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Tuareg-Zelte und Jenseitsvorstellungen

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Im Zweijahresrhythmus verleiht das Bundesamt für Kultur im Zuge der Literaturpreise einen Spezialpreis für Übersetzung. 2016 wurde Hartmut Fähndrich prämiert, dessen 35-jährige Übersetzungstätigkeit aus dem Arabischen dadurch gewürdigt wird.

Den 1944 geborenen Fähndrich, der von 1978 bis 2014 an der ETH Zürich Arabisch und Islamische Kulturgeschichte lehrte und über 60 Werke aus dem Arabischen übersetzt hat, freut besonders der «Hinweis auf die Bedeutung dieses Kulturtransfers» zwischen arabischem und deutschem Sprachraum, dem die Wahl seiner Person Ausdruck verleiht: Literatur als kulturelle Brückenbauerin.

Die Vermittlungstätigkeit betrachtet Fähndrich als seine Hauptaufgabe. Dabei hat er oft den Eindruck, dass die Erfahrungshorizonte der Quell- und Zielsprache so unterschiedlich nicht sind: «Überlegungen zur menschlichen Existenz, zum Menschsein im Hier und im Jenseits–das finde ich nie so schwierig. Hier zeigt sich, dass der Mittelmeerraum eine gemeinsame Gedankenwelt hat, auch wenn manche andere Abzweigungen genommen haben.»

Die alltäglichen Details

Der Übersetzungs-Teufel steckt in alltäglichen Details: «Das Schwierigste ist es, Realien wiederzugeben; Kleidung und Nahrungsmittel, die es im arabischen Raum gibt, hier aber nicht. ‹Ful› zu sagen, ist eines, ‹Saubohnen› etwas anderes.» Dabei müssten manchmal Halbsätze eingefügt werden, welche dies dem europäischen Leser näher erklärten. «Es ist schwieriger, den Aufbau eines Tuareg-Zeltes zu beschreiben als die Debatte zweier alter Männer über das Jenseits.»

Die letzte veröffentlichte Übersetzungsarbeit Fähndrichs datiert auf das Jahr 2014, was den Verdacht nahelegt, dass bei seiner Prämierung neben seinen Fähigkeiten auch die gegenwärtige politische Situation eine gewisse Rolle gespielt haben dürfte, welche das gegenseitige Verständnis der beiden Kulturräume mehr denn je bedingt. «Selbstverständlich. Davon bin ich zutiefst überzeugt», entgegnet Fähndrich auf diese Vermutung. Er erkennt darin den Ausdruck einer tiefer liegenden Problematik: «Die arabische Welt kann offensichtlich nur kurzfristig über aktuelle Probleme gedacht werden.»

Soll heissen: Das Interesse an der arabischen Literatur flackert immer nur auf, wenn beim europäischen Publikum Klärungsbedarf besteht. Pointiert sagt Fähndrich, dass die arabische Literatur «höchstens als Verlängerung des Journalismus» von Belang sei.

Zu wenig aktuell

So habe er nach dem Arabischen Frühling massenweise Anfragen von Verlagen zu bewältigen gehabt, die nach Literatur zur Thematik gefragt hätten. Darauf habe er jeweils entgegnet: «Na hören Sie, wie lange haben Sie auf den Roman über die deutsche Wende gewartet? Warten Sie zwei, drei Jahre», meint Fähndrich schmunzelnd. Nunmehr, da Romane dazu existierten, sei wiederum die Thematik zu wenig aktuell.

Die grosse Angleichung

 Es wäre anzunehmen, dass die jetzige Situation ein gesteigertes Interesse an der Literatur des arabischen Raums zur Folge hat. Ein Eindruck, dem Fähndrich dezidiert widerspricht: Er habe seit über einem Jahr und «trotz intensiver Werbeaktivität keinen Übersetzungsauftrag mehr».

Er findet keine schlüssige Erklärung für die Baisse, doch einen Grund sieht er in der Veränderung des Verlagswesens: «Ich war in den Achtzigerjahren der Einzige, um etwas vorzuschlagen. Es gab kein Internet, keine Globalisierung.»

Heute konzentrierten sich die Verlage–wenn überhaupt–auf die literarischen Grosserfolge aus dem arabischen Raum, die sie im Internet ausfindig machten, wobei sie auf den Rat von Fachpersonen verzichteten. «Mich fragt niemand. Punkt, aus.»

Dadurch, dass kaum je die Originalsprache verstanden wird, bleibt die literarische Qualität oftmals auf der Strecke. «Hier überschätzen sich die Verleger», meint Fähndrich. Dennoch sei die Rückwirkung solcher Mechanismen nicht unbeträchtlich: «Wie weit sehen sich nichteuropäische Autoren gezwungen, mit einer westlichen Leserschaft im Hinterkopf zu schreiben?»

Die Drohkulisse ist die Verflachung der Weltliteratur zu einem von marktwirtschaftlichen Überlegungen bestimmten Einheitsbrei. «Die Globalisierung der Themen in der arabischen Literatur ist in den letzten Jahren sehr sichtbar geworden», so Fähndrich.

Orient-Kitsch und Koran

 Nicht zuletzt schwingt die Problematik mit, dass die Kenntnisse über arabische Literatur beim europäischen Leser zwischen den Polen Orient-Kitsch und Koran oszillieren: «Dadurch ergibt sich eine Rezeptionssperre», sagt Fähndrich. Im Übrigen ziele dies völlig an der Realität vorbei; so sei die arabische Literatur äusserst vielfältig, und es seien durchaus Tendenzen einer «ganz vorsichtigen Entmythologisierung» spürbar.

Allerdings sei dies nicht ganz ungefährlich: «In der arabischen Welt gibt es Maulkorbgesetze, die zum Teil skandalös sind–aber sie existieren als Gesetze. Wenn wir über Rechtssicherheit reden, müssen wir–so schwer uns das fällt–solche Dinge in Betracht ziehen.»

Bücher als Brenngläser

Für all diese gesellschaftlichen Phänomene böte die arabische Literatur Erklärungsansätze, denn Bücher sind «Brenngläser, welche die Strahlen einer Epoche bündeln», wie Niklaus Meienberg es ausgedrückt hat.

 Bleibt nur zu hoffen, dass Publikum und Buchmarkt auf dieses Brennglas, durch das Hartmut Fähndrich einen Einblick in den arabischen Empfindungshorizont gewährt, nicht dauerhaft verzichten.

 Dieser Text wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.

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