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Trash-Movies als Zeugnis afrikanischen Selbstbewusstseins

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Trash-Movies als Zeugnis afrikanischen Selbstbewusstseins

Autor: Urs Haenni

Vor dem Alten Bahnhof in Freiburg steht ein einsamer Container, wie vom Meer angeschwemmt. Die Behälter, in denen auf Meeresriesen die Güter der Welt transportiert werden, dienen in Afrika als Behausung für alles Mögliche: Marktlokal, Bar, Reparaturwerkstätte. Oder auch Kino.

Im Moloch Lagos mit seinen 15 Millionen Einwohnern ist in den Neunzigerjahren die Kriminalität und damit die Verunsicherung derart gewachsen, dass sich viele Leute in der Dunkelheit nicht mehr auf die Strasse wagen. Und die traditionellen Kinos schlossen, das eine ums andere. In Lagos hat das letzte Kino den Betrieb eingestellt, in ganz Afrika soll es noch knapp 100 Kinosäle geben.

Stattdessen sind Containerkinos aufgetaucht. Ein Vorhang, eine Handvoll Plastikstühle, DVD-Gerät und ein Bildschirm. Die Besucher kommen und gehen; die Filme laufen nicht nach einem vorgegebenen Zeitplan.

Genau dieses Feeling wollen die Organisatoren des Internationalen Filmfestivals Freiburg (Fiff) im «Espace Nollywood» vor dem Alten Bahnhof vermitteln. Fünf Filme aus nigerianischer Produktion der letzten zwei Jahre laufen dort, nonstop von 14 bis 20 Uhr. Und danach ist dunkel auf den Strassen Freiburgs.

«Quantität vor Qualität»

Die deutsche Kennerin der nigerianischen Filmszene, Dorothee Wenner, hat für das Fiff markante Filme aus der Filmindustrie Nigerias – genannt «Nollywood» – ausgesucht. Für europäisches Filmpublikum ist es eine Entdeckungsreise, denn die Filme entsprechen kaum den gewohnten Qualitätsvorstellungen. Man sieht den meisten Streifen das «low budget» an.

Doch aufgepasst: Mit einer Produktion von je nach Quelle 1400 bis 2000 Filmen jährlich ist Nollywood die weltweit eifrigste Filmindustrie. Noch vor Hollywood und Bollywood. Und umsatzmässig kommt Nollywood mit rund 500 Millionen Euro jährlich unmittelbar nach den grossen Schwestern in Kalifornien und Indien. Manch ein Film wird in zehn Tagen gedreht, das Budget beträgt 15 000 Euro, maximal 40 000. Die Devise lautet klar: «Quantität vor Qualität.»

An sich bietet Nigeria mit seinen 150 Millionen Einwohnern schon einen grossen Absatzmarkt. Die Filme nennen sich «Home Movies», kosten im Verkauf 2 Dollar und verkaufen sich im Durchschnitt 50 000 Mal. Zusätzlich stösst man durch die grosse nigerianische Diaspora auf der ganzen Welt auf Nollywood-Filme.

Afrikanische Geschichten

Das afrikanische Filmpublikum stört sich nicht im Geringsten am Qualitätsmangel. Es kann sich kaum mit dem Action-Helden aus Hollywood oder mit dem romantischen Musical aus Bombay identifizieren. Nollywood hingegen liefert afrikanische Themen, afrikanische Geschichten, afrikanische Sprache und afrikanische Filmstars. Dabei liegt die Betonung je länger, je mehr auf «afrikanisch». Nollywood hat sich nämlich ausgedehnt etwa auf Ghana; Nollywood-Filme sieht man in südafrikanischen Fernsehkanälen.

Dank digitaler Revolution

Der Beginn von Nollywood wird allgemein dem Film «Living in Bondage» aus dem Jahr 1992 zugeschrieben. Die Geschichte mit einer okkulten Thematik wurde als Video ein Bestseller. Daraufhin haben selbstberufene Filmproduzenten und -regisseure erkannt, dass da eine Marktlücke bestand, und sind auf den fahrenden Zug aufgesprungen.

Eine Mischung aus digitaler Revolution und nigerianischem Unternehmertum gilt als Hauptgrund für den Aufstieg Nollywoods. Die Filmemacher filmen mit Kameras, wie sie in jedem Elektronikgeschäft erhältlich sind. Schneiden, Vertonen, Betiteln und Brennen geschieht auf einem PC zuhause. Die Filme kommen direkt auf DVD oder VCD.

Filmische Entkolonisierung

Auch die Arbeit auf den Sets folgt afrikanischen Gepflogenheiten. Schauspieler arbeiten in mehreren Filmen gleichzeitig, tauchen deshalb manchmal nicht zum Dreh auf. Einen Drehort vom chaotischen Verkehr freizubekommen, ist kompliziert, und dann wollen Gauner noch Schutzgelder von der Filmequipe.

Der Erfolg gibt den Filmemachern aber Recht. Nigerianer sind bereit, mehr Geld für Nollywood-Filme auszugeben als für Mainstream aus Hollywood. Der Erfolg lässt sich auch daran messen, dass Raubkopien boomen.

Es sei falsch, so die Fachfrau Dorothee Wenner, das nigerianische Filmschaffen in Europa einfach zu ignorieren. Nollywood ist nichts anderes als die Entkolonisierung der afrikanischen Filmindustrie.

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