Ein Chorkonzert unter der Leitung von Abbé Joseph Bovet, ein Interview mit Autorennfahrer Jo Siffert oder eine Reportage über Jean Tinguely: Solche Radiodokumente machen die jüngere Geschichte lebendig. Um sie zu bewahren und öffentlich zugänglich zu machen, hat der Verein Musica Friburgensis im Jahr 2007 das Projekt «Freiburger Tonkulturerbe» ins Leben gerufen. Ziel war, alle gesprochenen und musikalischen Dokumente des Schweizer Radios mit Bezug zum Kanton Freiburg seit 1934 zu inventarisieren und zu digitalisieren.
Technik aus Freiburg
Jetzt ist dieses Projekt abgeschlossen: 9660 Dokumente in französischer und 940 in deutscher Sprache seien zusammengekommen, sagte Projektleiter Serge Rossier am Mittwoch vor den Medien. Dahinter steckt eine wahre Herkulesarbeit: Über 180 000 Dokumente waren abzuhören, um jene mit Freiburger Themen überhaupt zu finden. Dann galt es, die Schellackplatten aus den Jahren 1934 bis 1956 und die Magnetbänder aus den Jahren 1951 bis 1991 zu digitalisieren und zu katalogisieren.
Gerade bei den Schellackplatten war das nicht immer einfach: Von 999 inventarisierten Platten waren laut Serge Rossier 384 beschädigt. Dank des an der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg entwickelten Visual-Audio-Verfahrens konnten viele der darauf gespeicherten Tondokumente trotzdem gerettet werden.
Einzigartig in der Schweiz
Für den Historiker Rossier ist klar: «Die Radioarchive sind von grossem Wert.» Das aufwendige Projekt im Kanton Freiburg–das bisher einzige dieser Art in der Schweiz–habe sich darum auf jeden Fall gelohnt. Möglich geworden sei es nur durch die Zusammenarbeit von zahlreichen Partnern: Bei der Finanzierung spielte neben dem Verein Musica Friburgensis die Loterie Romande eine wichtige Rolle, die 235 000 Franken beitrug. Der Schweizerische Nationalfonds finanzierte die Assistenzstelle von 25 Prozent, die Serge Rossier an der Universität Freiburg innehatte. Die RTS (Radio Télévision Suisse) stellte nicht nur die Tonträger bereit, sondern auch Arbeitsplätze und Hilfe bei der Digitalisierung. Mit Rat und Tat, vor allem in technischer Hinsicht, half der Verein für die Erhaltung und Erschliessung des audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz (Memoriav). Und die Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg finanzierte die Katalogisierung der deutschen Dokumente, die ein Geschichtsstudent der Universität Freiburg während sechs Monaten vorgenommen hat.
In der Kantons- und Universitätsbibliothek kann jetzt auch das breite Publikum von dem Projekt profitieren: An Hörstationen stehen alle inventarisierten Dokumente zur Verfügung.
Verschiedene Plattformen
Die deutschsprachigen Beiträge haben ebenfalls Eingang in die Memoriav-Plattform Memobase gefunden, die aktuell gut 85 000 Dokumente aus dreizehn Schweizer Institutionen vereint. Die Beiträge in französischer Sprache sind hingegen auf den Plattformen der RTS verfügbar. Der Zugang ist je nach Dokument und Plattform unterschiedlich geregelt. Das habe teils juristische und teils organisatorische Gründe, erklärte Rudolf Müller, Projektkoordinator für den Bereich Ton/Radio bei Memoriav. Und Memoriav-Direktor Christoph Stuehn ergänzte, alle diese Plattformen seien noch im Aufbau und entwickelten sich ständig weiter. «Bei Memobase möchtenwir in Zukunft auch mit Links zu anderen Plattformen arbeiten.»
Wichtiges Stück Geschichte
Sehr erfreut über den Abschluss des Projekts «Freiburger Tonkulturerbe» zeigte sich alt Staatsrat Pascal Corminboeuf, Präsident von Musica Friburgensis: «Es handelt sich um ein wichtiges Stück Freiburger Alltagsgeschichte, um das Leben unserer Eltern und Grosseltern.»
Trouvaillen: Als Pilet-Golaz in Freiburg sprach
D ie älteste Radioaufnahme, die im Rahmen des Projekts digitalisiert wurde, ist ein Ausschnitt aus der Rede von Bundespräsident Marcel Pilet-Golaz am Eidgenössischen Schützenfest von 1934 in Freiburg. Noch älter ist ein Ensemble von kommerziellen Platten, das in den RTS-Archiven zum Vorschein kam: eine Aufnahme des Freiburger Choralensembles unter der Leitung von Joseph Bovet aus dem Jahr 1928 in der Mailänder Scala. Diese Platten lagen neu und ungeöffnet in der originalen Holzschachtel. cs