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Übertritte prägten sein Berufsleben

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Heute Abend hält der scheidende Direktor der Freiburger Gymnasiallehrerausbildung, Franz Baeriswyl, an der Universität seinen Abschiedsvortrag (siehe Kasten rechts). Dabei wird er einen kritischen Rückblick über seine langjährige Karriere geben, sagt er im FN-Interview.

 

 Freuen Sie sich auf Ihren Abschiedsvortrag von heute Abend oder ist Ihnen auch ein wenig unwohl dabei?

Beides. Ich habe mich gefreut, dass meine Kollegen den Vortrag und ein Fest für mich organisiert haben. Es freut mich ausserdem, dass ich auf das zurückblicken darf, was ich hier gemacht habe. Aber die vielen Anmeldungen zur Feier wecken unterschiedliche Gefühle. Es ist eine Herausforderung.

 

 Ihr Vortrag heisst «Zur Anatomie der Schulnoten». Ist dies auch eine Bilanz Ihrer beruflichen Karriere?

Dieses Thema hat mich durch meine ganze Karriere hier begleitet. Seit 1989 habe ich zum Übertrittsverfahren von der Primar- zur Sekundarschule in Deutschfreiburg die Daten aufgenommen, ausgewertet und mit Schuldirektoren und Schulinspektoren zusammen verarbeitet. Der Aspekt Beurteilung war immer ein Teil dieser Arbeit. Und Übertritte sind zu einem der Leitmotive meiner Forschung geworden.

 

 Sie gelten als «Vater des Deutschfreiburgischen Übertrittsverfahrens». Wie kamen Sie zu diesem «Kind»?

Als wissenschaftlicher Berater an der Erziehungsdirektion, das war von 1978 bis 1993, wurde ich mit der Überarbeitung dieses Verfahrens betraut. Es gelang uns, ein Verfahren zu schaffen, das ohne prozentuale Verrechnungen auskam. Die vier Entscheidungselemente Lehrerempfehlung, Elternempfehlung, Noten und Prüfung wurden aber beibehalten. Im Zweifelsfall hat nicht die Punktzahl entschieden. Hier wurde die Zuweisung im direkten Gespräch zwischen der Lehrperson, dem Schuldirektor und den Eltern gefunden. Dabei spielten die Noten keine entscheidende Rolle mehr, weil die Informationen der Lehrperson und der Eltern wichtiger waren.

Was ist heute anders als vor rund 25 Jahren?

Neu wird beim Übertrittsverfahren wiederum eine prozentuale Verrechnung der gleichen vier Elemente verlangt. Dadurch erhalten die Noten erneut ein überhöhtes Gewicht. Der ganze Schulbetrieb richtet sich verstärkt auf die Noten aus. Das gibt dem Verfahren eine völlig anders gewichtete Dynamik. Ich bin aber nicht für das Übertrittsverfahren zuständig. Die Beschäftigung damit führte mich zu neuen Forschungsfragen. Mit deutschen Kollegen konnten wir das «alte» Deutschfreiburger Übertrittsverfahren als ein mehrkriteriales Verfahren in Deutschland bekannt machen. Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften haben ein grosses Echo ausgelöst, weil wir teilweise aufzeigen konnten, dass es sozial ziemlich gerecht war. Fehlzuweisungen gibt es immer. Aber sie sollten nicht zulasten der Unterschichtkinder gehen. Und Oberschichtkinder sollten nicht bevorzugt werden.

 

 Erachten Sie das persönlich als Rückschritt …?

Ich will das nicht werten. Das Übertrittsverfahren funktioniert wiederum ähnlich wie vor 25 und mehr Jahren. Das war nicht falsch. Aber die schulische Leistungsfähigkeit eines Kindes kann man nicht vermessen und in Ziffernoten ausdrücken. Ein Kind hat ein persönliches Leistungsprofil mit Stärken und Schwächen, dies selbst innerhalb eines Schulfaches. Ein Durchschnitt sagt wenig aus über die tatsächlichen Leistungsfähigkeiten. Darauf werde ich heute Abend im Vortrag eingehen. Noten drücken bloss einen Teil der Leistungsfähigkeit aus. Sie sind immer auch heimliche Informationsträger. So tragen sie immer auch Information über die soziale Herkunft, die Leistungsstärke einer Klasse, das Geschlecht, den Migrations- oder Sprachhintergrund und die Strenge oder Milde der Lehrperson mit sich.

 

 … aber Sie waren enttäuscht?

Ja, insofern, als man weiss, dass die Ziffernote nicht genau sein kann. Die Lehrperson hat viel wichtigere Informationen über die Leistungsfähigkeit eines Kindes. Bei einer so wichtigen Bildungsentscheidung, wie es der Übertritt in die Orientierungsschule ist, sind zwei Drittel klar zuteilbar. Bei nicht eindeutigen Fällen braucht es die direkte Information. In Deutschfreiburg ist besonders wichtig, dass die Öffnung nach der Orientierungsschule gut funktioniert. Dazu ist Sorge zu tragen. Dadurch können Fehlzuweisungen korrigiert werden.

 

 Sie haben hier auch die Gymnasiallehrerausbildung verantwortet. Gegen 1000 junge Pädagogen machten hier ihren Abschluss …

Diese Zahl mag ungefähr zutreffen. Das war ja auch meine Haupttätigkeit als Direktor der Gymnasiallehrerausbildung. Es war eine interessante Aufgabe, diesen motivierten jungen Menschen mit einem abgeschlossenen Fachstudium einen Berufsabschluss zu ermöglichen. Zu einer guten Fachausbildung gehört eine seriöse didaktische und pädagogische Ausbildung. Vor allem muss der Lernprozess verstanden werden, wenn man Unterricht lernwirksam vorbereiten und gestalten will. Wir pflegten eine intensive Verknüpfung von Theorie und Praxis. Die Fachdidaktik, das Praktikum, sind für die Ausbildung genauso wichtig wie die Allgemeine Didaktik und die Pädagogik. So haben wir seit 15 Jahren ein Praxisnetzwerk aufgebaut mit mehr als 120 Lehrpersonen in über 25 Gymnasien in der ganzen Deutschschweiz. Sie nehmen unsere Studierenden zu sich ins Praktikum auf.

 

 Ich las, dass Freiburg in diesem Bereich in einem regen Austausch mit anderen Unis steht. Wie geht das?

Wir haben eine gut funktionierende Zusammenarbeit mit Bern und Basel. Ich bin etwas stolz, dass ich das schon in den 1990er-Jahren mit auf- und dann ausbauen konnte. Wir können nun die ganze Fachdidaktik anbieten, den teuersten Teil der Ausbildung. Einige Fachdidaktiken finden nur in Bern, andere nur in Freiburg statt. Für Philosophie und Pädagogik und Psychologie kommen die Studierenden aus Basel sogar nach Freiburg. Dafür dürfen einige auch nach Basel. Eine echte Win-Win-Situation konnten wir da schaffen.

 

 Was hat sich in den letzten Jahrzehnten in der Didaktik geändert?

Lange betrachtete man uns als didaktische Idealisten. Heute haben sich in Gymnasien viele Lernformen durchgesetzt, die wir schon lange propagieren. Veränderungen wie die Einführung der Maturaarbeit verlangten neue Unterrichtsformen. Auf solches Coaching haben wir sie in der Grundausbildung vorbereitet. Sie vollumfänglich für die Praxis fit zu machen, ist aber nicht möglich. Wir sind in der Grundausbildung vor allem auch dann erfolgreich, wenn unsere Studierenden offen für die Weiterbildung sind.

 

 Sie haben verschiedene Funktionen, zum Beispiel sind Sie als Präsident im «Theater in Freiburg» aktiv. Haben Sie nun mehr Zeit für Ihre Hobbys?

Ich kann jetzt im Beruf viel abbauen und mehr investieren für das Theater, das mir sehr am Herzen liegt und für das ich nun mehr arbeiten will. Schliesslich begleite ich zwei Forschungsprojekte weiter. Dazu kommt ein kleines Engagement an der Uni Zürich und hier in Freiburg. Mich erwartet also kein abruptes Berufsende.

«Fehlzuweisungen gibt es immer. Aber sie sollten nicht zulasten der Unterschichtkinder gehen.»

Franz Baeriswyl

Erziehungswissenschaftler

Zur Person

Franz Baeriswyl, 65 Titularprofessor

Franz Baeriswyl, Jahrgang 1949, wurde 1993 Direktor der Abteilung Lehrerausbildung Sekundarstufe zwei an der Universität Freiburg, seit 1999 ist er Titularprofessor. Davor war er Primarlehrer, Schulpsychologe und wissenschaftlicher Berater der Freiburger Erziehungsdirektion. Er hat Psychologie studiert und schrieb seine Dissertation 1985. Vor 2009 erhielt er den renommierten Coreched-Preis für Bildungsforschung.fca

Abschiedsvortrag

Betrachtungen zum Sinn von Noten

Heute Abend wird nach zwanzig Jahren im Dienst Franz Baeriswyl von seinen Mitarbeitenden vom Departement Erziehungswissenschaften verabschiedet. In seinem Abschiedsvortrag stellt er eine Betrachtung über die «Anatomie der Schulnote» an. Seine Abteilung Lehrerausbildung Sekundarstufe zwei ist eine interfakultäre Einrichtung, die direkt dem Rektorat unterstellt und dem Departement angegliedert ist.fca

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