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Spannend

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Gutmensch ist das Unwort des Jahres. Sicher eine begründete Wahl, aber ich hab ein ganz anderes Wort auf der Latte: spannend. Das breitet sich aus wie der Kotzkäfer im Kinderlager nach einem verdorbenen Schoggimousse. Früher war höchstens der Dienstagabend-Krimi spannend – zumindest manchmal. Heute ist plötzlich alles spannend: die Gespräche, das Essen, sogar der Sex. Dabei ist «spannend» ein Feigling und ein falsches Luder. Denn meistens meinen wir etwas ganz anderes, wenn wir das Wort in den Mund nehmen.

 

 Da ist man zum Beispiel aus Versehen in einer Vorführung zeitgenössischer Experimentalmusik gelandet, auf der Bühne traktiert ein Mann ein verstimmtes Klavier mit einem Elektroschocker, während in einer Endlosschlaufe das Röhren brünstiger Hirsche im Fünf-Achtel-Takt ertönt. In der Pause fragt man die Sitznachbarin aus purer Höflichkeit, wie es ihr denn so gefalle. Sie schaut einen entgeistert an und meint dann: «Spannend, nicht wahr?» Man selber ist sich nicht zu blöde, zu antworten: «Ja, ganz interessant. Mal was anderes.» Und dann geht man gemeinsam zur Bar, kippt ein Cüpli hinter die Binde und hofft, dass die Hirsche im zweiten Teil ihre Lust befriedigt haben.

Was man wirklich hätte sagen wollen ist: «Nennen Sie mich einen Banausen, aber ich finde es unerträglich.» Und die Sitznachbarin hätte geantwortet: «Ich mag Mozart lieber, der konnte wenigstens noch Melodien schreiben.» Aber man getraut sich nicht, ehrlich zu sein, weil man sich keine Blösse geben will. Der andere könnte ja was von moderner Musik verstehen. Oder mit dem Klavier-Schänder verheiratet sein.

 

 Neulich fragte mich ein Kollege, was ich denn vom drohenden Brexit halte. Und wissen Sie, was ich blitzschnell geantwortet habe? «Das wird auf jeden Fall spannend.» Aus purer Verlegenheit, weil mir partout kein gescheiter Exkurs zur institutionellen Weiterentwicklung der EU im 21. Jahrhundert einfallen wollte.

Oder wie oft hat Ihr Chef einen Ihrer Vorschläge schon quittiert mit «spannend, interessant»? Und was ist dann daraus geworden? Nichts. Eben.

«Spannend» ist ein Unwort, das wir aus reiner Verlegenheit benutzen und hinter dem wir alles Mögliche verstecken: Unsere Ignoranz, unsere Abneigung, unser Desinteresse. Wir halten es für höflich, «spannend» zu sagen, statt Quatsch. Aber dadurch verliert das Wort jeden Wert – und darum verbanne ich es ab sofort aus meinem Sprachgebrauch. Wenn mir was nicht gefällt, sage ich das. Wenn ich was nicht verstehe, stehe ich zu meiner Unwissenheit. Und wenn ich zu etwas keine Meinung hab, schweig ich halt.

Mal sehen, wohin das führt.

Ich glaube, das wird ziemlich spannend.

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