Es geht geschäftig zu und her mitten in der Nacht am Bahnhof Kerzers: Die Vorbereitungen für die Demontage eines rund 16 Meter langen Teilstücks der historischen Fussgängerbrücke laufen auf Hochtouren. Ein 20-köpfiges Bauteam der SBB ist am Werk. Der letzte Zug hat den Bahnhof Kerzers verlassen, die Bahnarbeiter sperren die Gleise, schalten die Fahrleitungen aus. Das Teilstück des Stahlfachwerks wiegt rund 10 Tonnen. Ein fünfachsiger Pneukran und ein Tieflader für den Transport in ein Werk nach Oensingen SO stehen bereit. Die Demontage des zweiten Abschnitts ist für die folgende Nacht vorgesehen. In dem Sandstrahl- und Metallspritzwerk hat die 110-jährige Passerelle eine Totalsanierung vor sich, so dass sie Ende dieses Jahres in vollem Glanz erstrahlen kann und das eisenbahnhistorische Ensemble des Bahnhofs Kerzers wieder komplett ist. Seit 2012 ist das genietete Stahlwerk aus Sicherheitsgründen für jegliche Benützung gesperrt. Nach der Instandsetzung für 1,35 Millionen Franken übergeben die SBB die alte Dame an den Verein Passerelle Kerzers. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, die Brücke wieder zu öffnen.
Das Projektteam der SBB, Vertreter des Vereins Passerelle, Medien und Interessierte versammeln sich im Stellwerk Kerzers. Omar Khattabi, Projektleiter der SBB, erklärt den Ablauf: «Das Zwischenstück herauszuheben, wird das Schwierigste sein.» Die Passerelle werde künftig einen Meter höher über den Gleisen liegen, «damit wir die Fahrleitungen frei ziehen können». Die Leitungen werden also dereinst nicht mehr an der Brücke, sondern an Masten befestigt sein.
Salz zerfrass Stahlteile
Im Werk wird das Stahlelement sandgestrahlt, geflickt, gestrichen und gesprayt. Schadhafte Teile werden ersetzt. Eine der Beschichtungen sei giftig und heute verboten, «im Werk können die Arbeiter am besten Massnahmen ergreifen, um sich und die Umwelt zu schützen», sagt Khattabi. Die Brücke erhalte einen neuen Korrosionsschutz, der rund 50 Jahre halte. Die Nieten würden abgeklopft, «wenn es hohl klingt, müssen wir sie mit Schrauben ersetzen». Vor allem die Treppenläufe seien in schlechtem Zustand. Grund dafür sei das Salz, das im Winter gestreut wurde, «es hat Löcher in die Stahlteile gefressen». Die Treppen würden tagsüber demontiert.
«Statische Veränderungen müssen wir nicht vornehmen», erklärt Projektverfasser und Bauingenieur Daniel Buschor, «wir haben das geprüft.» Ursprünglich sei geplant gewesen, die Brücke in drei Teilen zu entfernen. Es habe sich nun aber gezeigt, dass es auch in zwei Teilen möglich ist. Das zweite Teilstück misst 24 Meter und ist 15 Tonnen schwer. Die heutige Trennstelle war bereits früher eine Fuge.
«Es ist unbeschreiblich, dass die Passerelle jetzt dank den SBB ausgebaut und saniert wird», sagt Carmen Reolon, Präsidentin des Vereins Passerelle. «Wir wollen dem Bahnhofsensemble neues Leben einhauchen und die Brücke 2020 wieder für Fussgänger freigeben, um den Aus- und Rundumblick zu ermöglichen.» Falls der Verein es nicht schaffe, die Beleuchtung sicherzustellen, drohe jedoch eine rein museale Nutzung.
Die Bahnarbeiter zerlegen die Brücke und befestigen die Ketten des Pneukrans am Teilstück. Alles läuft ruhig und souverän ab. Jeder Schritt sitzt und hält einer Überprüfung stand. Die Vorbereitung dauert 1,5 Stunden, der Flug der Passerelle hingegen nur kurz: Der Pneukran hebt das Zwischenstück aus seinem seit über 100 Jahren angestammten Platz. Der Tieflader steht bereit, die Brücke gleitet über die Gleise zum Bahnhofplatz. Mit Seilen sorgen die Arbeiter dafür, dass sich die Passerelle gerade und sanft auf dem Transportfahrzeug niederlässt.
Zahlen und Fakten
Im Inventar des Bundes und des Kantons
Die Passerelle im Bahnhof Kerzers wurde 1909 erbaut. Sie ist ein vollständig erhaltenes, genietetes Stahlfachwerk und im Besitz der SBB. Die Passerelle diente bis zur Inbetriebnahme der Bahnhofunterführung 2004 als Fussgängerverbindung zwischen dem Bahnhofplatz und den Werkswohnungen beim Unterwerk. Sie ist sowohl beim Bund als auch beim Kanton Freiburg als Kulturobjekt inventarisiert. Bereits seit Jahren ist die Passerelle jedoch sanierungsbedürftig, seit Juli 2012 ist sie aus Sicherheitsgründen für jegliche Benützung gesperrt. Für den heutigen Bahnbetrieb hat die Passerelle zudem keine Bedeutung mehr. Deshalb erfolgte 2014 die Gründung des Vereins Passerelle, der sich in Zukunft um den Betrieb und den Erhalt der historischen Brücke kümmern soll. Die Kosten der Sanierung belaufen sich auf insgesamt 1,35 Millionen Franken. Die SBB, der Bund, der Kanton Freiburg sowie die Loterie Romande und weitere Sponsoren tragen einen Teil dieser Aufwendungen. Aus Kostengründen verzichten die SBB jedoch darauf, eine neue Beleuchtung für die Brücke zu installieren. Das ist nun Sache des Vereins Passerelle: Er ist auf der Suche nach finanzieller Unterstützung für die Beleuchtung der Fussgängerbrücke.
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