Sonne liefert unbeschränkt und gratis Energie
Sensler Gemeinden arbeiten an der Erreichung des Labels «Energiestadt»
Die Sensler Gemeinden überdenken zurzeit ihren Umgang mit der Energie. Die Überprüfung läuft im Rahmen eines Pilotprojekts, das vom Gemeindeverband Region Sense lanciert und vom Bund unterstützt wird. Die FN haben den «Tag der Sonne» zum Anlass genommen, um mit dem Projektbeauftragten eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Mit URS GROSSENBACHER*
sprach ANTON JUNGO
Vor rund zwei Jahren hat der Gemeindeverband das Projekt Energiestadt lanciert. Worum geht es bei diesem Projekt?
Ziel des Projektes ist, die kommunale Energiepolitik der Sensler Gemeinden an den Nachhaltigkeitszielen von Bund und Kanton auszurichten, die dazu notwendigen Instrumente und Grundlagen zu schaffen und deren konsequente Umsetzung in Politik und auf Verwaltungsebene nachhaltig zu verankern.
Welche energiepolitischen Ziele will man mit diesem Projekt erreichen?
Die energiepolitischen Ziele orientieren sich in erster Linie an dem für die Schweiz geltenden CO2-Reduktionsziel gemäss Kyoto-Protokoll. Aber es gibt noch andere Aspekte, wie z.B. die Aufwertung der regionalen Wertschöpfung durch den vermehrten Einsatz erneuerbarer und einheimischer Ressourcen oder die Verbesserung der bestehenden Bausubstanz, welche in hohem Masse mit der Höhe des Energieverbrauchs im Gebäudebereich und der Betriebskosten derselben verbunden sind. Im Weiteren sind die Information und Sensibilisierung der Öffentlichkeit ein wichtiger Aspekt, welche ja auch im geltenden kantonalen Energiegesetz explizit von den Gemeinden gefordert werden.
Ein konkretes Ziel für die Region Sense ist zudem die Erfüllung der Auflagen des kantonalen Energiegesetzes. Diese Auflagen mit Termin 2007 umfassen unter anderem die Einführung der Energiebuchhaltung für kommunale Liegenschaften, die Erstellung eines kommunalen Energierichtplans und die Bildung einer Energiekommission. Die Region Sense kann diese Auflagen durch die aktive Teilnahme am Energiestadt-Prozess erfüllen.
Wie weit sind die Vorbereitungen für die Erreichung dieses Labels fortgeschritten?
Letzten Herbst konnte die erste Phase der Bestandesaufnahme abgeschlossen werden. Diese zeigte, dass im Moment – über alle teilnehmenden Gemeinden gemittelt – der Umsetzungsgrad bei 25 Prozent der vorhandenen Möglichkeiten liegt.
Die Region Sense weiss jetzt, wo die Qualität der kommunalen Energiepolitik einzustufen ist und wo Handlungsschwerpunkte liegen. Das parallel zum Projekt Energiestadt durchgeführte Projekt Interreg III quantifizierte zudem den aktuellen Energie-
verbrauchssplitt sowie die Potentiale der erneuerbaren Energien der Region.
Diese beiden Projekte liefern zusammen hervorragende Informations- und Entscheidungsgrundlagen zu Handen der politischen Behörden zur Entwicklung einer energiepolitischen Agenda, welche sich an den vorgängig genannten Zielen orientiert. Im Moment verfügen die Gemeinden über eine Art Auswahlliste von insgesamt über 50 konkret formulierter Massnahmen aus dem ganzen Spektrum energiepolitischer Aktivitäten.
Mit Hilfe dieser Liste wollen wir ein für die Region umsetzbares energiepolitisches Massnahmenpaket schnüren. Diesem Entwicklungsprozess müssen behördenverbindliche Beschlüsse folgen. Wenn die Beschlüsse vorliegen und erste Massnahmen wie zum Beispiel die Einführung der Energiebuchhaltung umgesetzt sind, wird die bestehende Bewertung nachgeführt. Wenn diese Bewertung einen Umsetzungsgrad von mindestens 50 Prozent erreicht, kann in der zweiten Phase des Projekts die Zertifizierung beim Trägerverein Energiestadt beantragt werden.
Kann auch irgendwie beziffert werden, welche Bedeutung die Sonnenenergie innerhalb des Projekts einnimmt oder idealerweise einnehmen sollte?
Sonnenenergie ist im Jahresdurchschnitt zwar in enormer Menge gratis und emissionsfrei vorhanden, zu deren Nutzung braucht es allerdings technische Einrichtungen. Mit einer Photovoltaik-Anlage kann man aus Sonnenlicht direkt Strom produzieren und mit einer thermischen Solaranlage kann man Wärme für das Warmwasser oder/und die Heizung erzeugen. Die von der Sonne gelieferte Brutto-Energiemenge entspricht für die Fläche und die üblichen Wetterbedingungen der Region Sense ca. 300 TWh (Terrawattstunden) pro Jahr.
Zum Vergleich: Der gesamte Energieverbrauch der Region (Benzin, Strom, Holz usw.) beträgt ca. 2,7 Promille davon. Aus dieser Sichtweise spielt die Sonnenenergie buchstäblich eine dominante Rolle in langfristigen energiepolitischen Diskussionen. Wegen des zeitlichen Versatzes von Solarenergieangebot und Energiebedarf können wir Sonnenenergie nur mit Hilfe von grösseren oder kleineren Energiespeichern nutzen.
Bei thermischen Anlagen ist das ein Wasserspeicher, bei Photovoltaikanlagen ist der Speicher das bestehende Stromnetz. Berücksichtigt man bei der Angabe von nutzbaren Energiemengen die verfügbare Anlagetechnik, welche zudem auch noch zahlbar ist, dann kann man für thermische Solaranlagen ein Potenzial von ca. 20 GWh (Gigawattstunden) pro Jahr über die vorhandene südorientierte Dachfläche von Wohngebäuden ausrechnen. Das wäre immerhin über sieben Prozent des aktuellen Energieverbrauchs für Raumheizung. Heute beträgt dieser Anteil weniger als ein Prozent.
Wo liegt das grösste Hindernis, die Sonne als Energiequelle vermehrt zu nutzen?
Die Nutzung der Sonne zur Stromproduktion ist technisch eigentlich einfacher, aber wegen zu tiefer Strom-Rückliefertarife noch teurer bzw. unwirtschaftlicher als die Nutzung thermischer Energie. Das Potenzial ist indessen wegen der an das Stromnetz delegierten Speicherfunktion ungleich grösser.
Nimmt man die insgesamt verfügbare Dachfläche, dann liessen sich gegen 100 GWh Strom pro Jahr erzeugen. Das entspricht gerade der Hälfte des aktuellen Stromverbrauchs der Region Sense.
Um Solarenergie zu nutzen, sind relativ hohe Investitionskosten erforderlich. Sie ist aber unbegrenzt vorhanden und macht langfristig unabhängig von fremden Ressourcen. Daher gehören energiepolitische Rahmenbedingungen zur Förderung dieser Energie zwingend auf die politischen Agenden. Die kantonale Gesetzgebung sieht ja dementsprechende Förderbeiträge vor. Die Gemeinden können ihren Beitrag insofern leisten, als sie über die Möglichkeiten informieren und z.B. im Baureglement günstige Rahmenbedingungen schaffen.
In diesem Kontext steht ein Infoabend im Rahmen der nationalen Gebäudekampagne «Bau-schlau» in Plaffeien am 1. Juli, zu welchem die Sense-Oberland-Gemeinden interessierte Liegenschaftsbesitzer einladen.
Welche Konsequenzen erwachsen den beteiligten Gemeinden beziehungsweise der Region Sense aus dem Label?
Zunächst muss präzisiert werden, dass das Label einerseits noch nicht erteilt ist und dass dessen Erteilung auch nicht das primäre Ziel des Projektes ist. Viel wichtiger ist, dass die Gemeinden und die verantwortlichen Behörden mit diesem Projekt über ein Führungsinstrument verfügen, das ihnen hilft, die Energie-Umweltproblematik adäquat zu behandeln, und dass der politische Wille vorhanden ist, den regionalen Möglichkeiten entsprechend ein energiepolitisches Aktivitätenprogramm zu entwickeln, das mittel- und langfristig zu einer Verbesserung der Energie- und Umweltsituation führt.