Staatsrätin Marie Garnier (Grüne) hat die ungewöhnlichen Umstände ihrer Wahl zur Staatsratspräsidentin nur schwer verdaut. Was eigentlich eine reine Formalität sein sollte, wurde zum Drama in zwei Akten: Garnier verfehlte im ersten Wahlgang das absolute Mehr und erhielt im zweiten Durchgang nur 53 von 93 gültigen Stimmen (FN von gestern).
Nun hat Garnier verschiedene Personen befragt, um herauszufinden, wie es zu diesem Affront gegen sie gekommen ist. Der Plan, ihre Wahl als Staatsratspräsidentin zu sabotieren, sei am 8. November geboren, dem Tag der Stichwahl in den Ständerat, sagte sie gestern gegenüber den FN. Gemäss Garnier hat der Präsident der Freiburger CVP dort die SVP aufgefordert, ihre Wahl an die Spitze der Regierung anzugreifen. Da die SVP darauf nicht reagierte, habe die CVP nun die FDP aufgefordert, zu handeln. Die FDP sei dann mit der Idee gekommen, die Stimmen der SP-Staatsrätin Anne-Claude Demierre zu geben, die prompt 42 Stimmen erhielt. Staatsrätin Garnier beruft sich bei diesem Szenario auf fünf Personen aus dem bürgerlichen Lager.
CVP-Präsident André Schoenenweid dementiert auf Anfrage der FN diesen Ablauf: «Ich habe an keinerlei Komplott gegen Marie Garnier teilgenommen.» Weder habe Schoenenweid im Umfeld der Ständeratswahl entsprechende Schritte unternommen, noch sei die Opposition gegen Garniers Wahl bei einem Treffen der bürgerlichen Präsidenten am Mittwoch um 7 Uhr ein Thema gewesen. Dort sei es einzig um die Vereinbarung für eine gemeinsame Liste von CVP, FDP und SVP für die Staatsratswahlen gegangen.
Schoenenweid sagt, dass er als Stimmenzähler bei einer Sitzung des Grossratsbüros eine Frage über den Ablauf der protokollarischen Wahlen gestellt habe. Dass Garnier aus den Reihen der CVP nicht die ungeteilte Unterstützung erhalten würde, war Schoenenweid klar. «Einige Mitglieder der Fraktion sagten, sie würden für Demierre stimmen.» Keinesfalls hätten diese das auf Anstiftung der FDP getan, so Schoenenweid: «Wir gaben die Stimmfreigabe heraus. Schliesslich ist wohl Marie Garnier dank den Stimmen der CVP-Staatsräte doch noch gewählt worden.»
FDP-Präsident Didier Castella konnte gestern für eine Stellungnahme nicht mehr erreicht werden.