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«Sie fühlen sich im Stich gelassen»

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«Sie fühlen sich im Stich gelassen»

Autor: Carolin Foehr

Seit dem verheerenden Erdbeben in seiner Heimat vor einem Jahr hat der aus Haiti stammende und in Villars-sur-Glâne lebende Charles Ridoré rund 200 000 Franken gesammelt und mehrere Hilfsprojekte erfolgreich in Angriff genommen. Trotzdem ist sein Urteil hart: «Was auf nationaler und internationaler Ebene passiert, ist ein einziges Fiasko.» Weder die haitianische Regierung noch die anderen Staaten seien nach zwölf Monaten den grossen Anforderungen gewachsen.

Charles Ridoré, welche Hilfe hat Ihr Verein in den vergangenen Monaten geleistet?

Der Verein unterstützt zurzeit mehrere Projekte. Im November haben wir dem Krankenhaus in La Vallée de Jacmel, das als einziges in der Region funktioniert, geholfen. Normalerweise bezahlt der Staat die Ärzte und Pflegerinnen. Doch das Personal erhielt schon seit Monaten keinen Lohn mehr und drohte wegzugehen – sie müssen ja irgendwie ihre Familien ernähren. Wir haben 13 000 Franken bereitgestellt, das entspricht einem sechsmonatigen Lohn für sechs Pflegekräfte und eine Krankenschwester. La Vallée de Jacmel braucht diese Fachleute, denn das Land hat noch immer mit der Cholera-Epidemie zu kämpfen.

Wir haben weitere 30 000 Franken für einen Landkauf neben dem Krankenhaus zur Verfügung gestellt, damit dort ein neues Labor gebaut werden kann.

Nach Ihrem ersten Besuch in Haiti im Februar sagten Sie, die Menschen bräuchten vor allem Unterstützung in der Landwirtschaft.

Das ist ein weiteres Projekt. Mit einer Partner-Organisation haben wir Gemeinschaftsgärten angelegt, in denen Gemüse angebaut wird. Gleichzeitig lernen die Jugendlichen hier, wie man am besten anbaut. Viele erhalten dadurch eine Ausbildung, zu der sie sonst keinen Zugang hätten. Das Projekt hat schon viele junge Menschen aufgenommen. Der Verein «Solidarité Fribourg Haïti» unterstützt es mit 28 000 Franken.

Wie viele Spendengelder haben Sie bislang erhalten?

Die Freiburger haben rund 200 000 Franken gespendet, und das, obwohl wir in den letzten Monaten kaum spezielle Anlässe organisiert haben. Aber ich erhalte häufig spontane Anfragen von Institutionen oder Privaten, die eine Idee haben und helfen wollen.

Ein Teil des Geldes ging zu Beginn an die Schwesternkongregation Les Filles de Marie, da viele ihrer Gebäude durch das Erdbeben zerstört oder beschädigt worden waren. In der Berggemeinde Chénot haben wir eine der Schulen wieder aufgebaut und helfen mit, diese zu führen.

Der Kanton und die Gemeinde Givisiez hatten sich auch für ein Schulprojekt in La Vallée de Jacmel eingesetzt.

Das stimmt. Pascale Marro, eine unserer Mitglieder, ist im November vor Ort gewesen und hat sich ein Bild von der Situation gemacht. Der Wiederaufbau hat sich verzögert, weil der Schulbetrieb während der Renovierungen weiterlaufen soll. Schwierig ist auch, dass die Preise für Baustoffe, wie zum Beispiel Zement, explodiert sind. Das anfangs aufgestellte Budget kann nicht eingehalten werden.

Doch das sind wir in Haiti gewöhnt: Es braucht alles seine Zeit. Manchmal warte ich Wochen auf ein E-Mail.

Wie leben die Menschen auf Haiti, ein Jahr nach dem Erdbeben?

Die Situation vor Ort ist und bleibt weiter prekär. Das macht einen sehr betroffen. Solange man beschäftigt ist, die Hilfe organisiert, ist es erträglich. Aber sobald man einen Moment Zeit hat, um über alles nachzudenken, kochen die Emotionen über. Das haben alle Beobachter und Helfer erfahren. Als ich im vergangenen Juli vor Ort war, wohnten die Menschen noch immer unter Zeltplanen, bei Regen und Sturm. Und dann die vielen Verbrechen, die Vergewaltigungen – man fühlt sich hilflos und versteht nicht, warum nichts geschieht.

Gleichzeitig ist die Solidarität, der Durchhaltewille und das Selbstbewusstsein der Menschen so stark, dass es umso schlimmer ist, wie wenig für sie getan wird.

Sie schliessen sich also der allgemeinen Kritik an der Organisation des Wiederaufbaus an?

Ganz klar ja. Es gibt drei Niveaus, auf denen humanitäre Hilfe geleistet werden kann. Zum Glück funktioniert die unterste, die lokale Ebene, auf der auch wir aktiv sind, sehr gut. Die Solidarität unter den Haitianern und vor allem jener, die im Ausland leben, ist bemerkenswert. Denn was auf nationaler und internationaler Ebene passiert, ist ein einziges Fiasko, darin ist sich die Mehrheit der Beobachter einig. Ein Jahr nach der Katastrophe ist viel von dem, was versprochen wurde, nicht realisiert worden. Nur knapp zehn Prozent der versprochenen neun Milliarden Dollar wurden bislang zur Verfügung gestellt. Das zeigt ein Anfang Januar veröffentlichter Bericht der internationalen Organisation Oxfam*.

Woher sollen wir wissen, ob das Geld auch wirklich bei der Bevölkerung ankommt? Nach dem Erdbeben sind Hilfsorganisationen wie Pilze aus der Erde geschossen, um schnelles Geld zu machen. Bereits bestehenden Organisationen hat man vorgeworfen, sie würden sich mehr um ihr Image sorgen als um die Notleidenden. Ich kann verstehen, dass man die Spenden nicht verschwenden, sondern nützlich einsetzen will. Aber die Haitianer haben das Gefühl, dass die internationale Gemeinschaft mit ihrer Notlage spielt.

Glauben Sie, dass der erste Jahrestag am Mittwoch etwas bewegen kann, die Menschen wachrütteln wird?

Diese Hoffnung hatten wir bereits am 12. Januar 2010. Aber sie hat sich nicht erfüllt. Und heute ist die Lage aufgrund der Wahlen nicht einfacher. Die Bevölkerung ist gespalten in politische Lager, dabei gäbe es wichtigere Probleme zu lösen.

Das ist keine gute Ausgangslage, aber ich hoffe, dass die vermehrten Kritiken der letzten Wochen etwas verändern werden. Diese Woche findet an der Genfer Universität ein Kolloquium statt, an dem ich auch teilnehmen werde. Ich hoffe sehr, dass wir dort etwas ausrichten können. Die Haitianer brauchen solche Unterstützung, mehr noch als materielle Hilfe. Im Moment fühlen sie sich einfach im Stich gelassen.

Was planen Sie und Ihr Verein im kommenden Jahr?

Wir werden einen Jahresbericht schreiben und schauen, wo noch Bedürfnisse bestehen. Wir haben vor, eine Internetseite aufzubauen und weiter Spenden zu sammeln. Ein Zukunftsprojekt wird der Bau einer Berufsschule in La Vallée de Jacmel sein. Mehrere Akteure sind daran interessiert, aber noch besteht keine Einigung darüber, wie genau das Ausbildungszentrum gestaltet und finanziert werden soll. Aber es ist ja auch kein allzu dringliches Projekt. Dann wollen wir weiter dabei helfen, dass das Krankenhaus funktioniert und die Gebäude sicherer gebaut werden.

Ich werde im Sommer wieder zwei Wochen nach Haiti fliegen und mit unseren Partnern sprechen. Eins ist sicher: Es gibt noch viel zu tun.

Wie lange, glauben Sie, werden Sie Hilfe leisten?

Die wichtigsten Wiederaufbau-Arbeiten werden zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen. Aber das Ziel ist ja nicht, einfach wieder aufzubauen, was am 12. Januar zerstört wurde. Das Land war schon vor dem Erdbeben völlig zerrüttet. Es muss ein anderes Staatssystem mit neuen Grundlagen entstehen, mit glaubenswürdigen Instanzen und funktionierenden Infrastrukturen – das wird mindestens eine Generation lang dauern.

* «From Relief to Recovery: Supporting good governance in post-earthquake Haiti», verfügbar unter www.oxfam.org.

Spendenkonto «Solidarité Fribourg Haïti»: CCP 12-371723-5 Fribourg.

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