Suizid-Prävention ist Daueraufgabe
Fortbildung für 70 Personen aus verschiedenen Berufsgruppen
Für eine stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit bei gleichzeitiger Wahrung klarer Berufsrollen haben sich die Teilnehmenden einer Fortbildungstagung der «Suizid-Prävention Freiburg» ausgesprochen. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist ihnen ein Beratungstelefon, das Professionellen möglichst rund um die Uhr zur Verfügung steht.
Von WALTER BUCHS
Neben Ärzten, Psychiatern und Psychologen werden regelmässig auch Angehörige anderer Berufsgruppen wie Lehrpersonen, Sozialpädagogen und Sozialarbeiter oder Seelsorger sowie Betreuungspersonal in Heimen und Polizisten mit der Problematik des Suizids konfrontiert. Aus diesem Grunde hat der vor gut einem Jahr gegründete Verein «Suizid-Prävention Freiburg», der vom Chefarzt des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes Patrick Haemmerle präsidiert wird, zu einer zweitägigen Fortbildungstagung nach Grangeneuve eingeladen, die im April auf französisch und in den vergangenen beiden Tagen auf deutsch durchgeführt wurde. Ende September wird sie auf französisch wiederholt.
Fakten und Verantwortlichkeiten
Am ersten Tag stand die Vermittlung von Grundlagenwissen zum Phänomen Suizid und zur Prävention sowie zur Reflexion über Verantwortlichkeiten im Vordergrund. So gab der Psychiater Conrad Frey, Präsident von Ipsilon (Initiative zur Prävention von Suizid in der Schweiz), den Teilnehmenden zu bedenken, dass die Zahl der Menschen, die pro Jahr in der Schweiz infolge Suizid sterben, doppelt so hoch ist als jene der Verkehrstoten und sechs Mal höher als die Zahl der Drogentoten.
Die Tatsache, dass die hohe Suizidrate als gesellschaftliches Problem in der Schweiz noch ungenügend wahrgenommen wird, führt der Sozialethiker Hans Ruh darauf zurück, dass Selbsttötung immer noch tabuisiert wird. Er plädierte deshalb dafür, sich von einer Wegseh-Gesellschaft hin zu einer Hinschau-Gesellschaft zu bewegen. Aus diesem Grunde sollte nach seiner Meinung Gesellschaftspolitik grundsätzlich Präventionspolitik sein.
Erkennung der Risikofaktoren
Breiten Raum nahmen an der in dieser Woche von rund 70 Personen besuchten Tagung die Analyse der Risikofaktoren, der Signale, suizidales Verhalten rechtzeitig zu erkennen, sowie der Handlungsmöglichkeiten ein. Der Soziologe Vladeta Ajdacic-Gross warnte dabei davor, Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung voreilig auf andere Zeiträume und anders gelagerte Verhältnisse anzuwenden, auch wenn die Bereitstellung von Fakten und Zahlen für zielgerichtetes Handeln unabdingbar ist.
Besonders hilfreich für die Teilnehmenden, die für ihren beruflichen Alltag möglichst handfeste Vorgehensmöglichkeiten erwarteten, da sie meist unvorbereitet mit ganz schwierigen Situationen konfrontiert werden, waren die Empfehlungen des Psychiaters Martin Eichhorn. Wie zahlreiche andere Referenten erinnerte er in der Analyse der Risikofaktoren und Signale daran, dass Suizidgedanken sehr häufig sind, suizidales Verhalten aber nicht vorhergesagt werden kann.
Hellhörig und verfügbar sein
Für den in Basel tätigen Psychiater ist entscheidend, dass man hellhörig ist auf Veränderungen, um dann aktiv Hilfe anbieten zu können. Veränderungen drückten sich beispielsweise in Leistungsknick, Gereiztheit oder Traurigkeit aus. Wichtig sei zudem zu wissen, dass Krisen bewältigt und psychische Krankheiten behandelt werden können. Diese Ausführungen wurden von Madeleine Eggler, Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bern, mit praktischen Interventionsmöglichkeiten ergänzt.
Die Freiburger Gesundheitsdirektorin Ruth Lüthi unterstrich, dass Suizid-Prävention ein integrierender Bestandteil der Gesundheitsvorsorge und -förderung sei. In diesem Sinne gehe es darum, «die vorhandenen guten Strukturen im Kanton weiterzuentwickeln, zu vernetzen und bekannt zu machen». Diese Erwartungen wurden von den Teilnehmenden in den Gruppenarbeiten ebenfalls zum Ausdruck gebracht. In diesem Sinne wird vom Verein Suizid-Prävention erwartet, dass er die notwendigen Hilfestellungen weiterentwickelt.