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Betrunken auf Senslerdeutsch

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Ein, zwei Gläser zu viel, und man ist «grediay», «hackedicht» oder «käppelet». Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, um Trunkenheit zu umschreiben. Auch die Senslerinnen und Sensler scheuen sich nicht, den Zustand mit WC-Häuschen – «vou wyn as Schysshuus» – oder filetierten Fischen – «gspaute wyn as Egli» – zu vergleichen. «Für einen einzigen Zustand gibt es 219 Ausdrücke im Senslerdeutschen und wahrscheinlich noch mehr», sagt André Perler. Die Lautstärke seiner Stimme legt dabei vor Begeisterung ein Dezibel zu, so wie es geschieht, wenn jemand über seine grösste Leidenschaft spricht. Der Wünnewiler ist wie ein Lexikon, prall gefüllt mit Wissen zu Dialekten weit über die Schweizer Grenze hinaus. Im Rahmen seiner Masterarbeit in Dialektologie hat der 29-Jährige aber ganz nüchtern und wissenschaftlich die 219 Sensler Ausdrücke genaustens untersucht.

Viele Wörterbücher konsultiert

Dabei hat André Perler unter anderem untersucht, wie weit verbreitet die Ausdrücke sind. Dafür durchstöberte er Wörterbücher aus anderen Kantonen und dem übrigen deutschen Sprachraum. Um die Anzahl der durchforsteten Wörterbücher zu nennen, scrollt er mehrfach durch die Bibliografie seiner Masterarbeit: 51 Nachschlagewerke sind aufgelistet. Hinzu kämen noch Google-Recherchen. «Das ist sicherlich einer der Gründe, weshalb ich länger als ursprünglich geplant an der Arbeit sass», sagt er verschmitzt. Ein weiterer: Er arbeitet beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF als Mundart-Experte.

Das Umblättern von unzähligen Wörterbuchseiten ergab ein Resultat, mit dem er nicht gerechnet hätte. «Die Sprachwissenschaft geht allgemein davon aus, dass junge Menschen weniger regionale Dialektwörter brauchen als ältere Leute.» Wenn es um die Trunkenheit geht, sei es aber genau umgekehrt: Junge Senslerinnen und Sensler, sprich 25- bis 34-Jährige, brauchen häufiger typisch senslerdeutsche Ausdrücke als Menschen zwischen 60 und 69 Jahren. Beispielsweise das Wort «pladay»: 70 Prozent der von ihm befragten Jungen brauchen es, aber nur 5 Prozent der Älteren. Den in der Deutschschweiz gängigen Ausdruck «käppelet» benutzen hingegen 95 Prozent der älteren Leute und nur 59 Prozent der jüngeren.

Dieser Ausdruck zeigt zudem ein weiteres Phänomen, das André Perler beobachtet hat. «‹Käppelet› vergleicht den Rausch mit einer Kappe und beschönigt somit die Trunkenheit und lenkt vom Zustand ab», sagt er. Alkoholkonsum sei ein Tabu, das oft mit verharmlosenden Begriffen umschrieben werde. André Perler fand heraus, dass es im Sensebezirk aber insbesondere unter den jungen Leuten Ausdrücke gibt, die den Zustand nicht verharmlosen, sondern übertreiben. Beispielsweise ist das Wort «hackedicht» das am dritthäufigsten gebrauchte Wort junger Senslerinnen und Sensler. «Tabus zu brechen, ist ein typisches Phänomen der Jugendsprache», sagt der Wünnewiler. Er betont jedoch, dass es stark auf das Individuum und die Situation ankomme. «Der Mutter sagt man eher: ‹I han as Tämpfli ghääbe›, als: ‹I bü vou abgstürzt›.»

Umgang mit Sprache

André Perler interessiert es, wie Menschen mit Sprache umgehen. «Die heutige Dialektologie entfernt sich von der Befragung alter, ländlicher, weisser Männer und deren Benennungen von bestimmten Dingen.» Vielmehr gehe es darum, herauszufinden, wie Menschen mit der Sprache spielen und welche Bilder sie mit ihr zeichnen. So hat Perler die 219 Ausdrücke in zwölf Kategorien eingeteilt. Die grösste Kategorie: Der Körper wird metaphorisch als ein Gefäss verstanden. Dazu gehört beispielsweise der Begriff «vou». Die zweitgrösste Kategorie beinhaltet Verletzungen oder Gewalt: «gspaute wyn as Egli» beispielsweise. Die dritte Gruppe bezieht sich auf die räumliche Orientierung. «Das sind jene Begriffe, mit denen die betrunkene Person als an einem anderen Ort oder am Boden beschrieben wird, etwa ‹dääne›, ‹grediay› oder ‹pladay›.»

Die Ergebnisse seiner Untersuchung sprudeln aus André Perler heraus. Er könnte noch stundenlang weitererzählen, sagt er mit Blick auf die Uhr entschuldigend. Seine Faszination komme auch daher, dass Sprache viel über die Kultur aussage. «Vermutlich gibt es in Ländern, in denen Alkohol verboten ist, weniger oder vertuschendere Begriffe, um ‹betrunken› zu umschreiben.» Bei seiner Arbeit habe er die Probanden aber nicht nach ihrem Alkoholkonsum gefragt. «Da hätte wohl niemand mehr mitgemacht», sagt er und lehnt sich lachend zurück. Seine Masterarbeit wäre in weitere Bereiche ausdehnbar. Eine Dissertation komme für ihn aber nicht infrage. Jetzt freue er sich erst einmal, seine Recherchen auf seine Arbeit als SRF-Mundart-Experte zu beschränken.

Information

Häufigste Ausdrücke für «betrunken»

«Psùffe», «vou» und «hackedicht» sind die von den 25 bis 34-Jährigen am meisten gebrauchten Synonyme für «betrunken». Das zeigt die Masterarbeit in Dialektologie des Wünnewilers André Perler (siehe Haupttext). 60- bis 69-Jährige brauchen am häufigsten das Wort «käppelet», gefolgt von «vou» und «psùffe». Den Ausdruck «dääne» benutzen nur die jüngeren Probanden, «chatz-kanoonevou» hingegen mehr-heitlich ältere Personen.

sf

 

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