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Sie lagen da

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Sie lagen da, auf der Tischplatte, eine neben der andern, in völliger Entspanntheit, als wie zwei kleine Gewichte, leicht geöffnet auf der Aussenkante stehend, absolut bewegungslos. Diese Hände mussten eines Handwerkers Hände sein. Erst mit meinem zweiten Blick schaute ich dem Mann ins Gesicht. Er sass, wie wir, im kleinen Landgasthof bei einem Abendtrunk am Nebentisch. Das Gesicht, die gute Gesichtsfarbe, gaben zu erkennen, was ich vermutet hatte, dieser Mann war jemand, der sicher im Freien arbeitete.

So liegen an einem Abend nur die Hände eines Menschen, der mit ihnen tagsüber viel gearbeitet hat. Zwei ruhige Wesen, wie zwei kleine schlafende Tiere. Wie losgelöst von einem Befehle erteilenden Körper. Hände, die Ruhe verdienen, die müde sind, die nichts mehr tun wollen, doch vollbracht haben, was es zu tun gab, vollbrachten, was ihre Aufgabe und ihr Können war.

Während wir dort sassen, traten noch andere mit den Händen arbeitende Frauen und Männer in den Gasthof. Einige andere Händepaare legten sich still auf die Tischplatten und ruhten. Unbewusst und als wären sie eigenständige Wesen. Nur das Glas wurde ab und zu zum Trinken gehoben. Grossartige Werkzeuge des Menschen, die sich erholen. Obwohl mir bewusst war, dass es wohl schwerste Handarbeit geben konnte für diese Leute, wusste ich zugleich um die Genugtuung des Mit-den-Händen-arbeiten-Könnens. Und mir schienen diese Hände zufriedene Hände.

 Das Händepaar eines im Büro Arbeitenden hatte ich noch nie auf diese Weise, in dieser unbewussten Geste, ausruhen sehen, dachte ich. Vielleicht gibt es gar kein solches Ausruhen für Stadthände? Auf Tischplatten trommelnde Hände, Brot zerkrümelnde Hände, mit diversen herumliegenden Materialien spielende Hände, etwas zerdrehende, zerknüllende, zerzupfende, ordnende, sich selbst haltende Hände kamen mir in den Sinn. Und die fortwährend in Bewegung stehenden Hände der Laptop- und Handybenützer, die wir selber sind und die wir täglich antreffen.

 Immer mehr Erinnerungen an mir unvergessene Händepaare tauchten dann auf, nachdem mir diese unbewusste Ruhepose der Menschenwerkzeuge aufgefallen war, aus der Realität, aus dem Film, auf Bildern: das Händepaar Glenn Goulds. Geniales Spiel und Präzision zugleich, wenn es sich – als gäbe es dies nur einmal–über die Klaviertastatur bewegte, und wie diese Hände auch ruhen konnten. Die Hände von Claude Monet, wie sie den langen Stab führten, an dem ein Pinsel montiert war, von Henri Matisse, mit seinem wilden Pinselstrich, der Duktus, den sie hinterliessen auf ihren Malereien. Die asiatischen Hände von Tänzerinnen. Die Hände eines Chirurgen, dessen Augenoperation ich am TV verfolgen konnte. Der Nicht-Händedruck eines Theologen, der uns Unterricht erteilte während der Schulzeit. Uns graute davor, wie weiche Tierchen, lachten wir. Die Hände einer andern Lehrerin, die mit der Schere Löcher schnitt in den Strumpf, den ich zuvor mit viel Geknorze selbst hatte stricken müssen, damit ich das Handflicken lernte. Die Hände am Gewehr, am Knopf des Krieges oder sonst wie zuschlagende Hände … und viele.

Manchmal hab ich Lust, diese ruhenden Hände zu sehen. An einem Händepaar kannst du ein Zeitalter ablesen. Stimmt das? An der Hände Taten, untrennbar mit dem Menschen verbunden, wird sein Geist sichtbar.

 

Sus Heinigerist Kunstmalerin und lebt in Murten. Als Kulturschaffende ist sie in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet.

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