«Wohin geht ein Mensch, wenn er nicht weiss, wohin er gehen soll?» – Richard ist auf der Suche nach dem richtigen Weg in seinem Leben als Wittwer und als Professor im Ruhestand. Eines Abends wird in den Nachrichten von einer Gruppe Asylanten berichtet, die den Oranienplatz in Berlin besetzt halten. Sie wollen Arbeit und sind deswegen seit Tagen in einem Hungerstreik. Richard möchte wissen, warum und wie diese Menschen nach Berlin gekommen sind. Er macht sich auf und fragt, hilft ihnen bei Vorladungen, isst und feiert mit ihnen. Dann erhalten alle den Ausweisungsentscheid: «Wohin geht ein Mensch, wenn er nicht weiss, wohin er gehen soll?»
Leichtigkeit trotz Tragik
Richards Überlegungen und seine Erfahrungen in der Freiwilligenarbeit mischen sich mit den Gedanken über sein Leben als Kriegskind, Ostberliner und Altphilologe. Diese Verflechtung gibt dem Buch eine gewisse Leichtigkeit trotz der Tragik der einzelnen Schicksale und zeigt knallhart den Unterschied zwischen Freiheit und Sicherheit eines Bürgers und das Ausgeliefertsein eines Flüchtlings.
Staaten, Gesetze, Amtsstuben sind für sich genommen anonym. Bei jedem einzelnen Flüchtling, Asylanten handelt es sich jedoch um einen Menschen mit Namen und einer ganz persönlichen Geschichte.
Der Roman beruht auf unmittelbarer Anschauung und Teilnahme. Jenny Erpenbeck, Jahrgang 1967, ist eine deutsche Regisseurin und Schriftstellerin. Sie ist verheiratet mit dem Dirigenten Wolfgang Bozic und lebt mit ihm und dem gemeinsamen Sohn in Berlin. Ihr Vater ist der Physiker, Philosoph und Schriftsteller John Erpenbeck und ihre Mutter Doris ist Arabisch-Übersetzerin.
Jenny Erpenbeck:«Gehen, ging, gegangen», Verlag Knaus, 2015, Roman, 351 Seiten.
Barbara Schwaller-Aebischerist Mitarbeiterin der Bibliothek Tafers.