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«Sterben ist eingebettet in unsere Lebensaufgabe»

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Der Wunsch, zu Hause sterben zu können, wächst. Seit knapp zehn Jahren bietet die Organisation Voltigo dafür mit einem mobilen Palliativ-Team Unterstützung an. 

Murten Immer mehr Menschen haben den Wunsch, zu Hause zu sterben. Im Kanton Freiburg bietet das mobile Palliative-Care-Team Voltigo dafür seit 2013 Unterstützung an. Die Organisation Voltigo gehört zur Krebsliga Freiburg. Beim Aufbau der mobilen Sterbehilfe waren es noch rund 13 Prozent der Patienten im Kanton, die in ihren eigenen vier Wänden sterben konnten. Inzwischen ist die Zahl auf knapp 40 Prozent angestiegen. Der spezialisierte Pflegefachmann Hans-Georg Fiedeldeij arbeitet seit dem Aufbau der Freiburger Palliative Care bei Voltigo und erklärt den FN im Gespräch, worum es dabei geht.

Welche Hilfestellung kann Voltigo geben?

Voltigo stellt die Palliativversorgung sicher. Alle Menschen im ganzen Kanton dürfen Anspruch erheben auf die Betreuung durch Palliative Care. Das geht von Patienten selber aus, von Angehörigen, von der Spitex, von Spitälern oder anderen. Dieses Netzwerk ruft Voltigo ab, wenn es um eine palliative Situation geht – immer in Bezug darauf, dass die Menschen zu Hause bleiben wollen, so lange wie möglich. Manche haben ja den direkten Wunsch, zu Hause zu sterben. Um das zu ermöglichen, sind wir da. Wir gehen aber auch ins Pflegeheim, um Unterstützung zu bieten, um Expertisen weiterzugeben und um das Team in komplexen Situationen mit unserer Erfahrung zu unterstützen. Die Teams dürfen uns zu jeder Zeit involvieren. Wir haben auch einen Lehrauftrag und ein Konzept entwickelt, um den Pflegeheimen Wissen weiterzugeben in Form von Weiterbildungen im ganzen Kanton. Bei den Patienten und Patientinnen setzen wir in Zusammenarbeit mit Ärzten und Spitex die medizinische und pflegerische Leidenslinderung um. Das Netzwerk ist ganz wichtig für uns, und dazu zählen auch der Verein Wachen und Begleiten (Wabe), Hilfsmittelorganisationen und Seelsorger. In erster Linie geht es uns darum, das Leben in all seine Facetten in dieser Lebensphase zu stärken und die Lebensqualität vordergründig im Auge zu behalten. 

Wie geht Sterben?

Sterben geht genauso wie das Leben: Es ist sehr individuell, sehr unterschiedlich, und es ist ein Lebensprozess. Sterben ist eingebettet in den ganzen Lebensverlauf, in die Narrative des Menschen. Das kann man nicht isolieren. Wir wollen das, unsere Kultur will das isolieren: Irgendwann passiert es, und man will nicht hinschauen. Aber so wie alle anderen Dinge: Das Leben bereitet einen immer darauf vor, so wie man lebt, auf die Dinge, die kommen. Und die Entscheidungen, die man getroffen hat, muss man auch mittragen, und sie bedingen auch das, was kommt. Und Sterben ist genau das Gleiche. Wenn man in der Pubertät Probleme hat und nicht einen Weg findet, dann holt uns das immer wieder ein, das ist wie eine Lebensaufgabe. Sterben ist eingebettet in unsere Lebensaufgabe. Und es ist die letzte grosse Aufgabe des Menschen, sich zu befreien, sich loszulösen und zugleich die Dinge so rund wie möglich zu beenden. Damit eine stimmige Vollendung möglich ist. 

Wie sind Sie zu dieser Arbeit gekommen?

Das hat sich durch meine persönliche Geschichte ergeben und auch durch meine Arbeit auf einer neurologischen Intensivstation, auf der sehr viele Menschen hirntot waren. Da ging es darum, dass man den Angehörigen die Zeit ermöglicht, um zu einer Entscheidung zu kommen, ob man den Menschen ein Organ entnehmen kann. Ich habe gemerkt, dass von diesen Menschen, die hirntot waren, eine unglaubliche Ausstrahlung ausgeht. Auch wenn sie hirntot waren, haben sie unterschiedliche Reaktionen gezeigt. Da habe ich gemerkt, dass Sterben auch noch eine tiefere Ebene hat. Man kann nicht sagen, ein Organ ist tot und dann ist der Mensch tot. Die Medizin kann den Prozess nicht aufhalten und auch nicht wegnehmen. Sterben ist eingebettet in eine ganze Familienstruktur. Das habe ich intensiv gemerkt. Sterben hat immer auch viel mit Beziehungsgeflechten zu tun. Es ist da nicht nur eine einzelne Person, die stirbt, es gibt so viele Dinge innerhalb des ganzen sozialen Umfelds, welche wichtig sind für ein gutes Gelingen eines Vollendungsprozesses.

Ist das die grosse Herausforderung für die Palliative Care?

Die Resonanzen innerhalb der Familie und des Freundeskreises gehören sicherlich zu den Herausforderungen. Dass man auf eine Linie kommen muss. Dass die Energien zu Synergien werden, damit alle realisieren, jetzt ist der Weg so, dass ich loslassen muss, der Betroffene muss loslassen und alle müssen loslassen – aber durch das Loslassen verbindet sich wieder etwas. Und wenn es mal nicht klappt bei jemandem in der Familie, dann geht es darum, dass der eigene Weg gegangen werden muss und die anderen diese Spannung aushalten und damit leben müssen. Es ist die Entscheidung des Patienten, zu gehen, manchmal aus eigener Entscheidung, und manchmal überrumpelt das Sterben den Menschen, aber gleichwohl muss der Mensch all die Prozesse machen in dieser Phase. Hängt nun jemand ausserhalb und will nicht mitgehen, geht es darum, dass der Betroffene sagt, das ist mein Weg, ich muss jetzt gehen. Es gibt oft Patienten, die mit mir alleine über den Tod sprechen, weil sie mit Angehörigen nicht darüber reden können. Das gibt eine Einsamkeit. Wir können die Einsamkeit aber aufheben, wenn wir alle über das Gleiche reden können. Über das, was Tatsache ist. Das können wir aber nicht erzwingen, wir müssen da sein, es aushalten und trotzdem Licht ins Dunkel bringen und es auch ansprechen. Aber da gibt es kein Patentrezept und es ist auch nicht immer notwendig, weil die Angehörigen es selber realisieren durch die Spannung, die vom Sterben ausgeht. Diese Spannung löst bei den Angehörigen etwas aus und irgendwann können sie auch realisieren und loslassen. Weil der Betroffene den Weg des ganz anderen geht, denn der Tod ist ja immer der ganz andere. 

Sind das die schönen Momente, wenn alle einen gemeinsamen Weg finden?

Das sind schöne Momente. Wenn die Menschen selbstbestimmt gehen können: Sie gehen ihren Weg so, wie sie sich das von innen heraus erspüren. Und wenn die Angehörigen das erkennen und mittragen, dadurch auch das ganz andere im anderen wahrnehmen und das auch bewundern. Das finde ich immer sehr schön. Wenn sie Bewunderung haben und sich fragen, wie der Mensch das macht, wie er da seinen Weg geht. Es löst viel aus. Man merkt, dass das Leben so nicht mehr weitergeht für die Menschen, dass wirklich etwas passiert ist, es ist eine Art Umkehr und auch eine Befreiung. Sie sind herausgerissen aus ihrer Normalität und finden wieder in eine Normalität zurück, aber die Normalität hat einen Hauch von Frische, von Lebendigkeit. 

Wie ist das für Sie, ständig mit dem Tod konfrontiert zu sein?

Das ist eben genau das, die Konfrontation mit dem Tod polarisiert. Der Tod löst den anderen Pol aus. Und das ist die Lebendigkeit. Und diese Lebendigkeit, die spürt man dringlicher und intensiver, wenn der Tod vor den Augen stattfindet. Und das löst diese Spannung aus zwischen beidem. Deshalb sage ich immer, dass der Tod ein Lebensprozess ist. Das spüre ich stark. Also Lebendigkeitsprozess. Weil ich glaube, dass viele Menschen im Tod mehr Lebendigkeit spüren als je zuvor in ihrem Leben. Weil sich alles nochmals verdichtet: Emotionen, Gedanken, auch das Dunkle, die Angst vor dem Nichts. Und gleichwohl haben die Menschen eine tiefe Hoffnung, eine tiefe Sehnsucht, und das löst Lebendigkeit aus, auch bei den Angehörigen. Wenn sie zusammenkommen nach einem langen Prozess, da sind Menschen, die nie starke Emotionen gezeigt haben und jetzt kommt alles raus.  

Voltigo ist religiös neutral?

Ja. Die Religion ist für jeden Einzelnen Teil seiner Lebensgeschichte. Das ist immer eine Auseinandersetzung. Ob das jetzt trägt am Ende ihres Lebens, das ist die grosse Frage für stark religiöse Menschen. Die Auseinandersetzung erschwert ihnen in den letzten Momenten das Leben noch, oder sie erleichtert es ihnen, je nachdem welchen Zugang sie zur Religion haben. Deswegen ist es wichtig, die Religion ernst zu nehmen bei Patienten. Alles, was religiös ist, muss von den Patienten kommen. Die Interpretation der Religionen und die Lebensgeschichte dieser Menschen sind so unterschiedlich, und es ist deshalb wichtig, dass man den Menschen das zurückgibt, und wenn es eine Ressource für sie ist, dass wir Unterstützung bieten. 

Das bedeutet, dass Sie sich mit den Religionen beschäftigt haben?

Ja, das muss ich auch. Ich habe einen religionswissenschaftlichen Kurs belegt, bei dem ich Religionen kennengelernt und darüber nachgedacht habe. Und ich habe sehr viele Patienten betreut, bei denen ich viel Erfahrung sammeln konnte. Die Erfahrung ist alles, sie ist der Lehrmeister. Ich habe auch muslimische oder orthodoxe Patienten, die eine ganz andere Haltung haben als jemand, der im Sensebezirk katholisch ist. Es gibt Angehörige, die den Rosenkranz beten und in ihrem Glauben aufgefangen sind und einen Weg gehen, wo man merkt, das trägt sie. Das ist das eine. Das andere ist, wenn Menschen wirklich anfangen zu zweifeln. Und wenn sie darunter leiden. Sie haben den einen Pol gelebt, die Sicherheit, den Glauben, den Hafen, die Erlösung, aber dann kommt es nicht, das Gefühl. Dann zweifeln sie stark, und das wird der schmerzhafte Teil ihres Sterbeprozesses. Wenn sie merken, dass das, was sie immer intensiv gelebt haben, nicht zustande kommt, dann wird das zum Thema. Ich muss dann auch da sein, ohne als jemand zu fungieren, der Antworten hat, die Antworten kommen vom Patienten selber, sie müssen ihren Weg gehen. 

Sie ziehen auch Seelsorger hinzu?

Meist kommt das aus der Familie. Interessant ist, dass mir immer mehr auffällt, weil wir in einer katholisch geprägten Region wohnen, dass es im Mittelalter das allgemeine Priestertum gab. Das heisst, alle Menschen, die katholisch waren, konnten priesterliche Funktionen übernehmen und zum Beispiel die letzte Beichte abnehmen. Sie waren auch an die Schweigepflicht gebunden. Durch die Nähe habe ich in meiner Arbeit auch eine priesterliche Funktion. Das passiert bei allen, die in der Palliative Care arbeiten, häufig. Denn es gibt auch sehr viele einsame Menschen, die niemanden mehr haben und jemandem etwas anvertrauen wollen. Und wenn ich der letzte Mensch bin, der in Resonanz mit ihnen geht, weil sie so einsam sind, dann hat meine Person eine solche Funktion. 

Weitere Informationen finden Sie unter www.freiburg.krebsliga.ch

Strategie ausgearbeitet

Kanton will Palliative Care

Der Kanton Freiburg hat sich aktiv für Palliative Care ausgesprochen. Dafür wurde eine entsprechende Strategie ausgearbeitet, im April 2016 vom Staatsrat angenommen und im November bis mindestens 2023 verlängert.

Mit der Strategie soll folgende Vision verfolgt werden: «Im Kanton Freiburg hat jede Person mit einer lebensbedrohlichen, unheilbaren oder chronisch fortschreitenden Krankheit Anspruch auf Palliativpflege, die ihren Bedürfnissen entspricht. Für die Gesellschaft sind eine schwere Erkrankung und der Tod Lebensabschnitte, in denen die Würde der Betroffenen gewahrt werden muss.»

Der Kanton will damit dem Bedürfnis von Betroffenen gerecht werden, möglichst lange in ihrer gewohnten Umgebung bleiben zu können. Damit dies möglich ist, wurden verschiedene Massnahmen in den Bereichen Ausbildung/Koordination, Leistungsangebot und  Sensibilisierung/Information definiert. In der Gesamtstrategie des Kantons stellt Voltigo einen festen Bestandteil dar, neben Spitälern, Spitex oder auch Angehörigen. cho

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