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Vollkasko-Mentalität überwinden

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Die Wertpapieraufsichtsbehörde der EU (Esma) hat Mitte November vor «ICO» gewarnt. Sie machte erhebliche Risiken aus, meinte, ICOs seien rechtlich nicht geregelt, anfällig für Betrug und für widerrechtliche Aktivitäten. Wer investiere, warnte die Esma, sei typischerweise nicht genügend informiert, könne sich nicht so leicht von seiner Investition trennen und gehe das hohe Risiko eines Totalverlustes ein.

ICOs, Initial Coin Offerings, sind eine neue Entwicklung im Bereich virtueller Währungen. Sie sind eine innovative Art, öffentlich Geld aufzunehmen. «Coins», also Münzen oder eben Währungen, werden insbesondere von jungen Unternehmen ausgegeben, um neben der Geldaufnahme gleichzeitig auf sich und das zu finanzierende Projekt aufmerksam zu machen. Als Gegenleistung dafür, dass jemand investiert, werden Gewinnanteile, Mitbestimmungsrechte und andere Vorteile versprochen.

Die Wertpapieraufsichtsbehörde hat mit ihrer Warnung das Offensichtliche festgehalten, denn die erwähnten Risiken dürften jedem bekannt sein, der sich mit ICOs befasst. Immerhin hat sie vorerst bloss vor Risiken gewarnt; andere Länder haben ICOs gleich gänzlich verboten. Nach einer solchen behördlichen Warnung ist allerdings eine Regulierung durch die Politik in der Regel nicht weit. Die EU-Behörde wollte zweifellos die Bürger davor abhalten, etwas Unbekanntes auszuprobieren; sie will die Bürger diesem Risiko nicht aussetzen.

Warum gibt es überhaupt Leute, die auf diesem Weg versuchen, Geld aufzunehmen? Weshalb gibt es Menschen, die dabei auch noch mitmachen und investieren? Das sind doch alles unnötige und unnütze Risiken in einer Welt, die eh schon im Überfluss lebt. Da besteht doch nur die Gefahr, dass die Menschen übers Ohr gehauen werden und etwas verlieren könnten.

Die Gesellschaften in den sogenannt entwickelten Ländern erachten Risiken zunehmend als grundsätzlich schädlich. Die Vollkasko-Mentalität greift in vielen Lebensbereichen um sich, und zwar nicht nur da, wo es unmittelbar ums Lebendige geht. In der Arbeitswelt, der Altersvorsorge, dem Gesundheitswesen, dem Bankwesen, dem Kinderhaben, der Globalisierung und so weiter – überall wird es als höchstes zu erreichendes Ziel angeschaut, vor der Unbill des Lebens verschont zu werden.

Aber ohne Risiken geht es nicht, das hat uns die Evolution gelehrt. Das Eingehen von Risiken gehört zur ersten Stufe der Fortentwicklung der Menschheit. Risiken äussern sich nicht von vornherein darüber, ob sie sinnvoll sind oder unnütz, ob sie trotz Materialisierung irgendwann und irgendwie zu etwas Gutem führen, oder ob das unter Risiken eingegangene Ziel eventuell gar nie erreicht wird. Wir verspüren heute vor allem in den Gesellschaften der entwickelten Welt eine wachsende Unruhe über Ausweglosigkeit, Ohnmacht, Stillstand in so vielen Belangen. Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass wir verlernt haben zuzulassen, Neues zu wagen, Gefahren einzugehen und Ungewissheiten zu erforschen. Wir sind in vielen Lebensbereichen im wahrsten Wortsinne risiko-feindlich geworden. Risiken eingehen bedeutet nämlich das Gegenteil von sich durch den Staat oder die Gemeinschaft vor den Unwägbarkeiten der Zukunft absichern zu lassen, wie dies heute zu oft zuoberst auf der Agenda von Politikern steht, die wiedergewählt werden wollen.

Risiken als unabdingbare Voraussetzung für Erneuerung und Weiterentwicklung müssen wieder stärker akzeptiert, ja sogar wertgeschätzt werden. Sonst untergraben wir das Fundament unseres erarbeiteten momentanen Wohlergehens. Risiken sollen wieder vermehrt ganz bewusst zugelassen, und nicht präventiv flächendeckend durch Politik und Regulierung ausgeschaltet werden. Zeit für sinnvolle Regulierung – wenn dann überhaupt reguliert werden muss – bleibt in den allermeisten Fällen genügend, nachdem man Erfahrungen mit eingegangenen Risiken gemacht hat. Lassen wir also Innovatoren aufbrechen, in neue Bereiche vorstossen, den Pionier-Bonus holen, der in Gewinn, Ruhm oder einfach bloss dem Gefühl besteht, als Erste dabei gewesen zu sein. Und sei es nur, indem wir mit ICOs etwas Geld riskieren.

Silvan Jampen ist als Unternehmens­jurist tätig und wohnt mit seiner Familie in Kerzers. Im Rahmen der FN-Gastkolumne äussert er seine persönliche Meinung zu gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Themen.

Kolumne

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