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«Stark ist, wer Hilfe annehmen kann»

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Felix Rauh-Müller ist Sozialarbeiter an den Orientierungsschulzentren in Düdingen, Tafers, Plaffeien und Wünnewil mit 1600 Jugendlichen. Seine Anstellung erfolgte im Rahmen einer dreijährigen Projektphase, die im Februar 2009 endet. In einem Gespräch erklärt er, weshalb gewisse soziale Probleme nicht mehr von den Lehrpersonen allein gelöst werden können.
«Stark ist, wer Hilfe annehmen kann»
Imelda ruffieux
Sein Hauptbüro hat Felix Rauh-Müller an der OS Wünnewil, an den anderen Zentren ist er jeweils an einem fixen Halbtag in der Woche präsent. Diese Regelmässigkeit ist wichtig, denn das Angebot lebt davon, dass es für die insgesamt 1600 Jugendlichen möglichst niederschwellig ist.

Felix Rauh-Müller, warum ist ein Schulsozialarbeiter überhaupt nötig?
Verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen wie zum Beispiel neue oder veränderte Familienstrukturen (Patchwork- und Scheidungsfamilien), flexiblere Erwerbsmodelle und Migration haben dazu geführt, dass die Schule bei ihrer Hauptaufgabe – der Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten – immer mehr gestört wird.
Sie muss sich zunehmend mit sozialen Themen wie Suchtmittelkonsum, Rassismus, Gewalt, Handyfilmen, Nötigung, psychischen Problemen usw. auseinandersetzen. Neue Medien wie Internet, Handy und Chatforen bergen nebst Chancen auch Risiken, mit denen die Jugendlichen umgehen lernen müssen.

Wer hat diese Aufgaben vorher wahrgenommen?
Früher haben die Lehrpersonen diese Entwicklungen selber so gut als möglich aufgefangen. In der heutigen, sehr schnelllebigen Zeit ist dies aber nicht mehr möglich. Damit sie sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können, ist es wichtig, die Bearbeitung dieser sozialen Probleme einer Fachperson zu übertragen, die entsprechend ausgebildet ist.

Kommen viele Jugendliche freiwillig zu Ihnen?
Rund die Hälfte aller Jugendlichen sucht die Beratung freiwillig auf. Das war für mich eine positive Überraschung. Weil ich an den einzelnen Schulen relativ wenig sichtbar bin, hatte ich diese hohe Frequenz nicht erwartet.

Warum kommen so viele freiwillig zu Ihnen?
Ein Grund ist, dass ich mich jeweils zum Schuljahresstart – wie gerade jetzt wieder – in allen neuen OS-Klassen mit einer speziellen Lektion vorstelle. Die Jugendlichen lernen mich, meine Aufgabe und mein Angebot in einer ungezwungenen Atmosphäre kennen und merken: Stark ist nicht, wer Probleme verdrängt und vertuscht. Wirklich stark ist, wer Schwierigkeiten erkennt und nötigenfalls Hilfe annimmt.

Wie vermitteln Sie den Jugendlichen Ihr Hilfeangebot?
Das Thema «Ungleichgewicht» bzw. «eine gute (Lebens-)Balance finden» ist ein zentrales Thema dieser Vorstellungslektionen. Ich zeige den Jugendlichen auf spielerische Weise, dass das ganze Leben ein individueller Balanceakt ist. Zwar kann ein zeitlich beschränktes Ungleichgewicht normal sein (z. B. vor einer Prüfung), problematisch wird es aber, wenn dieses Ungleichgewicht länger andauert und mit den Erwartungen der Mitmenschen oder den Anforderungen der Schule kollidiert.

Kommen mehr Mädchen freiwillig zum Gespräch?
Es kommen etwa zwei Drittel Mädchen aus Eigeninitiative zum Beratungsgespräch. Sie suchen den Kontakt offensiver und früher als die Jungs. Bei Jungs braucht es manchmal einen ersten kleineren oder grösseren «Chlapf» – z. B. eine überraschend schlechte Note oder eine Prügelei – bis sie sich selber anmelden oder aufgrund eines Vorfalls zu obligatorischen Terminen angemeldet werden.

Wann wird ein Jugendlicher zu Ihnen geschickt?
Von Lehrpersonen angemeldet werden Jugendliche wegen Auffälligkeiten wie Störung des Unterrichts, Mangel an Lernbereitschaft, als Opfer oder Täter von Mobbing, wegen Selbstverletzungen, starker Leistungs- oder Stimmungsschwankungen, Suchtmittelkonsum etc. Meistens sprechen die Lehrpersonen die Jugendlichen auf Auffälligkeiten an und in einem zweiten Schritt legen sie ihnen einen Termin bei mir nahe.

Ist der Widerstand der Jugendlichen gross, wenn sie zu Ihnen geschickt werden?
Nein, auch bei diesen Terminen ist der Widerstand der Jugendlichen in den allermeisten Fällen sehr klein. Sie empfinden es nicht als Strafe und haben wenig Berührungsängste. Die meisten sprechen sehr offen, denn sie spüren innerlich meist selber, dass eine Veränderung gut wäre.
Sie sind froh, mit einer neutralen Person nach Lösungsmöglichkeiten, anderen Reaktionsmustern, verdeckten Ressourcen etc. zu suchen.

Gibt es Schüler, die für eine gewisse Zeit von der Schule verwiesen werden müssen?
Es kommt vor, dass Jugendliche aufgrund von Leistungsverweigerung, Störung des Unterrichts, aggressivem Verhalten, wiederholten Regelverstössen etc. mit einem Schulverweis sanktioniert werden müssen. Dies fällt in die Zuständigkeit der Schuldirektion und des Schulinspektorats. Sanktionen sind wichtig: Die Schüler müssen begreifen, dass gewisses Verhalten nicht tolerierbar ist.
Meine Arbeit findet in einer früheren Phase statt. Oft geht es darum, beim Jugendlichen neutral, sachlich und fair Transparenz und Bewusstsein zu schaffen: «Weisst du, was passiert, wenn du so weitermachst? Willst du das wirklich? Welche persönlichen Zukunftsträume hast du und lassen die sich auf dem jetzigen Weg verwirklichen?» Im Rahmen einer ressourcenorientierten Begleitung gelingt vielen Jugendlichen eine kontinuierliche, positive Verhaltensänderung. So kann einem Schulverweis oft vorgebeugt werden.

Wie ist das Verhältnis zur Lehrerschaft?
Das Verhältnis zu den Lehrpersonen ist sehr gut. Ich erlebe sie als sehr engagiert und wurde von ihnen ab Beginn sehr offen aufgenommen. Ich dränge mich ihnen nicht auf und verstehe mich nicht als Person, die es besser weiss. Vielmehr habe ich einen anderen beruflichen Hintergrund und andere Fachkompetenzen und kann ihnen anbieten, das Problem mit vereinten Kräften anzugehen.

Gibt es Unterschiede zwischen den Jugendlichen der vier Sensler OS-Zentren?
Es gibt Unterschiede, doch kann man nicht pauschalisieren. Es ist vielmehr so, dass spezifische Probleme in Wellen zu unterschiedlichen Zeiten die jeweiligen Zentren erreichen. Mal ist zum Beispiel ein gewisses Suchtmittel an der einen Schule ein Problem, mal gibt es in einem anderen Zentrum eine Anhäufung von aggressivem Verhalten.
Die Probleme sind nach meiner bisherigen Erfahrung meist von einem kleinen Kreis abhängig. Wenn diesen Personen eine positive Verhaltensveränderung gelingt oder sie die Schule verlassen, beruhigt sich die Situation meist spürbar.
Heute wird oft von verrohender Jugend und von Wertezerfall gesprochen. Dieser Verallgemeinerung muss ich entgegentreten: Es sind meist Einzelfälle, von denen die Öffentlichkeit erfährt. Dabei wird vergessen, dass der grösste Teil der Jugendlichen durch ein hohes Mass an sozialen Kompetenzen, Verantwortungsbewusstsein und Anstrengungsbereitschaft auffällt.

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