Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Reisegewohnheiten und Reisemöglichkeiten

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Im Mai erschienen Resultate einer Umfrage, die unter dem Titel «Vernetzte Schweiz» auf ebenso zahlreiche wie unterschiedliche Fragen zur Benutzung von Kommunikationsmitteln, Heimat, Mobilität, kantons- und sprachgruppenübergreifende Liebesbeziehungen oder die Bedeutung des Vereinslebens einging. Für den Auftraggeber Swisscom stand wohl das Kommunikationsverhalten im Zentrum; in den Schlagzeilen der deutschsprachigen Presse dominierte von den Resultaten jedoch einer der erhobenen Extremwerte: Ein Viertel der St. Galler und Bündner war demnach noch nie in der Romandie – und die Zeitungen von dort fokussierten auf den entsprechenden Extremwert, wonach 20 Prozent der Genfer noch nie die Deutschschweiz besucht haben. Dies bei durchschnittlich 14 Prozent Deutschschweizer und 15 Prozent Romands, die noch nie in der anderen Sprachregion waren, sowie Romands, welche deutlich häufiger in der Deutschschweiz sind als umgekehrt.

 

 Nachdem sich die kurzlebige, aber bei nächster Gelegenheit sicher wiederkehrende Aufregung etwas gelegt hat und sich die Online-Reflexe («Was soll ich in dieser komischen Gegend mit dieser komischen Sprache?») bei anderen Themen entladen, sind ein paar Fragen zur Umfrage und den Reaktionen darauf angebracht. Etwa die Frage nach Bedeutung und Tragweite dieser Zahlen. So kann schon mal festgehalten werden, dass immerhin 75 beziehungsweise 80 Prozent der Bewohner dieser am weitesten voneinander entfernten Kantone eben doch schon mal die Sprachgrenze überquert und eventuell die Olma, die Rekrutenschule, das Château de Chillon oder etwa den Autosalon in Genf besucht haben.

 

Dazu kommt, dass es sich um eine Momentaufnahme handelt und die Resultate keinen Bezug zu früheren Reisegewohnheiten ermöglichen. Anders gefragt: War der Anteil der St. Galler, die jemals die Romandie betraten, früher grösser, kleiner oder hat sich grundsätzlich nichts geändert? Wir wissen nicht, ob diese Zahlen in einem Trend zu «immer weniger» oder «immer mehr» zu verstehen sind – auch wenn viele der besorgten redaktionellen Kommentare implizit davon ausgingen, dass hier ein Zeichen einer Verschlechterung vorliegt. Falls dieser Anteil früher signifikant grösser war: Könnte die Abnahme nun eine Folge oder gar eine Ursache der zunehmenden Skepsis gegen den Französischunterricht in der Ostschweiz sein? Wir wissen die Antwort auf beide Fragen nicht und die Möglichkeiten, dies in Erfahrung zu bringen, erscheinen etwas sehr aufwendig. Noch weniger wissen wir von den Gründen für das Reiseverhalten.

 

 Wir wissen aber, dass die Möglichkeiten, beispielsweise von St. Gallen nach Genf zu reisen, sich in den letzten fünfzig Jahren enorm verbessert haben, um einiges schneller wurden und im Verhältnis zur Kaufkraft auch billiger sind. Für die damals noch weniger verbreiteten Autos führte der Weg in die Romandie noch lange nicht über eine durchgehend ausgebaute A1 oder A12. Weite Strecken waren auf Landstrassen mit vielen Ortsdurchfahrten zu bewältigen und enthielten einige garantierte Staus, etwa in Zürich oder über den Mutschellen. Für Bahnfahrer, die von Altstätten SG ans Ende des Genfersees wollten, konnte dieses Vorhaben lange vor dem Taktfahrplan ein tagesfüllendes Programm darstellen. Heute sind wir in weniger als fünf Stunden dort.

 

Die Reisemöglichkeiten wären heute also häufiger und schneller. Ob aber der Aufforderung «Chum Bueb, lueg dis Ländli a» für die jeweils anderen Sprachregionen heute seltener nachgekommen wird als damals, als dieser Titel noch täglich auf Radio Beromünster lief, muss bis auf weiteres offengelassen werden.

 

 Daneben wären einige weitere Fragen offen zum Forschungsdesign und zur Auswertung dieser nach Angaben der Forschungsstelle Sotomo soziodemografisch gewichteten – und somit als repräsentativ geltenden–Online-Umfrage bei rund 14000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Hier nur eine Frage in Unkenntnis des Fragebogens: Falls ein Deutschfreiburger vom Schönberg nach Marly fährt, hat er dann die Sprachgrenze überschritten, ist er im gleichen Sprachgebiet geblieben, darf er das selbst einschätzen oder fällt er aus der Untersuchung, weil solche Fälle nicht vorgesehen sind?

 

 Boris Bollerist im Thurgau geboren, besuchte die Schulen in Bern und lebt heute in Freiburg. Er studierte und arbeitete an deutsch- und französischsprachigen Abteilungen der Universität und überquert zurzeit praktisch täglich die Sprachgrenze, um zur Arbeit zu fahren. Boris Boller ist Mitglied einer FN-Autoren-Gruppe, die im Monatsrhythmus frei gewählte Themen zur Zweisprachigkeit bearbeitet.

Meistgelesen

Mehr zum Thema