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«Bei Gewalt haben wir eine Nulltoleranzpolitik»

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Im Gegensatz zur Mehrheit der europäischen Staaten kennt die Schweizerische Rechtsordnung kein explizites Verbot von Gewalt an Kindern. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kommt den Eltern denn auch heute noch ein sogenanntes Züchtigungsrecht zu (siehe Beitrag Seite 21). Die «Freiburger Nachrichten» fragten bei zwei Vertretern des Jugendamts Freiburg nach, wie häufig sie mit dem Thema Gewalt in der Erziehung konfrontiert sind und wie sie damit umgehen. Für Raphaël Andrey und Marianne Portmann steht stets das Kindeswohl im Zen­trum, weshalb sie im Gespräch eine eindeutige Position gegenüber Körperstrafen an Kindern einnehmen.

Wie häufig hat das Jugendamt mit Gewalt in der Erziehung zu tun?

Raphaël Andrey: Wir verfügen über keine genauen Zahlen. Gemäss unseren Schätzungen ist Gewalt in der Erziehung in rund 500 Fällen von insgesamt 3500 Mandaten des Jugendamts ein Thema.

Marianne Portmann: Daneben gibt es natürlich eine ­Dunkel­ziffer von Gewalt­situationen, von denen wir keine Kenntnis haben.

 

Wie gelangen Fälle von Gewalt an Kindern an das Jugendamt?

Andrey: Das Amt kann grundsätzlich auf drei Arten in einen Fall involviert werden. Erstens über den Bereitschaftsdienst des Jugendamts, an den sich Kinder wenden können, die zu Hause Gewalt erlebt haben, zweitens aufgrund einer Meldung an Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden und drittens im Rahmen eines strafrechtlichen Verfahrens.

 

Gibt es auch Eltern, die sich freiwillig an das Jugendamt wenden, um Gewalt­situationen in den Griff zu bekommen?

Portmann: Gewalt ist stets Ausdruck einer Überforderung der Eltern. Es gibt durchaus Fälle, in denen Väter und Mütter selber realisieren, dass sie mit der Erziehung überfordert sind und sich an den Bereitschaftsdienst des Jugendamts wenden. Dieser leistet Hilfe, ohne dass ein vormundschaftliches Mandat errichtet wird. Die Arbeit im freiwilligen Bereich stellt einen wichtigen Pfeiler des Jugendamts dar, denn wo immer möglich wollen wir die Eltern stärken, ohne dass ein Mandat verhängt wird.

 

Können Sie typische Fälle von Gewalt an Kindern nennen, mit denen sie beim Jugendamt konfrontiert werden?

Portmann: Auslöser von Meldungen an die Kinderschutzbehörden oder Kontaktaufnahmen mit dem Bereitschaftsdienst des Jugendamts sind oft Körperstrafen wie Ohrfeigen oder Schläge.

 

Welche Fälle bleiben Ihnen besonders in Erinnerung?

Portmann: Ich kann mich an Fälle erinnern, bei denen Kleinkinder von einem oder beiden Elternteilen derart heftig misshandelt wurden, dass sie medizinische Pflege be­nötigten. Die behandelnden Ärzte informierten darauf jeweils die Behörden. Dabei handelt es sich aber um extreme Fälle, die nur äusserst selten vorkommen.

 

Wie gehen Sie vor, wenn Sie Kenntnis von Situationen haben, in denen Eltern Gewalt in der Erziehung anwenden?

Andrey: Es reicht natürlich nicht, den Eltern zu sagen, dass sie dies nicht dürfen. Wir haben oft mit Müttern und Vätern zu tun, die zwar wissen, dass sie keine Gewalt anwenden sollten, jedoch nicht wissen, wie sie sonst Grenzen setzen können. Unsere Aufgabe ist es, die Alternativen zu einer Erziehung mit Gewalt aufzuzeigen.

Portmann: Mittel dazu sind etwa sozialpädagogische ­Familienbegleitung, Elterncoaching, Elternkurse und Selbsthilfegruppen.

Andrey: Verbessert sich die Situation dadurch nicht oder sind die Eltern nicht kooperativ, wird in der Regel das für Kindes- und Jugendschutzmassnahmen zuständige Friedensgericht involviert, das neben Verwarnungen und Weisungen auch eine Beistandschaft errichten oder in Ex­tremfällen das elterliche Sorgerecht einschränken oder entziehen kann.

 

Im Zivilgesetzbuch findet sich kein explizites Verbot von Gewalt an Kindern durch die Eltern; das Bundesgericht spricht Eltern ein Züchtigungsrecht in engen Schranken zu. Wie geht das Jugendamt angesichts dieser gesetzlichen Situation mit dem Thema Körperstrafen um?

Portmann: Einschreiten können wir ohnehin nur dort, wo wir ein Mandat haben. Sonst müssen sich die Eltern freiwillig an das Jugendamt wenden. Wo die Erziehung aufhört und die Gewalt beginnt, ist häufig schwierig zu beurteilen. Grundsätzlich herrscht in unserem Dienst eine Nulltoleranzpolitik – wir tolerieren keine Gewalt in jeglicher Form.

 

Kennen Sie Fälle, in denen Eltern der Auffassung sind, über ein Züchtigungsrecht zu verfügen, und sogar auf diesem bestehen?

Andrey: Wir haben dies bereits erlebt, es handelt sich jedoch um Einzelfälle. Es kann sinnvoll sein, in einem derartigen Fall den Strafrichter zu involvieren. Damit wird dem Elternteil klar aufgezeigt, dass eine Erziehung, in der regelmässig Gewalt angewendet wird, nicht tolerierbar ist.

Portmann: In solchen Fällen kommt es oft auch vor, dass sich die betroffenen Kinder direkt an das Jugendamt wenden, weil sie dank Sensibilisierung in Schule und Alltag wissen, dass sie Anspruch auf eine gewaltfreie Erziehung haben.

 

Würden Sie ein ausdrückliches Verbot der Gewaltanwendung an Kindern im Zivilgesetzbuch befürworten?

Andrey: Ich denke, es ist nicht an uns, die Entscheide des Gesetzgebers oder des Bundesgerichts zu beurteilen. Wir befinden uns jedoch manchmal in schwierigen Situationen, weil wir den Eltern angesichts der bundesgerichtlichen Rechtsprechung keine klaren juristischen Vorgaben bezüglich der Gewaltanwendung in der Erziehung geben können. Als Jugendamt ergreifen wir die Position, dass jegliche physische Gewalt in der Erziehung gegen das Wohl des Kindes ist.

 

Wie hat sich die Problematik entwickelt? Nehmen Fälle von Gewalt in der Erziehung ab oder zu?

Portmann: Verändert hat sich sicher die gesellschaftliche Einstellung zur Gewalt als Erziehungsmethode. Weil Fälle von Gewalt an Kindern heute schneller und öfter den Behörden gemeldet werden, ist es aber schwierig, statistische Aussagen über die Entwicklung des Problems zu machen. Behörden erlangen heute viel häufiger und rascher Kenntnis von Gewaltsituationen in Familien dank früherer Einschulung, Meldepflicht von Ärzten und Schulen sowie der Meldemöglichkeit bei den Kindesschutzbehörden. Ausserdem wissen Kinder heute dank Sensibilisierung häufig gut, dass Gewalt in der Erziehung nicht toleriert wird und wenden sich dadurch vermehrt an das Jugendamt.

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