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Sprachenfrage als gordischer Knoten

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Sprachenfrage als gordischer Knoten

2003 war für die Ausarbeitung der neuen Staatsverfassung ein entscheidendes Jahr

Von WALTER BUCHS

Im März 2000 hatte das Freiburger Stimmvolk einen Verfassungsrat beauftragt, eine neue Kantonsverfassung auszuarbeiten. Nach den Vorarbeiten in den Kommissionen wurde in der ersten Hälfte 2002 im Plenum ein Themenkatalog behandelt und daraus 391 Thesen verabschiedet. Diese bildeten die Grundlage für die Formulierung eines ersten Vorentwurfs. Dieser lag im Januar 2003 vor.

Von Januar bis März des laufenden Jahres wurde das rund 160 Artikel umfassende Projekt vom Verfassungsrat in 1. Lesung durchberaten. Im Frühsommer folgte die öffentliche Vernehmlassung. Im November und Dezember fand im Plenum die 2. Lesung statt. Das nun zu Ende gehende Jahr war somit auf dem Weg zu einer neuen Freiburger Staatsverfassung eine ganz entscheidende Etappe. In der 3. Lesung im Januar können noch letzte Retuschen angebracht werden, worauf am 16. Mai 2004 die entscheidende Volksabstimmung stattfinden wird.

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Von der Umsetzung der Thesen in einen Verfassungsentwurf bis zum nun vorliegenden Resultat der 2. Lesung hat das Projekt zum Teil grosse Veränderungen erfahren. Auch wenn der im Januar vorgelegte erste Entwurf noch eher wohlwollend aufgenommen wurde, musste man nach der 1. Lesung Ende März feststellen: Dieser Text kann inhaltlich die Erwartungen noch nicht erfüllen, die die Verfassungsrätinnen und Verfassungsräte sowie die Öffentlichkeit in ihn gesetzt hatten. Unzufriedenheit über das bisherige Ergebnis wurde laut. Dazu kamen viele formale Mängel. Gross waren deshalb die Erwartungen an die von April bis Juli durchgeführte öffentliche Vernehmlassung. In allen Bezirken wurde zu Diskussionsveranstaltungen eingeladen. Parteien und viele Organisationen bereiteten interne Veranstaltungen vor. Es wurden insgesamt 2565 Antworten eingesandt, was weit mehr ist, als die Verantwortlichen erwarteten.

Bei der Veröffentlichung der Vernehmlassungsergebnisse Mitte September bestätigte sich, dass noch ein langer, steiniger Weg zu bewältigen ist. Positive Gesamtbewertungen des Vorschlags des Verfassungsrates waren eher rar. Am häuftigsten wurde bemängelt, dass der Entwurf viel zu detailliert und zu umfangreich sei. Die lange Liste der Grund- und Sozialrechte sowie der Staatsaufgaben liess viele daran zweifeln, ob der Staat überhaupt je die Mittel haben würde, dies alles zu finanzieren. Kantonalparteien liessen in ihrer Stellungnahme sogar wissen, dass sie den Entwurf bei der Volksabstimmung in der vorliegenden Fassung ablehnen würden.

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Die Kritik verhallte nicht ungehört. Die Sachbereichskommissionen gingen wieder an die Arbeit. Im Hinblick auf die 2. Lesung reichten sie insgesamt 88 Änderungsanträge ein. Daneben wurden 33 Minderheitsanträge formuliert. Viele hatten den Zweck, die Verfassung zu straffen sowie verständlicher und übersichtlicher zu gestalten, was im Grossen und Ganzen vom Plenum auch gutgeheissen wurde.

Der Drohfinger, der in vielen Vernehmlassungsantworten erhoben wurde, führte auch dazu, dass die Fraktionen sich viel mehr als in früheren Plenarsitzungen um Kompromisse bemühten. So wurden in der zweiten Lesung auf Vorschlag resp. sanften Druck des Präsidenten zu sechs besonders umstrittenen Themen ein fraktionsübergreifender Kompromissvorschlag eingereicht und angenommen. Damit sollte die Akzeptanz des Verfassungstextes in weiten Kreisen der Bevölkerung wesentlich verbessert werden. Einer dieser Punkte betrifft die Formulierung der Präambel. Dabei ist allerdings festzustellen, dass der Kommissionsvorschlag inhaltlich und sprachlich eine bessere Variante wäre als jener der Fraktionen.
Das von den Fraktionen erreichte positive Ergebnis kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es aufgrund unterschiedlicher Weltanschauungen und Auffassungen bezüglich der Funktion des Staates nach wie vor gewichtige Divergenzen gibt. Das ist beispielsweise beim Ausländerstimm- und Wahlrecht oder bei der Mutterschaftsversicherung der Fall. Von Anfang an hat sich zudem gezeigt, dass die Regelung der Sprachenfrage eine besonders harte Nuss ist. In diesem Punkt gab und gibt es im Gegensatz zu den meisten anderen Themen auch innerhalb der einzelnen Fraktionen grosse Meinungsunterschiede; von einer tragfähigen Lösung, die von den meisten Fraktionen getragen wird, ganz zu schweigen.

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Bei der Behandlung der Thesen anfangs 2002 hatte die Mehrheit des Plenums in der Sprachenfrage zwei Artikeln zugestimmt, die von Toleranz und Entkrampfung zeugten und einen echten Fortschritt für den Kanton bedeutet hätten. Im Laufe der beiden Lesungen des laufenden Jahres hat der Verfassungsrat in diesem Bereich nur noch Rückschritte gemacht. Die in der 2. Lesung nochmals komplett veränderte Version ist wieder von Ängstlichkeit und Mutlosigkeit geprägt, auch wenn im Vergleich zum Status quo nicht unbedeutende Verbesserungen enthalten sind. Als Fazit muss man aber feststellen, dass die Art und Weise, wie die Sprachenfrage gelöst resp. nicht gelöst wird, unbefriedigend ist, auch wenn die Wiedereinführung des Begriffs «Zweisprachigkeit» als gutes Zeichen zu werten ist.

Sieht man von der Sprachenfrage ab, dann darf man feststellen, dass der Entwurf für die neue Verfassung, so wie er nach der 2. Lesung feststeht, im Vergleich zum ersten Vorschlag punkto Inhalt und Aufbau an Qualität gewonnen hat. Die Angst, dass das Projekt als Ganzes scheitern könnte, hatte die Fraktionen gezwungen, sich zusammenzuraufen.

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