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«Spezieller Schutz für Kinder ist nötig»

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Am 20. November 1989 wurde die UN-Kinderrechtskonvention von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Seitdem wird am 20. November weltweit der Tag der Kinderrechte begangen. Die FN haben mit Alexandra Jungo, Professorin für Zivilrecht an der Universität Freiburg, über die Kinderrechte (siehe Kasten) gesprochen.

 

 Alexandra Jungo, warum sind die Kinderrechte entstanden?

Noch vor 50 Jahren herrschte auch in der Schweiz die Meinung vor, Kinder hätten einfach zu gehorchen. So war noch bis 1978 im Zivilgesetzbuch ein Züchtigungsrecht verankert. In den 1970er- und 1980er-Jahren wuchs jedoch das Bewusstsein für die spezielle Situation des Kindes; es wurde vermehrt als eigenständige Person mit Rechten und einem besonderen Schutzbedürfnis wahrgenommen. Ein Grund für diese neue Wahrnehmung war sicher die Problematik von Kinderarbeit und Kindersoldaten in manchen Ländern. Die Tendenz für ein verändertes Bewusstsein setzte aber schon früher ein, nämlich nach den beiden Weltkriegen und der teilweise desolaten Situation für die Kinder in der Folge der Kriege. Zunächst fügte man Aussagen zugunsten der Kinder in die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 ein. Eigentliche Grundrechte für Kinder waren aber nicht vorgesehen. Die Kinderrechtskonvention füllt daher diese Lücke.

 

 Manche der Kinderrechte decken sich mit den Menschenrechten. Warum ist es wichtig, diese dennoch explizit für Kinder zu formulieren?

Natürlich gilt die Menschenrechtskonvention auch für Kinder. Dass man für die Kinder aber noch eigene Rechte formuliert hat, betont, dass für Kinder ein spezieller Schutz nötig ist. Darüber hinaus hat die Kinderrechtskonvention auch eine grosse Symbolkraft.

 

 Was hat sich in der Schweiz seit der Ratifizierung der Kinderrechte verändert?

Es wird mehr über die Rechte der Kinder gesprochen und das allgemeine Bewusstsein hat sich sicher verstärkt. Viele der Kinderrechte sind «self-executing», das bedeutet, dass sie nicht im schweizerischen Gesetz verankert werden müssen, damit sie gültig sind. Einige konkrete Umsetzungen gibt es aber. So wurde etwa das Anhörungsrecht ins Zivilgesetzbuch aufgenommen. Bei einer Scheidung oder bei Kinderschutzmassnahmen können die Kinder nun ihre Meinung sagen. Auch in der Schule, beispielsweise bei der Gestaltung von Pausenplätzen, werden sie stärker miteinbezogen. Das war früher nicht so. Auch einige jugendpolitische Fragen wurden gesetzlich verankert. Viele konkrete Umsetzungen gibt es aber in der Schweiz nicht.

 

 Wo wären diese denn nötig?

Man hat zwar das Züchtigungsrecht aufgehoben, ein explizites Züchtigungsverbot gibt es in der Schweiz – etwa im Gegensatz zu Deutschland – aber nach wie vor nicht. Zudem sind in der Schweiz die Schulgesetze und vieles, was mit der Prävention zu tun hat, kantonal geregelt. Was fehlt, ist ein Gesamtkonzept auf Bundesebene.

 

 Die Kinder in der Schweiz gehen zur Schule und haben genügend zu essen. Gibt es denn noch Handlungsbedarf?

Nur weil die Situation hier besser ist als in manchen anderen Ländern, heisst es nicht, dass wir mit dem Erreichten zufrieden sein dürfen. Im Moment sind Kinder, die Unrecht erfahren, zu stark auf sensibilisierte Erwachsene angewiesen. Was es braucht und was auch der Uno-Ausschuss fordert, ist eine Monitoring- und eine Koordinationsstelle, an die sich die Kinder wenden können. Dabei müsste ein ganz niederschwelliger Zugang garantiert sein: Wenn die Kinder ein schriftliches Formular einreichen müssen, bringt dies nichts. Es bräuchte vielmehr eine eingängige Telefonnummer oder eine App. Ebenfalls nötig wäre eine schweizweite Kampagne, um Kinder und Erwachsene für die Kinderrechte zu sensibilisieren. Ein weiteres Feld, wo noch viel getan werden muss, um die Kinder zu schützen, sind die neuen Medien. Und auch die Flüchtlingskrise stellt die Schweiz vor neue Herausforderungen.

 

 Inwiefern?

Offenbar gibt es Tausende von Kindern, die ohne ihre Eltern auf der Flucht sind. Natürlich gelten die Kinderrechte auch für diese Kinder. Das heisst, sie haben unter anderem Anrecht auf eine Fürsorgeperson und auf Schulbildung. Die Schweiz ist nun gehalten, diese Ansprüche auch für die Flüchtlingskinder, die in die Schweiz kommen, zu erfüllen.

 

 Diese Kinder kommen teilweise aus Ländern, die zwar die Kinderrechtskonvention ratifiziert haben, in denen es aber dennoch Kinderarbeit und Kindersoldaten gibt. Was bringen die Kinderrechte dort?

Die Konvention ist für die Staaten verpflichtend, direkte Sanktionen gibt es aber nicht. Auch hier ist der Symbolcharakter wichtig. Zudem müssen alle Staaten regelmässig Bericht erstatten. Der Uno-Ausschuss beobachtet die Umsetzung in den einzelnen Staaten und beurteilt die Situation in öffentlich zugänglichen Berichten, kann loben oder rügen. Und wenn ein Land öffentlich an den Pranger gestellt wird, kann dies die Regierung unter Druck setzen. Etwas zu ändern ist aber doch nicht immer einfach. Manche Länder haben zwar das entsprechende Regelwerk, aber dennoch gibt es Kindersoldaten. Die entsprechenden Regierungen verteidigen sich mit dem Argument, sie seien gegen die Rekrutierung der Kinder durch Guerillakämpfer hilflos. Was die Problematik der Kinderarbeit im Besonderen anbelangt, ist sie zu komplex, als dass sie sich durch ein einfaches Verbot regeln liesse.

 

 Warum?

Ziel ist es ganz klar, die Kinderarbeit abzuschaffen. Wenn aber ein Kind mit seiner Arbeit die ganze Familie ernähren kann und diese dadurch nicht auf der Strasse leben muss, entsteht doch ein Dilemma. Da muss man das ganze System anschauen und es braucht einen ganzheitlichen Ansatz.

 

 Zuletzt hat Somalia 2015 die Kinderrechtskonvention ratifiziert. Nun gibt es nur noch ein Land, das diese nicht ratifiziert hat: die USA. Das erstaunt.

Es mag als Farce erscheinen, dass Somalia, wo es Kindersoldaten gibt, die Konvention unterzeichnen konnte und die USA das bis heute nicht gemacht hat. Wenn aber ein Land grundlegendste Rechte wie das Recht auf Leben im Gesetz missachtet, kann es die Konvention nicht unterzeichnen. Und in manchen US-Bundesstaaten ist die Todesstrafe für Jugendliche möglich – auch wenn diese schon lange nicht mehr zur Anwendung gekommen ist. Auch gibt es in manchen Staaten ein explizites Züchtigungsrecht, teilweise auch in Schulen. Die föderalistische Organisation der USA macht es – wie oft auch in der Schweiz – nicht einfacher, da etwas zu ändern.

«Ein explizites Züchtigungsverbot gibt es in der Schweiz nach wie vor nicht.»

Alexandra Jungo

Professorin für Zivilrecht an der Universität Freiburg

«Nur weil die Situation hier besser ist als in anderen Ländern, dürfen wir nicht zufrieden sein.»

Alexandra Jungo

Professorin für Zivilrecht an der Universität Freiburg

«Wenn ein Kind mit seiner Arbeit die Familie ernähren kann, entsteht doch ein Dilemma.»

Alexandra Jungo

Professorin für Zivilrecht an der Universität Freiburg

Fakten

Fünf Kategorien von Kinderrechten

Alle Staaten der Welt ausser den USA haben die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet und sich damit verpflichtet, ihre nationalen Gesetze anzupassen. Die Konvention gilt für Kinder und Jugendliche von 0 bis 18 Jahren und umfasst 54 Artikel. Die festgelegten Rechte können infünf grosse Kategorienunterteilt werden: DieRechte der Nicht-Diskriminierungbestimmen, dass die Kinderrechte unabhängig von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, sozialer und ethnischer Herkunft, etwaiger Behinderungen oder Vermögensverhältnisse gültig sind. DieÜberlebensrechteverankern das Recht auf Leben und die Befriedigung der elementaren Bedürfnisse wie das Recht auf Nahrung oder medizinische Versorgung. DieRechte auf Entfaltungumfassen etwa das Recht auf Bildung, Spiel und Freizeit sowie kulturelle Aktivitäten, auf Gedankenfreiheit und auf Zugang zu Informationen. DieRechte auf Schutzschützen das Kind vor jeder Form von Misshandlung, Vernachlässigung oder Ausbeutung. Und zu denRechten auf Partizipationgehören etwa das Recht auf freie Meinungsäusserung oder das Recht auf Anhörung.rb

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