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«Trauer darf sein»

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«Es war ein Schock, ich war wie gelähmt, verzweifelt, empfand tiefe Trauer und fühlte mich kraftlos, hoffnungslos, hilflos.» Claudia P.* erinnert sich, wie es war, als sie vor 15 Jahren ihren Mann und den Vater der beiden Kinder durch Suizid verloren hat. Sie schildert, wie sie in der ersten Zeit neben sich stand. Die Familie, Nachbarn und Freunde standen ihr und ihren zwei Kindern, damals zwei und knapp sechs Jahre alt, zur Seite. «Es wurde mir zum Glück alles im Alltag abgenommen, denn ich war nicht imstande zu funktionieren. Ich war wie in einem Nebel.» Sie habe erst später realisiert, wie wertvoll diese Hilfe gewesen sei, und empfindet auch heute – mit vielen Jahren Distanz zum Schicksalsschlag – viel Dankbarkeit für die Unterstützung.

Ein persönliches Neustart-Projekt

Für die damals 33-Jährige stürzte mit dem Tod ihres Mannes eine Welt ein. Zusätzlich zum grossen seelischen Schmerz musste sie nur gerade sechs Monate nach dem Tod des Ehemanns aus finanziellen Gründen aus der bisherigen Wohnung ausziehen. Jetzt den Wiedereinstieg in das Berufsleben anzugehen, empfand sie als aussichtslos. «Ich hatte keine Perspektiven, die Zukunft war mir egal.» Zugleich ergriffen sie grosse Trennungsängste bezüglich ihrer Kinder und deren Zukunft. «Ich musste ihnen zuliebe weiterschauen. Ich hatte mir unser Familienleben anders vorgestellt. Aber es lag nicht in meiner Macht, das Ganze ungeschehen zu machen. Deshalb musste ich mit der neuen Situation leben lernen. Mein geliebter Ehemann und der Vater meiner Kinder hätte nicht gewollt, dass unsere beiden Sonnenscheine ihre Mama täglich so viel weinen sehen.» Da habe sie ihr ganz persönliches Neustart-Projekt geplant. Dieses beinhaltete auch, dass sie von ihrem damaligen Wohnort im Kanton Baselland wegzog.

Auf der Suche nach einem Ort näher bei ihren Eltern ist sie in den Sensebezirk gezogen. Die Mietwohnung habe ihr auf Anhieb gefallen «und vor allem die Weite und die Sonne auf dem Land», sagt sie. Da auch das Schulangebot für ihre Kinder stimmte, zog sie mit ihnen zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes um.

Hilfe durch den Verein Aurora

Claudia P. erinnert sich, wie sie als Verwitwete mit kleinen Kindern versuchte, sich in dieser herausfordernden, unabänderlichen Situation in der Gesellschaft zurechtzufinden. «Für Verwitwete gab es kaum Angebote», sagt sie. Sie habe in einem Verein für Alleinerziehende mitgemacht und auch in einer Selbsthilfegruppe von Suizid-Angehörigen. «Das passte nicht zu uns. Schon bald merkte ich, dass ich mich und die Mädchen jeweils Situationen aussetzte, die uns mehr belasteten als stärkten. Wir fühlten uns als Verwitwete und Halbwaisen nicht aufgehoben.»

Schliesslich erfuhr sie vom Verein Aurora, der Kontaktstelle für Verwitwete mit minderjährigen Kindern (siehe Kasten). «Ich ging zu einem der offenen Treffen, das brauchte viel Mut.» Die 48-Jährige ist heute sehr froh, diesen Schritt gemacht zu haben. Bei den Treffen tauschen sich Menschen in ähnlichen Lebenssituationen in ungezwungenem Rahmen aus. Sie finden in einem Restaurant statt und sind unverbindlich. «Anfangs habe ich nicht viel gesagt, nur zugehört, aber es hat so gutgetan zu spüren, aufgehoben zu sein.»

Sie hat erfahren, dass sie nicht alleine ist mit ihrem Schicksal, sondern dass es noch viele andere gibt, die den Verlust des Partners oder der Partnerin und Elternteils der Kinder zu verkraften haben, und dass es dabei unterschiedliche Wege gibt, damit umzugehen. «Ich fasste Vertrauen.» Bei weiteren Treffen habe sie sich dann auch mitzureden getraut, nicht nur über den Verlust, auch über alltägliche Themen wie Entscheidungsfindungen, schöne Erinnerungen und Pläne. «Es wurde mir einfach zugehört, ohne dass mir Ratschläge erteilt wurden. Es bestand kein Druck.» Die monatlichen Treffen seien für sie jeweils ein Lichtblick gewesen, sie gaben ihr Zuversicht und Kraft.

Betroffene Kinder unter sich

Auch die Ausflüge, die der Verein anbietet oder die jährlichen Ferien, waren ihr eine gute Stütze. «Wochenenden sind besonders schlimm, wenn man alleine ist. Man möchte etwas mit den Kindern unternehmen, muss alles alleine organisieren, wofür oft die Kraft fehlt. Unterwegs trifft man überall auf Paare mit ihren Kindern.» Auch den Kindern habe es gutgetan, andere Kinder mit nur einem Elternteil zu treffen. «Sie haben auf einen Schlag ihren Vater verloren, und ihre Mutter wurde zu einem anderen Menschen. Sie haben weder am Entscheid ihres Vaters noch an der jetzigen Familiensituation eine Schuld. Die meisten Kinder im Verein sprechen untereinander nicht oft über den Verlust. Doch sie fühlen, wie es den anderen ergeht; das verbindet.»

Situationsbedingte Trauer

«Kinder trauern anders», sagt die Tochter von Claudia P., die knapp sechs Jahre alt war, als ihr Vater starb. «Im einen Moment überfällt sie unendlich tiefe Trauer, kurz darauf können sie wieder unbekümmert spielen und lachen. Für Erwachsene ist das schwierig nachzuvollziehen», erzählt sie. Dieses Unverständnis habe sie als Kind oft zu spüren bekommen. In der Schule habe es manchmal unangenehme Momente gegeben, etwa wenn Lehrpersonen bemüht waren, das «Vater-Thema» zu umgehen.

Sie habe auch Mühe gehabt, wenn sich Scheidungskinder mit ihr solidarisieren wollten, sagt die junge Frau. «Das ist etwas ganz anderes. Sie leben vielleicht nicht mehr mit ihrem Vater zusammen, doch sehen ihn alle zwei Wochen. Mein Vater war nicht mehr da», sagt sie. Als Kind habe sie ihn vor allem auch situationsbedingt vermisst, etwa, wenn die Fasnacht nahte, bei der ihr Vater immer sehr aktiv war.

Andere Sichtweisen

Claudia P. hat sich Gedanken gemacht, was mit den Kindern passieren würde, sollte ihr etwas zustossen. «Es ist ein Riesendruck, den man nicht mit jemandem teilen kann», sagt Claudia P. «Ich habe eine Zeit lang versucht, meinen Kindern Mutter und Vater gleichzeitig zu sein, bis ich merkte, dass ich das nicht kann und auch nicht muss.» Durch den Verein habe sie eine andere Sichtweise auf die Geschehnisse erhalten und gemerkt, dass andere Betroffene es auch schaffen, die Kinder grosszuziehen und dafür zu sorgen, dass sie ihren Weg gehen. «Dadurch erhielt ich die Gewissheit, dass es auch bei uns weitergeht.»

Hilfe suchen und annehmen

Die 48-Jährige empfiehlt Trauernden, sich bei Bedarf Hilfe zu suchen. «Um Hilfe zu bitten, ist eine Stärke und keine Schwäche. Professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und das Umfeld bei der Bewältigung des Alltags um Unterstützung zu bitten, stärkt die Betroffenen.» Oder eben auch Angebote, wie jenes vom Verein Aurora, anzunehmen. Jeder müsse seinen eigenen Weg finden, mit einer solchen Situation zurechtzukommen. «Man muss den Mut haben, sich zu öffnen.» Jeder nach dem eigenen Rhythmus, ohne Druck. «Trauer darf sein, denn wir haben im Leben immer wieder mit Verlusten zu tun. Du fällst immer wieder in ein Loch, doch mit der Zeit kommst Du schneller wieder heraus.»

Claudia P. wollte einen Teil der Hilfe des Vereins Aurora zurückgeben und hat eine Zeit lang die Aufgabe als Co-Leiterin der Region Bern übernommen und die monatlichen Treffs begleitet. Alle, die sich im Verein engagieren, teilen ein ähnliches Schicksal. «Denn es ist schwierig, sich in andere einzufühlen, wenn man es nicht selbst erlebt hat.» Ihre Familie habe durch den ­Verein Menschen kennengelernt, mit denen sie heute noch guten Kontakt pflege. Sie habe es geschätzt, neben der vielen Zeit im Alltag, in der sie für alle kleinen und grossen Dinge die Verantwortung alleine tragen musste, Momente zu haben, in denen sie einfach nur hingehen und geniessen konnte. «Die Kinder sind flügge geworden und bauen sich ihr eigenes Leben auf. So schön, die beiden in diesem Lebens­abschnitt zu begleiten.»

*Claudia P. ist ein fiktiver Name. Die Identität der Familie ist der Redaktion bekannt.

Zahlen und Fakten

Für Verwitwete mit minderjährigen Kindern

1995 eröffnet Renée Komenda – selbst Betroffene – die Kontakt- und Beratungsstelle Aurora. Der Verein ist benannt nach der Göttin der Morgenröte bei den alten Römern. Renée Komenda hat im Rahmen ihrer Ausbildung diese Stelle als Projektarbeit geschaffen, bei der Frauen und Männer, die ihren Partner verloren haben und Kinder alleine grossziehen müssen, umfassende Hilfe bekommen. Aurora stiess auf so grossen Anklang, dass sie nach Abschluss der Projektarbeit entschied, weiterzumachen. 1996 wurde aus dem Projekt Aurora der Verein Aurora. Der Verein organisiert monatliche Regionaltreffs zum Erfahrungsaustausch, dies in den Regionen Aargau, Basel, Bern, Luzern, St.  Gallen und Zürich. In der Regionalgruppe Bern sind auch Betroffene aus dem Sensebezirk Mitglied. Der Verein ist konfessionell und politisch neutral. Er finanziert sich über Mitgliederbeiträge sowie Spenden und Gönnerbeiträge. Das Jahresprogramm der Anlässe ist sehr vielfältig. Es umfasst zum Beispiel einen Samichlaus-Event in einem Tierpark, der vor allem bei Familien mit kleineren Kindern sehr beliebt ist. Weiter gibt es Winterevents mit Skifahren, Schlitteln oder Schlittschuhlaufen. Angeboten werden auch Wanderungen, Museums-, Schloss- oder Zoobesuche. «Es wird darauf geachtet, dass es genügend Zeit für die Kinder gibt, um miteinander zu spielen, und für die Erwachsenen, um sich auszutauschen», sagt Christine Perolini, Co-Vizepräsidentin des Vereins und selbst auch verwitwet. Der Verein übernimmt den grössten Teil der Kosten. Er bietet auch jährlich eine Ferienwoche an. «Man will nicht bemitleidet werden», sagt sie. «Mitleid schwächt. Man möchte in einer solchen Situation verstanden werden.» Rund 80 Prozent der 285 erwachsenen Mitglieder des Vereins sind Frauen. Dieser Anteil entspricht einer schweizweiten Statistik, wonach 80 Prozent der Kinder, die eine Halbwaisenrente erhalten, ihren Vater verloren haben. Die Lebenserwartung von Männern ist tiefer als die von Frauen. 2015 haben 25 000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene eine Halbwaisenrente erhalten. Unter den Vereinsmitgliedern sind viele sehr jung Verwitwete, unter 35 Jahren mit Kleinkindern. Etwa 70 Prozent der Vereinsmitglieder haben ihren Partner durch Krankheit verloren, 20 Prozent durch Unfall, 10 Prozent durch Suizid.

im

Weitere Informationen: Verein Aurora, www.verein-aurora.ch, Mail: info@verein-aurora.ch; Telefon: 079 930 03 21.

 

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