehrbuch für eine Notwehr.»

Luc Pittet, Anwalt des zweiten Polizisten, beschrieb den Fahrer als jemanden, «der bereit zu allem war, um der Polizei zu entkommen». Er habe Leben gefährdet–das seines Beifahrers, das der anderen Verkehrsteilnehmer, das der Polizisten. «Es war sein quasi selbstmörderisches Verhalten, mit dem er in die Polizeisperre raste, das diese tragischen Ereignisse ausgelöst hat.»

Der Anwalt der Familie des Opfers, Richard Calame, hatte eine ganz andere Optik auf die Ereignisse: «Um Notwehr anzuerkennen, muss eine unmittelbare Gefahr bestanden haben–und das war hier nicht der Fall.» Das Auto sei nicht auf die Polizisten zugefahren, sondern habe auf die andere Spur gewechselt. «Sie mussten nicht zur Seite springen; sie waren nicht in Gefahr.»

«Die Grenze aufzeigen»

Zudem hätten die Polizeibeamten damit rechnen müssen, dass ein Auto eine Sperre durchbrechen könne. «Eine Schusswaffe ist aber nicht das richtige Mittel, um ein Auto aufzuhalten.» Er betrachtet den ersten Schuss–welcher den Beifahrer traf–als Tötung mit Eventualvorsatz. «Eine Schusswaffe ist tödlich, und bei einem Schuss auf ein fahrendes Auto musste der Polizist damit rechnen, dass er jemanden treffen kann.» Er forderte, der Polizist sei wegen vorsätzlicher Tötung zu verurteilen; das Strafmass überlasse er dem Gericht. «Mir ist wichtig, dass man die Grenze aufzeigt, bis wo ein Polizist gehen kann.» Auf vorsätzliche Tötung steht eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren.

Laut Aurélie Planas, der Anwältin des Fahrers, werde das Verfahren nicht objektiv geführt. «Seit Beginn wird mein Mandant als ein gefährlicher Krimineller dargestellt, der er nicht ist.» Sie schliesst sich der Meinung von Calame an, dass sich der Polizist nicht auf Notwehr berufen kann. Ihr Mandant habe keine Gewalt angewandt und niemanden angegriffen. «Er war keine Bedrohung.» Darum solle das Gericht die Anklage wegen Gefährdung des Lebens und Gewalt gegen Beamte fallen lassen. Der Polizist hingegen sei wegen Gefährdung des Lebens zu verurteilen; dafür ist eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vorgesehen.

Das Gericht gibt sein Urteil nächsten Dienstag bekannt.

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