Festivals kommen und gehen. Die Grossen bleiben, wie etwa das Lucerne Festival oder jenes von Gstaad. Sie agieren mit einem grossen Budget, zahlungskräftigen Sponsoren und illusteren Gästen. Murten Classics hingegen bewegt sich in kleineren Dimensionen. In den letzten Jahren lag das Budget bei rund einer Million Franken, die Anzahl Konzerte blieb bei 30 und die Dauer des Festivals bei drei Wochen. Ein Rezept, das sich bewährt hat. 20 Jahre wird das Festival nun getragen vom künstlerischen Leiter Kaspar Zehnder und vom Präsidenten Daniel Lehmann. Seit 15 Jahren unterstützt Direktorin Jacqueline Keller das Gespann tatkräftig. Die FN haben Kaspar Zehnder und Daniel Lehmann an einem heissen Sommertag in Murten getroffen.
Alles hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Wo stehen die Murten Classics und Sie heute?
Kaspar Zehnder: Mit Murten Classics geht es weiter. Es gibt keinen Grund, etwas zu ändern. Ich selber habe aber immer wieder daran gedacht, auszusteigen. Auch nach zehn Jahren. Murten Classcis ist mein Kind (schmunzelt), und das muss man irgendwann loslassen. Aber soll man das, wenn die Freude und Motivation immer noch da ist? Wir sind ein so gut funktionierendes Team. Jedes Jahr freue ich mich aufs Neue.
Murten Classics hat Ihnen zu Ihrer Karriere verholfen. Sind Sie sich dessen bewusst?
Zehnder: Sicher. Mittlerweile kann ich aber dem Festival auch etwas zurückgeben. Ich habe ein grosses musikalisches Netz und das kommt Murten Classics zugute.
Daniel Lehmann: Tatsächlich bringt Kaspar namhafte Musikerinnen und Musiker nach Murten, die dank der Freundschaft zu tieferen Gagen spielen als dies Usus ist.
Seit 20 Jahren folgt Murten Classics einem Leitmotiv. Dieses zu finden ist wohl das Schwierigste?
Zehnder: Darüber hirne ich tatsächlich bereits zwei Jahre im Voraus. Lange gesucht habe ich für das Jubiläumsjahr 2018. Auf die Idee «Unterwegs» brachte mich ein Komponist aus Konstanz. Er fragte mich, ob ich an einer Konzertreihe zum Jubiläum des Prager Frühlings interessiert wäre. Wie ein Blitz fuhr es mir durch den Kopf: Das ist es. Später kamen Zweifel. Migration ist zu negativ besetzt. Im Gespräch suchten wir nach einem positiven Begriff, holten alle Bälle aus der Schublade, und eines Tages rollte der richtige Ball. Darauf stand «Unterwegs». Ist das Thema einmal gegeben, fliesst alles andere von selbst.
Reibungslos?
Lehmann: Sicher nicht. Kaspar macht Vorschläge. Jacqueline Keller und ich haben schon mal unsere Einwände, wenn der künstliche Leiter zu viel experimentieren will.
Gibt es Sponsoren, die dem Festival seit 20 Jahren die Treue halten?
Lehmann: Die Legato Vermögensverwaltung zum Beispiel. Aber auch Groupe E, die Kantonalbank, die Loterie Romande, Murten und die umliegenden Gemeinden und weitere Partner sind wichtige Geldgeber. Das Cash-Sponsoring – gegen eine halbe Million Franken zu guten Zeiten – ist allerdings in den letzten Jahren eingebrochen. Wir mussten uns etwas einfallen lassen und sind auf die Idee der Hospitality-Plattform gekommen. Wir verkaufen den Firmen ein Erlebnispaket mit Apéro riche, Konzert und Schlummertrunk für 280 Franken pro Gast.
Gibt es Erlebnisse, an die Sie sich erinnern?
Zehnder: Ich weiss noch, wie ein Freund am Menuhin-Festival in Gstaad beim Kaffee ein Rähmli mit Murten Classics Deckeli in die Hand nahm. Der Gstaader Festivalleiter Christoph Müller war entsetzt. Murtenrähmli am Menuhin-Festival! Das gibt es doch nicht. Auch vom Konflikt, den wir 2004 mit der damaligen Geschäftsleitung hatten, blieb einiges hängen. Sie wollte die Murten Classics an sich reissen. Da war ich drauf und dran, zu gehen. Doch Daniel stärkte mir den Rücken. Diesen Vertrauensbeweis habe ich nie vergessen.
Lehmann: Uns ist es gelungen, die Romands und die Deutschsprachigen zusammenzubringen. Denn am Anfang waren nur Murtner und Berner da. Auch ist das Festival schnell gewachsen von 5 auf 30 Konzerte, von 3 auf 21 Tage, von 1500 auf rund 9000 Gäste.
Vor vielen Jahren haben Sie mir gesagt, Sie seien eine Musikbanause. Mittlerweile sind Sie wohl ein grosser Musikkenner?
Lehmann (schmunzelt): In all den Jahren habe ich unglaublich viel Musik gehört – auch im Vorfeld des Festivals. Ich glaube schon, dass ich einiges dazu gelernt habe. Meine Rolle bleibt aber nach wie vor die gleiche, und zwar die Vorschläge von Kaspar aus der Perspektive des Publikums zu hinterfragen. Das Ziel ist erreicht, wenn die Gäste sagen, das war schön.
Zehnder: Um Musik zu geniessen, muss man kein Profi sein. Ich stelle immer wieder fest, wie die Gäste das Gespür haben und sich da berühren lassen, wo es auch die Profimusiker tun.
Geschichte
Murten Classics sind mit der Familie Lehmann verbunden
1984 organisierten Erhard Lehmann (Vater des Präsidenten Daniel Lehmann) und François Loeb mit einem bescheidenen Budget von 15 000 Franken im Schlosshof von Murten Serenadenkonzerte mit Werken von Wolfgang Amadeus Mozart. Mit einem überraschenden Echo: 1500 begeisterte Besucher kamen. Damals spielten die Profimusiker noch ohne Gage und begnügten sich mit den Ticketeinnahmen. Bequem war das Ganze nicht: Sassen die Gäste doch auf Bänken, die keine Rückenlehne hatten.
Mehrere Auszeichnungen
In wenigen Jahren wuchsen die Festspiele zu einem beachtlichen Musikereignis heran. 1988 wurde von den Brüdern Fredy und Erhard Lehmann der Verein «Sommerfestspiele Murten» gegründet. Zehn Jahre später übernahm der ausgebildete Flötist und Dirigent Kaspar Zehnder die künstlerische Leitung des Festivals. Oberamtmann Daniel Lehmann trat in die Fussstapfen seines Onkels. Das Festival hiess von jetzt an «Murten Classics». Ab 2004 komplettierte die ausgebildete Sängerin Jacqueline Keller das Team als Direktorin. Es folgten Auszeichnungen: Preis des Freibur- ger Tourismusverbandes 1996 und Prix Atec 2003. Mittlerweile hat sich das Festival schweizweit einen Namen gemacht als Festival mit persönlichem Flair. Und für Murten ist es ein wichtiger Werbeträger.
Programm
Die nächsten Konzerte
Di., 21. August: Sommernachtskonzert in Münchenwiler: Werke von Mendelssohn Bartholdy, Reicha und Haas.
Mi., 22. August: Sommernachtskonzert in Münchenwiler: Werke von Prokofjew, Schostakowitsch, Tschaikowsky und Schnittke.
Do./ Fr., 23./24. August: Sinfoniekonzert im Schlosshof Murten: Werke von Wagner, Dvořák und anderen.
Sa., 25. August: «Offen für Neues» im KiB Beaulieu: Unterwegs mit 13 Schweizer Komponistinnen und Komponisten im Rahmen des Jubiläumstages «30 Jahre Murten Classics».
Tickets: www.murtenclassis.ch oder 0900 325 325.