Der suchtkranke Mittdreissiger war mehrmals vorbestraft. Grund für den Landesverweis, den das Kantonsgericht kürzlich bestätigt hat, war aber eine Lüge.
Es war ein komplizierter Fall, über den das Kantonsgericht kürzlich zu urteilen hatte. Und der Entscheid ist hart: Ein tunesischer Staatsangehöriger, der seit zwölf Jahren in der Schweiz lebt und zwei Kinder mit einer Schweizerin hat, soll des Landes verwiesen werden.
In der Schweiz sind die Hürden für einen Landesverweis hoch. Und obwohl das Kantonsgericht die Argumente gegen einen Landesverweis geprüft und abgewogen hatte, bestätigte es den Entscheid des kantonalen Amts für Bevölkerung und Migration (BMA) in allen Punkten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann vor Bundesgericht angefochten werden.
Weshalb hat das Kantonsgericht so entschieden?
Die kurze Antwort auf diese Frage ist: Der tunesische Staatsbürger war ein renitenter Wiederholungstäter, der sich nicht integriert und sein Verhalten trotz mehrerer Verwarnungen nicht verbessert hatte. Und der im entscheidenden Moment zu einer Lüge griff.
Für die ausführliche Antwort muss man ein bisschen ausholen.
Trotz Verwarnungen keine Besserung
Der Mann, heute Mitte dreissig, war 2011 in die Schweiz eingereist. Zwei Jahre zuvor hatte er übers Internet eine Schweizerin kennengelernt, die er einen Monat nach seiner Einreise heiratete. Aus dieser Ehe stammen zwei gemeinsame Kinder.
Doch bereits fünf Jahre später verweigerte das BMA den Antrag des Mannes auf eine Niederlassungsbewilligung. Das Amt begründete den Entscheid einerseits mit dem Verhalten des Mannes. Und andererseits mit seinen Verurteilungen.
Bereits 2014 hatte der Mann angegeben, alkoholkrank zu sein. In der Zeit bis zum Entscheid des BMA, zwei Jahre, wurde er später mehr oder weniger in diesem Zusammenhang dreimal verurteilt: wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss, Fahrens ohne Führerschein und Beleidigung und Gewalt oder Drohung gegen Behörden und Beamte. In zwei Fällen musste er Geldstrafen bezahlen.
Trotzdem verlängerte das BMA die Aufenthaltsbewilligung des Mannes um ein Jahr – und sprach gleichzeitig eine formelle Verwarnung aus. Er müsse sein Fehlverhalten beenden und Arbeit finden. Denn der Mann hatte zwar als Landschaftsgärtner, Auftragsfertiger, Maurer oder Lagerarbeiter für verschiedene Unternehmen gearbeitet, gemäss dem Kantonsgericht aber «überwiegend vorübergehend und unregelmässig». Dazwischen habe es längere Zeitspannen gegeben, in denen der Mann arbeitslos gewesen sei.
Im Herbst 2019 wiederholte sich die Geschichte: Das BMA verwarnte den Mann ein weiteres Mal wegen Fehlverhaltens und weiterer, in der Zwischenzeit erfolgter Verurteilungen – und erneuerte seine Aufenthaltsbewilligung dennoch.
Noch einmal zwei Jahre später – der Mann war zu diesem Zeitpunkt seit über zehn Jahren in der Schweiz – stellte er einen Antrag auf eine Niederlassungsbewilligung. Sie würde ihm bei der Stellensuche helfen, so der Tunesier.
Im Rahmen dieses Antrags habe der Mann, wie auch seine Ehefrau, eine Erklärung über die eheliche Gemeinschaft ausfüllen müssen. Darin hätten die Eheleute angegeben, nicht getrennt zu sein und auch keine Trennung in Betracht zu ziehen. Das erwies sich im Nachhinein als eine Lüge – und wurde dem Mann zum Verhängnis.
«Behörde in einem entscheidenden Punkt getäuscht»
Nur wenige Monate später wurde das BMA vom Einwohnerregister darüber informiert, dass der Tunesier und seine Ehefrau sich getrennt hätten und separat lebten. Die Eheleute verstrickten sich im Nachzug in Widersprüche über ihre Beziehung und Wohnsituation. Das BMA erachtete die Aussagen der Frau als glaubwürdiger, zumal sie gestanden hatte, sie habe das Formular nur unterzeichnet, damit er «ein Dokument hat, um bei den Kindern zu bleiben».
Im Frühling 2023 hat das BMA den Tunesier schliesslich darüber informiert, dass ihm seine Aufenthaltsbewilligung entzogen und er des Landes verwiesen werden solle. Er focht den Entscheid mit der Begründung an, die Massnahmen seien zu streng. Zudem werde seine Situation als zweifacher Familienvater nicht berücksichtigt. Und: Er setze alles daran, seine finanzielle und berufliche Situation zu verbessern.
Für diese Einsicht sei es zu spät, entschied das BMA. Und das Kantonsgericht gab ihm mit Urteil vom 12. Juni 2024 recht.
Gemäss Ausländer- und Integrationsgesetz kann eine Niederlassungsbewilligung entzogen werden, wenn ein Ausländer «im Bewilligungsverfahren falsche Angaben macht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hat». Das sei geschehen, so das Kantonsgericht, als der Mann «wissentlich verschwiegen oder aktiv verheimlicht hat, dass die eheliche Verbindung zum Scheitern verurteilt war».
Er habe nicht nur ein laufendes Scheidungsverfahren verheimlicht, sondern auch die superprovisorischen Massnahmen, die fast einen Monat vor seiner Anhörung gefällt worden waren. Diese sahen vor, dass die Frau das alleinige Sorgerecht erhalten soll und für den Mann bis auf Weiteres ein Annäherungsverbot ausgesprochen werde. Die Frau hatte wegen häuslicher Gewalt mehrmals die Polizei gerufen. «Somit», schreibt das Kantonsgericht, «hat der Beschwerdeführer die Behörde in einem entscheidenden Punkt getäuscht».
Da dieser Punkt für einen Landesverweis ausreiche, geht das Kantonsgericht nicht einmal auf die insgesamt elf Verurteilungen in weniger als neun Jahren ein – kommt aber trotzdem zum Schluss, dass auch diese Ansammlung von Verurteilungen darauf schliessen lassen, dass sich der Mann nicht integrieren wollte und konnte.
Und doch kam das Kantonsgericht ins Grübeln.
Der Entscheid des BMA sei verhältnismässig
Wie aus dem Urteil hervorgeht, hat es sich auch eingehend mit der Situation des Mannes als Familienvater und mit seiner Aufenthaltsdauer in der Schweiz auseinandergesetzt.
Beide Punkte seien wichtige Kriterien. Doch der Mann erfülle keines der beiden.
Weder habe er grosse Integrationsbemühungen gezeigt, noch sei ein Landesverweis und eine Rückführung nach Tunesien mit seinen Vaterschaftspflichten unvereinbar. Zumal die Mutter im Zuge der Scheidung das alleinige Sorgerecht erhalten habe. Der Mann habe sein erweitertes Besuchsrecht nicht oder nur selten ausgeschöpft.
Ein Landesverweis sei vor allem zulässig, da der Mann erst im Alter von 23 Jahren in die Schweiz gekommen sei. Er kenne die Sprache und Gepflogenheiten Tunesiens demnach, vor allem, weil er seine Familie oft besucht hatte. «Obwohl sein Weggang für seine Kinder sicherlich eine Schwierigkeit darstellen wird», schliesst das Kantonsgericht, sei dieser Umstand vom BMA gebührend berücksichtigt worden. Das Amt habe demnach nicht unverhältnismässig geurteilt.
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