Es ist eine Premiere. Noch nie zuvor hat es der mächtige Eidgenössische Schwingerverband, der Hüter der Reinheit der Schwingfeste, erlaubt, dass Nicht-Schwinger in die Arena treten und ein Eröffnungsfest feiern können. In Estavayer-le-Lac, am «Eidgenössischen» 2016, wird dies möglich sein. Für den Präsidenten des Organisationskomitees (OK), Albert Bachmann, ist dies das Ergebnis von erfolgreichen Verhandlungen mit dem Schwingerverband. Entsprechend zeigte er sich an der Präsentation des Programms im Mai stolz über das Erreichte.
Laut Odilo Bürgy, Präsident der Trachtengruppe Gurmels und im OK zuständig für die Festivitäten, stand zu Beginn der Überlegungen ein Handicap. Ein festlicher Umzug vom Hafen, an dem das Schiff mit den Funktionären, Vertretern des alten OK von Burgdorf und die Verbandsfahne per Schiff ankommt, bis zur Arena, wie er zur Tradition der Schwingfeste gehört, ist im vorliegenden Fall schwierig. Denn das Festgelände liegt auf dem Areal des Flugplatzes Payerne weiter weg von Estavayer. Als Alternative erarbeitete das OK die Idee einer Eröffnungszeremonie am Freitagabend–in der Arena, dem Heiligsten des Schwingfestes. Ein Anlass, an dem ein jeder und eine jede, 52 000 Personen, gratis teilnehmen können.
Für «Normalsterbliche»
Allerdings: «Schwingen ist eng verbunden mit Traditionen», so Bürgy. Üblicherweise sei der Startschuss zum Fest das Anschwingen am Samstag in der Arena. «Das ist für die Schwinger wie das Wembleystadion für den Fussball. Wenn sie erstmals die Arena betreten, machen sie das mit Ehrfurcht.» Dann sollen 1000 Personen am Vorabend schon in der Arena gewesen sein? Und Kühe, Pferde, Wagen? «Es ist für einen traditionsbewussten Verband ein grosser Schritt, es dennoch zu erlauben», sagt Bürgy. Das OK konnte den Funktionären jedoch glaubhaft machen, dass es wichtig sei, einmal etwas Neues auszuprobieren.
Es sei ein Dankeschön an die Bevölkerung, so Bürgy. «Wir kommen mit 250 000 Menschen aus der ganzen Schweiz, nehmen während zweier Wochen den ganzen Broyebezirk in Beschlag, und für diese Möglichkeit wollen wir der Bevölkerung etwas zurückgeben.» Wer wolle, könne am Freitag an die Eröffnungsfeier kommen: «Sonst können wir Normalsterbliche diesen Ort niemals betreten.» Ausser man sei Mitglied eines Schwingklubs oder werde von einem Sponsor eingeladen.
Kultur und Tradition
Bald war auch das Konzept geboren: Freiburgische Identität und die Traditionen beider Sprachgruppen sollten in einem aufwendigen Festspiel erscheinen. Auch der künstlerische Leiter des Stücks war von Beginn an klar: Cyrill Renz. Der zweisprachige Brauchtumsspezialist aus Courtepin war Präsident der kantonalen Vereinigung für Tracht und Brauch. «Von Beginn an war für mich das Thema klar, Tradition und Kreation, die Darstellung der Verschiedenartigkeit des Kantons und dessen, was unseren Kanton prägt.»
Cyrill Renz. Bild vm/aOdilo Bürgy. Bild dik
Festspiel: Ein Reigen von Bildern in der Arena
D ie Eröffnungszeremonie des Eidgenössischen Schwingfests steigt am Freitagabend, 26. August, von 17 bis 18.30 Uhr. Sie stellt die kulturelle Vielfalt und die Traditionen des Kantons Freiburg dar. 1000 Musikanten, Sänger, Tänzer und Schauspieler aus den sieben Bezirken des Kantons nehmen am Festspiel teil. Unter den Programmpunkten ist der feierliche Einmarsch von Fahnenträgern aller 164 Gemeinden des Kantons und Schaukämpfe von einer Gruppe von behinderten Schwingern in den sieben Ringen der Arena. Der Eintritt ist frei, eine Reservation ist nicht notwendig, die Zutrittskontrolle erfolgt bei den Eingängen in die Arena.
Den Kern der Eröffnungsfeier bildet ein Festspiel unter der Leitung von Cyrill Renz mit mehreren Hundert Teilnehmern, Tieren und Musik. Die sechs Bilder des Festspiels werden dann am Festakt vorgestellt. Das Festspiel bilden sechs Bilder. Für das Bild «Land der Glasmalerei» zum Beispiel hat Renz das entsprechende Handwerk aus Romont als Sujet gewählt: 72 Freiwillige tragen und rollen zu Chormusik 72 kunstvoll bemalte, runde und in Reifen eingerahmte Glasfenster.
Renz verbindet dieses Bild mit dem traditionellen Reigen der alten Bewohner von Estavayer. Er wurde am Fasnachtsabend auf dem Moudon-Platz aufgeführt. «Die Wenigsten kennen diese Tradition, auch unter den Einheimischen ist sie fast unbekannt.» Gerade deshalb sei es wichtig, den Brauch einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen, ist Renz überzeugt. Die Wurzeln stammen aus dem Mittelalter und entsprechend werden die Volkstänzer begleitet mit typischer Musik und von Instrumenten aus jener Zeit: Tamburin, Pfeifen, Trommeln.
«Die alten Tänze und die feierliche Musik passen gut zum Fest», weiss Cyrill Renz. Die Musiker sollen danach in den Strassen des Städtchens und rund um die Arena herum auftreten.
Natürlich würden neben den weniger bekannten Traditionen auch solche im Rahmen des Festspiels gezeigt, die heute in der ganzen Schweiz bekannt und in aller Munde sind. Zum Beispiel das Lied «Das alte Hüttlein» («Le Vieux Chalet»), das im gleichnamigen Volkslied zur «neuen Hütte» wird. Oder der klassische «Ranz des Vaches» mit der Hymne «Lioba», der Reigen der Kühe aus den Alpen, die Freiburger Tradition schlechthin. Das Bild zusammen mit dem Auftritt der Landwehr, Alphornbläsern, Fahnen- und Reifschwingern bildet das Finale des Festspiels. fca