Autor: Christian Schmutz
«We si dier verwütsche, näme se der ds Pärmi!» Solche Sätze können nur Sensler sagen. Nicht weil sie im Strassenverkehr schlimmer sind als andere. Aber auch nicht nur wegen des Begriffs Pärmi für den Führerausweis, sondern wegen des dir im ersten Teil des Satzes.
Dativ und Akkusativ sind zusammengefallen
Dass die Sensler keinen Akkusativ (Wen-Fall) hätten, gehört zu den Allgemeinplätzen. Nur stimmt dies nicht. Stattdessen sind die Formen für Dativ (Wem-Fall) und Akkusativ zusammengefallen. Normalerweise ist im Kasussystem des Schweizerdeutschen (die vier Fälle, z. B. der, des, dem, den) der Genitiv (Wes-Fall) weggefallen. «Nominativ/Akkusativ fallen zusammen, und der Dativ steht allein», sagt Claudia Bucheli Berger von der Universität Zürich.
Sonderform oft bei Jungen
Sie hat bei Befragungen rund um die Deutschschweizer Satzstruktur herausgefunden, dass die Sensler dieses System durchbrechen. Wenn sie sagen: «Mier verwütscht a kina!» oder «fùr wem sy di Meie?», dann unterscheidet dies die Sensler von den anderen Deutschschweizern.
«Das Auffälligste ist, dass jüngere Leute die Sonderform noch häufiger brauchen als ältere», sagte Claudia Bucheli. Sie geht davon aus, dass solche «Fallverwirrungen» vor allem bei betonten Personal- und Fragepronomen (i schlee dier!) vorkommen, um etwas hervorzuheben. Dass aber ähnliche Unterschiede im Bernbiet wieder rückgängig gemacht werden und in Katholisch-Deutschfreiburg sehr aktiv bleiben, erklärt Bucheli mit dem Inseldasein der Sensler zwischen dem reformierten Bernbiet und dem französischen Kantonsteil. Solche Eigenheiten, die z. B. auch in Berlin zu hören seien, seien für sie als Dialektologin total faszinierend.
Senslerdeutsch ist in der Forschung immer wieder ein Thema. So auch bei Buchelis Zürcher Kollegin Gabriela Bart. Sie hat im gleichen Projekt rund um die Satzstrukturen untersucht, wie die Schweizer sprachlich den Besitz anzeigen. Freiburger Formen wie «im Leerers(ch) Hùnn» sind dabei Vermischungen von Dativ und Genitiv und insofern ebenso einmalig in der Dialektlandschaft.