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Rückwärtslaufen ist erlaubt

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

«Der will dich verballhornen», dachte ich, als ich vor Weihnachten von meinem Gegenüber hörte, dass ab dem 1. Januar Rückwärtsfahren verboten sei. Das war keine Veräppelung, sondern todernst. Aber möglicherweise gibt es Schlimmeres. Wenigstens darf ich zum Parkieren noch ungestraft den Rückwärtsgang einlegen, und solange Vorwärtsfahren erlaubt ist, geht’s ja noch. Und immerhin ist ja Rückwärtslaufen noch erlaubt.

Ich weiss nicht, wer diesen Humbug mit dem Rückwärtsfahren erfunden hat. Aber es passt prima zum heutigen Zeitgeist. Allein im vergangenen Jahr wuchs die «amtliche Sammlung des Bundesrechts» um weitere 5924 Seiten an. Das sind umgerechnet 12 Bücher à 250 Seiten, recto-verso. Hier nicht eingerechnet sind die Gesetze, Erlasse, Verordnungen und Reglemente der Kantone und Gemeinden, welche in Sachen Reglementitis dem Bund in nichts nachstehen. Wahrscheinlich gibt es keinen einzigen normalen Menschen, der in diesem Dschungel auch nur ansatzweise noch den Überblick hat. Obwohl erst Mittags, habe ich bestimmt heute bereits Dinge getan, die nicht gesetzes- und regelkonform sind. Kein Wunder, hat sich in Helvetia die Zahl der Anwälte seit 1990 mehr als verdoppelt.

Aber was steckt hinter diesem Wahnsinn? Offenbar ist es das Bedürfnis nach Ordnung und Sicherheit. Ob das gut oder schlecht ist, hängt wohl vom Weltbild ab. Wer die Welt als Zufluchtsstätte für ruhebedürftige, verantwortungs- und risikoscheue Stinos hält, für den ist jedes neue Reglement wie ein Segen vom lieben Gott höchstpersönlich.

Wer die Welt als dynamischen Prozess empfindet, als Einladung, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen, als Aufforderung, sich als freier Mensch zu entwickeln und vielleicht auch das Risiko einzugehen, zu scheitern, für den ist nur schon der Gedanke an Reglemente ein Gräuel. Die Frage lautet also: Sicherheit oder Freiheit. Mit Sicherheit gibt es mit Sicherheit weniger Freiheit. Das ist der Preis.

Natürlich braucht eine Gemeinschaft gewisse Regeln – weil die eigene Freiheit dort aufhört, wo diejenige des andern beginnt, und weil die Krone der Schöpfung halt geistig noch zu schmalspurig ist, um ohne Regeln anständig zu sein. Nur sollten diese Regeln nicht nur an maximalen Schutzbedürfnissen gemessen werden, sondern auch daran, ob sie Freiheit für produktive Spielräume ermöglichen. Denn ohne diese Freiheit geht all das, was wir für die Zukunftsgestaltung brauchen – Dynamik, Risikofreude, Innovation, Elan, Pioniergeist – den Bach runter. Albert Einstein soll einmal gesagt haben: «Ohne Ordnung kann nichts bestehen, ohne Chaos kann nichts entstehen.»

Wer alles reglementieren will, wer nur darauf bedacht ist, alles richtig zu machen, selbst wenn es das Falsche ist, wer keine Risiken mehr eingehen will und für den Sicherheit das Höchste aller Gefühle ist, der ist eigentlich schon tot, bevor er gestorben ist.

Dass es auch ohne Reglementitis geht, beweist das niedersächsische Dorf Bohmte. Täglich fuhren 12 500 Autos, davon 1000 Lastwagen, durch den Ort. Und was haben die Behörden getan? Den Schilderwald und alle Ampeln heruntergerissen haben sie. Durch das Programm Shared Space wurde das Bewusstsein der Verkehrsteilnehmer geschärft. Und was passierte? Seit 2008 gibt es dort keine nennenswerten Unfälle mehr. Weil die Verkehrsteilnehmer jetzt auf die Strasse schauen, statt Verkehrszeichen anzustarren.

Beat Brülhartwohnt in Düdingen. Er ist Unternehmensberater und Trainer/-Coach für Führungskräfte sowie Referent am Schweizerischen Institut für Unternehmensschulung. Als Mitglied des Gewerbeverbandes Sense ist er in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet.

«Wer alles reglementieren will, der ist eigentlich schon tot, bevor er gestorben ist.»

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