Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Ukrainischer Vikar in Murten: «Es ist eine Zeit des Schocks, aber auch der Hoffnung»

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Die Ukrainerinnen und Ukrainer seien gezwungen, im Krieg mit Russland zu siegen, sagt Nazar Zatorskyy, Vikar in der Seelsorgeeinheit St. Urban. Andernfalls drohe die Ausrottung. Ein Sieg Russlands würde andere Diktaturen mit Machthunger stärken.

Der Krieg in der Ukraine betrifft nicht nur sein Heimatland und Russland, sagt Nazar Zatorskyy, Vikar in der Seelsorgeeinheit St. Urban für Gurmels und Murten. Der Krieg sei auch gegen die Demokratie und gegen die Nato gerichtet. Den Druck, der nun auf Russland ausgeübt wird, via Sanktionen, den Abbruch von wirtschaftlichen Beziehungen und Demonstrationen in europäischen Ländern, bewertet er als sehr wichtig. Im Interview spricht der 42-Jährige auch über die Hilfe der Kirche im Krieg und die Wirkung von Propaganda.

Nazar Zatorskyy, seit einer Woche herrscht Krieg in der Ukraine. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Für mich ist es eine sehr intensive Zeit. Es ist eine Zeit des Schocks, der tiefen Trauer, des Entsetzens. Aber auch der Hoffnung.

Warum der Hoffnung?

Der Hoffnung, dass die Ukraine dem Angriff doch standhalten kann, und ihren Weg in Richtung Demokratie und Freiheit fortsetzen wird. Dieser Angriff ist nicht in erster Linie ein Angriff auf die Ukraine. Es ist ein Angriff auf die Entscheidung der Ukrainerinnen und Ukrainer für die Freiheit und für die Demokratie.

Sie leben in der Schweiz, haben aber Freunde und Familie in der Ukraine. Was erleben diese vor Ort?

Etliche leben im Westen der Ukraine. Die Städte dort sind derzeit nicht direkt Ziele der Bombardierungen. Von daher fühle ich mich etwas erleichtert. Aber es ertönen auch dort die Sirenen, und die Bevölkerung muss sich in Sicherheit bringen. Die Situation ist unsicher und unruhig. Die Menschen sind schockiert. Aber auf der anderen Seite sind sie genauso entschlossen, die Ukraine und ihre Freiheit zu verteidigen. Meine Mutter beispielsweise. Sie ist Ärztin und hat entschieden, nicht zu mir in die Schweiz zu kommen. Sie geht ihren Pflichten nach und kümmert sich um das Sammeln von Blutspenden. Blut wird sehr gebraucht, angesichts der vielen Bombardierungen und Verletzten. Eine Freundin von mir hat sich als Freiwillige gemeldet, um Essen für die Flüchtlinge zu machen und zu verteilen. Man muss wissen, dass die meisten Flüchtlinge in der Ukraine bleiben. Ins Ausland geht ein kleinerer Teil.

Wie reagiert die ukrainische Diaspora in der Schweiz auf diesen Krieg?

Wir versuchen, trotz unserer aufgewühlten Gefühle und trotz Emotionen, uns zusammenzureissen und überall dort zu helfen, wo es nur möglich ist. Das heisst, wir versuchen, Hilfsgüter zusammenzustellen, in erster Linie Arzneimittel und medizinische Präparate. Wir versuchen auch, für Flüchtlinge Unterkünfte in der Schweiz zu organisieren. Und wir tun auch das, was ich jetzt gerade mache: unsere Meinung nach aussen tragen.

Welche Massnahmen braucht es jetzt für die Ukraine?

Die grösste Bitte, welche die Ukraine weltweit an die Regierungen richtet, ist eine Flugverbotszone über dem Land. Also genau das, was die Nato im ehemaligen Jugoslawien getan hatte. Diese Massnahme kann unzählige Opfer verhindern, weil russische Kampfflugzeuge und Helikopter ukrainische Städte dann nicht mehr beschiessen. Das wäre eine grosse Erleichterung, vor allem für die Zivilbevölkerung, die darunter leidet.

Die Nato hat eine Flugverbotszone bisher abgelehnt, um nicht direkt in den Krieg verwickelt zu werden. Können Sie das nachvollziehen?

Aus der Sicht der Nato-Länder ist es nachvollziehbar. Sie sind nicht verpflichtet, Truppen zu senden, weil die Ukraine kein Nato-Mitglied ist. Auf der anderen Seite hat Russland klipp und klar gesagt, dass es kein Krieg gegen die Ukraine direkt ist, sondern ein indirekter Krieg gegen die Nato. Das heisst: Russland kämpft gegen die Nato, aber die Nato kämpft nicht gegen Russland. Heute habe ich diesbezüglich einen lustigen Spruch auf einem Bild gelesen. Es ist erstaunlich, dass die Ukrainer in dieser schweren und dunklen Stunde ihren Humor behalten und lustige Bilder und Sprüche verbreiten. Der Spruch war: Nato-Länder fürchtet euch nicht. Die Ukraine wird euch verteidigen!

Wie bewerten Sie die Reaktionen in der Schweiz und in Europa auf den Krieg?

Ich möchte mich ganz herzlich bei allen bedanken, die für die Ukraine einstehen und zu den Demonstrationen gehen. Das ist ganz, ganz wichtig. Dank den Schweizerinnen und Schweizern hat die schweizerische Regierung ihre Meinung geändert und schliesslich doch die EU-Sanktionen übernommen. Zum anderen will ich mich auch bei den politischen Parteien und Regierungen bedanken, die Sanktionen eingeführt haben. Diese bringen die russische Elite zum Nachdenken. Auch bei den Unternehmen möchte ich mich bedanken, die die wirtschaftlichen Beziehungen mit Russland abgebrochen haben, um ebenfalls Druck auszuüben. Das ist alles sehr wichtig, um den Aggressor in die Schranken zu weisen. Damit sieht nicht nur Russland, sondern auch alle anderen Diktatoren mit Angriffslust, dass hier ein No-Go passiert ist. Ein grosses und mächtiges Land hat ein kleineres, schwächeres Land angegriffen und versucht, gewaltsam die Kontrolle über ein Territorium und die politische Entwicklung zu erlangen. Wenn das durchginge, dann gäbe es grünes Licht für alle anderen starken Länder, die Appetit haben. Das kann eine Welle von Kriegen zur Folge haben.

Kann die Kirche, oder allgemeiner die Glaubensgemeinschaften, in der Ukraine Hilfe leisten?

Ja, eine sehr grosse. Gerade in diesen Situationen, in denen die Menschen am Rande der Verzweiflung sind, ist die Bedeutung der Kirche und des Glaubens riesig. Unsere Priester stehen den Gläubigen bei und unterstützen sie. Sie geben den Leuten das weiter, was Jesus uns gelehrt hat: Nämlich, dass Gott auf der Seite der Schwachen und Ausgebeuteten, auf der Seite der Opfer steht. Gott ist mit der Ukraine, Gott begleitet sie auf ihrem Leidensweg.

Das ist vor allem eine moralische Unterstützung. Wird auch anders geholfen?

Selbstverständlich. In meiner Heimatstadt Lemberg haben alle Kirchen ihre Kellerräume als Verstecke für die Luftangriffe geöffnet. Zumal um die Kirchen herum grosse Wohnblöcke sind, ist der Fluchtweg nicht weit. Und zum anderen sammeln die ukrainischen Kirchen in der Diaspora Hilfsgüter und schicken diese in die Ukraine oder nach Polen. Dort, wo die Hilfe am dringendsten gebraucht wird.

Aus historischen Gründen haben etliche Familien in der Ukraine und in Russland Verwandtschaft im jeweils anderen Land. Wie verändert dieser Krieg diese Beziehungen?

Es ist nicht das erste Ereignis, das den familiären Beziehungen schadet. Alles hat angefangen 2004, als die Ukrainer während der Orangen Revolution ihr Recht auf freie Meinungsäusserung und auf die Wahl ihres Präsidenten wahrgenommen haben. Seitdem hat die russische Propaganda ein verzerrtes Bild und Lügen von den Ereignissen in der Ukraine verbreitet. Russen und auch Ukrainer, die in Russland wohnen und für Informationen auf die russische Berichterstattung angewiesen sind, haben diese Darstellung übernommen. Sie haben Informationen konsumiert, die ihr Denken umgestellt haben.

Wie kann das wieder korrigiert werden?

Genau so lange wie diese Falschinformationen gestreut wurden, wird es auch dauern, diese zu korrigieren. Im Jahr 2000 wurde Wladimir Putin Präsident Russlands und hat die unabhängigen Medien zerschlagen. Seit 22 Jahren beherrscht der KGB, der Geheimdienst, die Medienlandschaft und bringt Gift in die Ohren und Augen der Russen. Es wird nicht weniger als 22 Jahre brauchen, um die Leute wieder zu entgiften. Aber ich sehe nicht, wer das tun könnte. Putin ja ist immer noch an der Macht. Und in dieser Woche wurden die letzten sogenannten liberalen Medien, oder liberal angehaucht, verboten und abgeschaltet.

Wie könnte sich die Lage in der Ukraine in der nächsten Zeit entwickeln?

Die Ukraine wird siegen. Es gibt keinen anderen Weg. Putin beabsichtigt die sogenannte Entnazifizierung der Ukraine. Übersetzt bedeutet das: Er will einen Genozid starten, indem die Ukrainer, die sich so bekennen, umgebracht oder zum Schweigen gebracht werden. Die Ukrainer haben die Möglichkeit, ausgerottet zu werden oder zu siegen. Weil die Ukrainer sich ungern ausrotten lassen, werden sie siegen. Die Frage ist nur, wann und mit wie vielen Opfern.

Zur Person

Vikar in den Pfarreien Gurmels und Murten

Nazar Zatorskyy ist Priester der Griechisch-Katholischen Kirche und arbeitet als Vikar in der Seelsorgeeinheit St. Urban. Zu ihr gehören die Pfarreien Gurmels und Murten. Weiter ist der 42-Jährige Administrator für die ukrainischen Kirchengemeinden in Zürich und Basel sowie Bischöflicher Beauftragter für die Ukrainer in der Schweiz. Aufgewachsen ist Nazar Zatorskyy in Lemberg in der Westukraine. Nachdem er in seinem Heimatland ein Theologiestudium begonnen hatte, schloss er dieses in Deutschland ab. Derzeit macht er ein Doktorat in Theologie an der Universität Freiburg. jmw

Kommentar (0)

Schreiben Sie einen Kommentar. Stornieren.

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Pflichtfelder sind mit * markiert.

Meistgelesen

Mehr zum Thema