Autor: Frederic Auderset
Zum Schluss dieses denkwürdigen Konzerts wurde dann doch noch getanzt. Als Country-Sängerin Tina C am späten Samstagabend im Bollwerk Freiburg den Prince-Klassiker «Purple Rain» anstimmte, wollte kaum ein Besucher sitzen bleiben. Für die folgenden zwei Zugaben hatte das Publikum dann die Stühle endgültig beiseite geschoben und den Zuschauerraum zur Tanzfläche erklärt. So wurde es im kühlen Innenhof des Bollwerks zum Abschluss des Belluard Bollwerk International Festivals doch noch richtig heiss.
Geistreiche Unterhaltung
Zuvor hatten die Stühle hingegen noch für eine Kluft zwischen der entfesselten Sängerin und dem brav sitzenden Publikum gesorgt. Begleitet vom Zürcher Trio from Hell, interpretierte Tina C mit ihrer gewaltigen Stimme hinreissende Balladen und auch flottere Nummern. Es war aber nicht der traditionelle Country, mit dem ihre Heimatstadt Nashville im US-Bundesstaat Tennessee weltberühmt geworden ist, sondern eher die düstere und tiefgründigere Variante im Stile von Johnny Cash.
Zwischen den Songs wusste Tina C gekonnt, das Publikum mit geistreichen Scherzen und merkwürdigen Weisheiten zu unterhalten. Ein Beispiel? «Liebe macht schwerhörig. Denn früher haben wir uns zugeflüstert, jetzt schreien wir uns an.» Die darauf folgenden Lacher waren bei einem Grossteil des Publikums aber für lange Zeit die einzigen Lebenszeichen.
Frau oder Mann?
Tina C fragte zwar in der Manier eines Gospel-Predigers immer wieder «Spürt Ihr die Liebe?» und wollte vom Publikum nichts anderes hören als «Hell Yeah!» Dazu haben sich aber am Anfang der Show nur einige animieren lassen. Mit zunehmender Dauer wurde die Stimmung jedoch lockerer. Die Zuschauerinnen und Zuschauer haben sich je länger, je mehr für die extravagante Sängerin, die vom britischen Schauspieler Christopher Green verkörpert wird, erwärmt – bis sie am Ende eben ausgelassen getanzt haben.
Es war also ein Transvestit, der da auf der Bühne stand, denn eine besondere Pointe musste das Ganze ja haben. Ein hundskommunes Country-Konzert wäre an einem Festival für zeitgenössische Kunst, wie es das Bollwerk-Festival ist, wohl befremdlicher als ein Mann in kurzem Rock und hochhackigen Schuhen. In dieser Aufmachung kokettierte Tina C über die Bühne. Zu ihrer Geschlechteridentität meinte sie nur: «Mit zehn war ich ein Mädchen, mit zwanzig wurde ich zur Frau. Dann wurde ich eine weltweite Ideologie, und jetzt bin ich einfach ich.» Das also ist Tina C from Tennessee – ein äusserst unterhaltsames und unvergessliches Musik- und Variété-Erlebnis.
Stimmgewaltig und kokett: Country-Sängerin Tina C am Samstag im Bollwerk Freiburg.Bild Aldo Ellena
Bilanz: Über 9000 haben das Bollwerk-Festival besucht
Zwanzig Kunstveranstaltungen haben im Rahmen der 28. Ausgabe des Belluard Bollwerk International Festivals, die am Samstag zu Ende gegangen ist, in Freiburg stattgefunden. Sie wurden von insgesamt rund 9200 «begeisterungs- fähigen» Zuschauerinnen und Zuschauern besucht, gaben die Organisatoren gestern bekannt.
Am meisten Interesse weckten Interventionen in der Stadt mit gut 3300 Besuchern. Dazu gehörte unter anderem die tägliche Protest-Performance «Omomoto» des Freiburgers Martin Schick und der Zürcherin Vreni Spieser.
Auf grossen Zuspruch ist wiederum die Festivalküche «Kitchain» gestossen, wo sich fast 3000 Gäste verpflegen liessen oder sich selbst verpflegt haben – denn das Publikum konnten dort auch selbst kochen.fa