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Schulen spiegeln die allgemeine Lage

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Petra Zimmermann ist leitende Kinderärztin am Freiburger Spital HFR und Infektiologin. Sie hat seit Ausbruch der Corona-Pandemie mehrere Arbeiten über Covid-19 bei Kindern publiziert – drei davon fanden international Beachtung. Zimmermann leitet zudem eine nationale Studie, in der alle Kinder erfasst werden, die an Schweizer Kinderspitälern wegen einer Sars-CoV-2-Infektion behandelt wurden.

Petra Zimmermann, in einer ersten Studie haben Sie Sars-CoV-2 mit früheren Coronaviren verglichen. Was fiel bei diesem Vergleich besonders auf?

Grundsätzlich gilt es zu sagen, dass Coronaviren nichts Neues sind. Es gibt viele verschiedene Coronaviren. Die meisten von ihnen lösen beim Menschen bloss eine normale Erkältung aus. Weil Sars-CoV-2 eine neues, vom Tier auf den Menschen übertragenes Virus ist, gegen das niemand vorher immun war, konnte es sich ganz schnell auf der ganzen Welt ausbreiten. Das gab es zuvor erst zweimal – bei Sars-CoV-1 und beim Mers-Virus.

Die beiden letzten haben jedoch zu keiner weltweiten Pandemie geführt. Warum?

Man konnte sie viel schneller eindämmen, weil sie weniger ansteckend waren. Dafür war die Sterblichkeit bei Sars-CoV-1 und Mers höher als beim aktuellen Coronavirus.

Was führt dazu, dass Covid-19 ansteckender ist als die früheren Varianten? Und was bewirkt, dass die in England erstmals neu entdeckte Mutation des aktuellen Coronavirus als ansteckender gilt?

Dazu kann man keine eindeutigen Aussagen machen, auch weil die Studienlage unklar ist und weil sich die Situation schnell ändern kann. Die Studien zur Ansteckung müssen immer im Lichte der Umstände, in welcher sie entstanden sind, interpretiert werden. Das heisst: Zu welchem Zeitpunkt der Pandemie wurden die Daten erhoben? Geschah dies während des Lockdown oder als noch alles offen war? Gleiches gilt für die Frage, wie ansteckend das Coronavirus für Kinder ist. Teilweise wurden die Studien während der Schulschliessungen durchgeführt. Daraus erfolgt eine grosse Unsicherheit bezüglich der bestehenden Daten. Grundsätzlich kann man sagen, dass das Ansteckungsrisiko in erster Linie von der Beschaffenheit des Virus selber abhängt. Es gibt Viren, die sich besser an Zellen anheften können als andere. Dann kommt es darauf an, wie rasch sich die Viren vermehren, was die Virenlast beeinflusst, so dass beim Husten oder Niesen entsprechend mehr Viren in die Umwelt abgesondert werden.

Spielt die persönliche Immunabwehr der Menschen keine Rolle bei der Vermehrung des Virus?

Doch. Bei jemandem, der über eine schlechte Immunabwehr verfügt, kann sich das Virus schneller vermehren als bei jemandem mit einer guten Immunabwehr. Es ist ein komplexes Zusammenspiel zwischen der Konstitution des Menschen und der Virusvariante.

Weiss man heute mit Sicherheit, dass das mutierte Virus ansteckender ist?

Nicht definitiv. Die in England durchgeführten Studien zeigen, dass es tatsächlich ansteckender ist, aber wahrscheinlich nicht so viel ansteckender wie anfänglich gedacht. Zu Beginn war die Rede von einem um 70 Prozent höheren Ansteckungsrisiko.

Kommen wir zu den Kindern. Normalerweise sind diese ja sehr anfällig für Schnupfen und Husten. Von Covid-19 sind sie nun aber offensichtlich weniger betroffen als Erwachsene oder zumindest weniger stark. Wie ist das zu erklären?

Das ist tatsächlich sehr erstaunlich. Zusammen mit einem australischen Kollegen habe ich darum eine Übersichtsstudie zu allen bestehenden Studien verfasst, die nach Erklärungen für dieses Phänomen gesucht haben. Wir haben keine definitive Antwort gefunden. Man kann aber zwei Hauptfaktoren festmachen, die dafür sorgen, dass Kinder nicht so anfällig sind: Erstens funktioniert bei Kindern das Immunsystem anders als bei Erwachsenen. Zweitens befällt das Sars-Virus unter anderem die Gefässe. Weil Kinder aber jüngere und noch besser funktionierende Gefässe haben als Erwachsene und ihre Blutgerinnung zudem anders funktioniert, erzeugt das Virus bei ihnen keine Verstopfung der Gefässe, sogenannte Thrombosen, was bei an Covid-19 Erkrankten oft geschieht.

Inwiefern funktioniert das Immunsystem von Kindern anders?

Es gibt zwei Arten des Immunsystems, das angeborene und das antrainierte. Bei Kindern funktioniert das angeborene Immunsystem viel stärker, darum gehen wir davon aus, dass sie das Virus besser bekämpfen können. Sie tragen in der Regel auch viele andere Viren und Bakterien in sich, weshalb sich ihr Immunsystem auf einem höheren Level befindet als bei Erwachsenen und schneller auf Viren reagieren kann.

Was bei normalen Erkältungen nicht unbedingt so gut funktioniert. Wie wir gesehen haben, sind Kinder ja häufig erkältet.

Das ist so. Hier kommt das antrainierte Immunsystem ins Spiel. Dieses führt häufig dazu, dass der Körper bei einer Sars-Infektion überschiessend reagiert. Weil das antrainierte Immunsystem bei Kindern anders funktioniert, kommt es bei ihnen selten zu einer sogenannten Hyperinflammation. Eine solche kann zwar auch bei der Grippe auftreten, aber längst nicht bei allen respiratorischen Viren, was auch eine Erklärung für die auffälligen Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen bei Covid-19 ist.

Kann man aus dem Gesagten schliessen, dass Kinder weniger ansteckend sind?

Bewiesen ist, dass Kinder sich gleichermassen anstecken können wie Erwachsene, aber weniger häufig Symptome zeigen. Wie ansteckend Kinder für andere sind, kann nicht mit hundertprozentiger Sicherheit gesagt werden. Die meisten internationalen Studien weisen aber darauf hin, dass Kinder weniger ansteckend sind, auch weil sie weniger häufig Symptome haben. Symptome entwickelt erst, wer eine gewisse Menge an Viren im Körper trägt. Keine oder weniger starke Symptome bedeuten also weniger Viren.

Gibt es nebst der besseren Immunabwehr noch andere Gründe, weshalb infizierte Kinder weniger Viren in sich tragen, also weniger Symptome zeigen und damit weniger ansteckend sind?

Ja. Kinder verfügen auch über weniger ACE2-Rezeptoren, die sich auf der Zelloberfläche befinden und an denen das Virus andocken kann. Sie sind auch anders im Körper verteilt. Kinder haben davon beispielsweise weniger auf der Nasenschleimhaut.

Sie leiten zusammen mit Infektiologin Nicole Ritz vom Basler Kinderspital eine Studie, in der alle Kinder erfasst werden, die in Schweizer Kinderspitälern wegen Covid-19 vorstellig wurden. Was ist das Ziel dieser Studie?

Weil Covid-19 eine neue Erkrankung ist, ist es wichtig, die Anzahl der Erkrankungen und ihre Symptome bei Kindern zu erfassen. Es geht aber auch darum, eine plötzliche Häufung schwerer Krankheitsverläufe zu erkennen.

Gibt es schwere Verläufe auch bei Kindern?

Ja. Von bisher 600 Kindern, die in Schweizer Kinderspitälern wegen einer Covid-19-Infektion vorstellig wurden, haben 60 zuvor völlig gesunde Kinder die sogenannte Pims-Krankheit entwickelt. Das heisst, ihr Immunsystem hat überschiessend reagiert, wie das sonst bei Erwachsenen passieren kann. Die Pims-Krankheit unterscheidet sich jedoch von der überschiessenden Reaktion bei Erwachsenen, da sie erst nach einer Covid-19-Erkrankung auftritt und andere Zellen und Botenstoffe darin involviert sind. Kinder mit einer Pims-Krankheit müssen meistens auf der Intensivstation behandelt werden. Sie haben einen Hautausschlag, rote Lippen und Augen, und es geht ihnen wirklich schlecht. Die gute Botschaft ist, dass sich alle bis Ende November erfassten Kinder wieder vollständig erholt haben.

Welche Erkenntnisse gibt es bisher sonst noch?

Wir können sagen, dass ein Drittel der erfassten Kinder hospitalisiert werden musste. Die meisten Kinder waren jedoch nicht schwer erkrankt. Fast keines von ihnen brauchte eine spezifische Therapie wie ein antivirales Medikament. Die meisten bekamen bloss fiebersenkende Medikamente und sonst nichts.

In anderen Ländern wird mit der Öffnung der Schulen nach den Festtagen abgewartet, und es gibt Infektiologen, die eine europaweite Schliessung der Schulen fordern. Könnten Sie sich aufgrund Ihrer Forschungsergebnisse einer solchen Forderung anschliessen?

Was bei den Kindern abläuft, widerspiegelt, was in der ganzen Bevölkerung passiert. Wenn wir viele Ansteckungen in der Bevölkerung haben, wird es auch viele Ansteckungen in den Schulen geben. Ich würde darum nicht sagen, dass Kinder die Verursacher der Pandemie sind, wie das einige Experten behaupten. Ich bin der Ansicht, dass man primär alle anderen Massnahmen im Kampf gegen das Virus ergreifen muss. Die Schliessung der Schulen steht dabei auf den hinteren Plätzen. Man muss den Nutzen einer Schliessung sehr genau gegen die Schäden, die man damit anrichtet, abwägen.

Daran ändert auch das ansteckendere mutierte Virus nichts?

Klar ist, dass die Lage ständig neu überprüft werden muss. Ursprünglich hiess es ja, dass die neue Variante für Kinder ansteckender sei. Das wurde insofern relativiert, als gesagte wurde, dass sie vor allem für Teenager ansteckender ist. Man muss sowieso immer aufpassen, wenn man von Kindern spricht. Es macht einen grossen Unterschied, ob von einem Fünfjährigen oder einem Fünfzehnjährigen die Rede ist. Wenn Schulschliessungen in Betracht gezogen werden, muss darum sicher immer von oben nach unten vorgegangen werden. Die Primarschulen sollten als Letzte schliessen.

«Wenn wir viele Ansteckungen in der Bevölkerung haben, wird es auch viele Ansteckungen in den Schulen geben.»

«Ich würde nicht sagen, dass Kinder die Verursacher der Pandemie sind, wie das einige Experten behaupten.»

«Ich bin der Ansicht, dass man, bevor man Schulen schliesst, primär alle anderen Massnahmen im Kampf gegen das Virus ergreifen muss.»

Schulschliessungen

Freiburg will die Schulen zurzeit nicht schliessen

Die Schweizer Erziehungsdirektoren sähen aktuell keinen Grund, die Schulen wegen der unsicheren Entwicklung der Corona-Situation zu schliessen. Das sagt der Freiburger Erziehungsdirektor Jean-Pierre Siggen auf Anfrage. «Wir beobachten wenig Covid-Fälle in den Schulen.» Die Zahlen von gestern zeigen für die obligatorischen Schulen in Freiburg: Von fast 40 000 Schülerinnen und Schülern sind 14 an Covid erkrankt, 268 befinden sich in Quarantäne. Von fast 3600 Lehrpersonen sind 10 an Covid erkrankt, 21 befinden sich in Quarantäne. Im Vergleich zum 18. Dezember sind die Zahlen also deutlich zurückgegangen. «Das Problem liegt nicht in den Schulen, sondern in den Familien», so Siggen. Schulen könne man zudem nicht ohne Begleitmassnahmen, etwa für Eltern, schliessen. Darum halte man im Moment am Präsenzunterricht fest, der die beste Unterrichtsform sei. Die Erziehungsdirektion sei für ihre Entscheidungen im Übrigen auf die Analysen des Bundesamts für Gesundheit angewiesen. Siggen erwartet darum mehr Informationen über den Einfluss des mutierten Virus auf Kinder und Jugendliche. «Das könnte die Lage ändern. Schulschliessungen sind insofern kein Tabu, aber Ultima Ratio.»

rsa

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